Wesel. Das Endoprothetikzentrum am Weseler Marien-Hospital verwendet als Knieprothese ein Modell, dass sich individuell anpassen lässt.
Das Kunstgelenk als Kopie des natürlichen Knies: Dieses Verfahren beim Gelenkersatz wendet jetzt das zertifizierte Endoprothetikzentrum (EPZ) der Klinik für Orthopädie- und Unfallchirurgie am Marien-Hospital in Wesel an. „Wir erhalten die natürliche Stellung des Beins“, sagt Chefarzt Dr. Levent Özokyay und berichtet von sehr guten ersten Erfahrungen: „Die Patienten erhalten schneller ihre gewohnte Beweglichkeit zurück, haben nach dem Eingriff weniger Schmerzen und sind deutlich zufriedener mit dem Operationsergebnis.“
Im EPZ des Marien-Hospitals werden pro Jahr etwa 100 künstliche Kniegelenke eingesetzt. Bisher, so Dr. Özokyay, wurde beim Einsatz eines künstlichen Kniegelenks immer ein exakt gerades Bein „hergestellt“. Eine solche Anatomie findet sich aber nur bei etwa 16 Prozent der Menschen, über 80 Prozent der Patienten haben ein X- oder O-Bein. Darauf wird bei der herkömmlichen Methode, die seit über 40 Jahren üblich ist, keine Rücksicht genommen. Der Chefarzt spricht von einer „Korrektur entgegen der Natur“. Muskeln und Sehnen, die im bandgeführten Kniegelenk eine wesentliche Funktion für die Stabilität haben, werden in eine Zwangshaltung gebracht.
O-Bein bleibt O-Bein
Die Folge: Gut 20 Prozent der Patienten sind mit dem Eingriff nicht zufrieden. Anders beim „Kinematischen Alignment“, der modernsten Form der Knie-Endoprothetik. Dabei erfolgt keine künstliche Verschiebung der Beinachse, O-Bein bleibt O-Bein, X-Bein bleibt X-Bein. Bänder, Sehnen und Muskeln funktionieren nach den vertrauten Bewegungsmustern, die Kniescheibe gleitet wie bei einem gesunden Kniegelenk.
Um dies zu gewährleisten, ist das künstliche Gelenk aus Schweizer Produktion etwas anders aufgebaut als die herkömmlichen Modelle. Ein wesentlicher Unterschied sind unterschiedlich modellierte Kunststoffeinlagen für die Innen- und Außenseite des Knies. „Beim Einsatz einer solchen Prothese müssen wir 25 Prozent weniger Knochen entfernen“, nennt Dr. Özokyay einen weiteren wesentlichen Vorteil für die Patienten.
Im 3-D-Druck
In schwierigen Fällen – nach Unfällen oder bei seltenen anatomischen Gegebenheiten – lassen sich sogar Knie-Endoprothesen im 3-D-Druck produzieren. Dazu fertigt der Hersteller auf Grundlage einer Computertomografie eine passgenaue Schablone an, nach der das Kunstgelenk eingesetzt wird – individueller geht’s nicht. Durch den Erhalt von Beinachse und Muskelzug in der angeborenen Form sinkt die Zahl der Wechseloperationen zum Austausch eines künstlichen Gelenks um ein Drittel, weiß Dr. Özokyay aus Langzeit-Studien. Das ist für den Chefarzt mit 25-jähriger Erfahrung in der Endoprothetik ein weiterer Grund, künftig standardgemäß auf das Kinematische Alignment zu setzen. Dieses Verfahren funktioniert übrigens auch bei den wenigen Patienten, die von Natur aus ein gerades Bein haben.