Kreis Wesel. „Ich denke es wird noch wesentlich schlimmer, ehe es besser wird“, meint der zweite Dehoga-Vorsitzende im Kreis. Ein Umdenken müsse stattfinden.
Sonnige Feiertage wie noch zuletzt am Osterwochenende haben die Gastronomen am Niederrhein kurzzeitig aufatmen lassen. Die Menschen wollen ausgehen, das Wetter genießen und in Gesellschaft essen und trinken. Doch diese Tage täuschen nicht darüber hinweg, dass die Branche in einer tiefen Krise steckt. Erst die Corona-Maßnahmen und nun die hohen Preise für Energie und Lebensmittel: Hans Jürgen Rüffert führt das Art Inn Hotel am Dinslakener Bahnhofsplatz und kennt als stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Wesel die Situation vieler Kolleginnen und Kollegen. Er zeichnet eine düstere Prognose: „Ich denke es wird noch wesentlich schlimmer, ehe es besser wird.“
Genaue Zahlen für den Kreis kann er nicht nennen; für den Bereich der Dehoga Nordrhein, der die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln umfasst, spricht er von 18 bis 19 Prozent, die zuletzt schließen mussten. Nicht zu vergessen sei die Dunkelziffer, denn nicht alle Betriebe seien auch an den Verband angeschlossen. Der Blick in einige Städte sei erschreckend, wenn plötzlich deutlich werde, welche Betriebe nicht mehr da seien.
Dehoga im Kreis Wesel: Betriebe sollten sich mit Kosten intensiv auseinandersetzen
Wer es durch diese Krise geschafft hat, muss gleich durch die nächste: Bei Waren und Lebensmitteln verzeichnet die Gastronomie derzeit einen Preisanstieg von 30 bis 40 Prozent. Auch die Energiekosten werden uns noch treffen, sagt Rüffert. Der Verband empfehle allen Betrieben, sich intensiv mit den Kosten auseinander zu setzen. Das schließe auch Preiserhöhungen nicht aus. Klar ist auch: Kundinnen und Kunden, die derzeit selbst arg gebeutelt sind, werden voraussichtlich beim Imbiss- oder Restaurantbesuch sparen. „Die Zukunft ist momentan sehr unsicher“, sagt der stellvertretende Dehoga-Vorsitzende im Kreis.
Genau das mache es auch schwierig, Personal zu finden, das durch die Pandemie verloren ging. Laut Rüffert sei aktuell nicht die Bezahlung die Hürde – er verweist auf die Tariferhöhung zum 1. Mai – sondern vielmehr die Frage, wie es weitergeht: „Wir brauchen von der Politik eine Planungssicherheit, dass es nicht mehr zu einem Lockdown kommt“, fordert er. „Wenn wir selbst keine Sicherheit haben, können wir sie auch den Mitarbeitenden nicht geben.“
Nicht jeder Betrieb sei gleichermaßen stark betroffen. Bei Ausflugsrestaurants wie etwa am Rhein oder für Hotels im Wellness- und Freizeitbereich erwartet er eine steigende Nachfrage. Der große Knackpunkt sind aber die Geschäftsreisenden, die laut Rüffert vor Corona rund 80 Prozent der Übernachtungen ausgemacht haben: „Knapp 30 Prozent werden nicht zurückkommen.“ Und der Freizeitbereich könne das nicht auffangen. „Im Kreis müsste touristisch schon viel mehr passieren“, sagt er und verweist auf Regionen mit ganz anderer Strahlkraft.
Krisen zwingen die Betriebe zum Umdenken
So drängt die derzeitige Situation die Betriebe auch im Kreis zum Umdenken. Lohnt sich der Mittagstisch noch? Bleibt das teure Rumpsteak auf der Karte? Vor Corona habe es kaum Ruhetage gegeben, inzwischen sei das in vielen Betrieben anders. Auch in seinem Hotel hat Rüffert umgestellt. Dort habe es bis 2020 noch einen offenen Cafébetrieb für Nicht-Hotelgäste gegeben. Letztlich durch Corona habe er sich dagegen entschieden, diesen aufrechtzuerhalten, erzählt Rüffert.
Ebenso die Beherbergung habe sich geändert. Einige Gäste zögen nun das Frühstück im Zimmer oder außerhalb der Mahlzeit in einem Gemeinschaftsraum vor. Der Trend gehe hin zu Apartments oder kleinen Kochnischen auf den Zimmern. Rüffert betont, man müsse die Geschäftskonzepte überdenken. „Du kannst nicht 1:1 so weitermachen.“