Kreis Wesel. Ein Video wird geprüft, das einen Wolf in Alpen zeigen könnte. Bietet die linke Rheinseite Faktoren für eine Ansiedlung? Das meinen Experten.
Auf der rechten Rheinseite leben die Menschen seit fast vier Jahren mit Wölfin Gloria und inzwischen auch mit ihrem Rudel. Mindestens drei Welpen aus dem Jahr 2021 gehören laut Einschätzung des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) zu dem Wolfspaar. Doch wie wahrscheinlich wäre eine Wolfsansiedlung im linksrheinischen Kreis Wesel? Zuletzt ist ein Video entstanden, das einen Wolf in Alpen zeigen könnte. Das Lanuv prüft - Ergebnis noch offen.
Es befinde sich aktuell noch in Bearbeitung, heißt es auf Nachfrage von Lanuv-Pressesprecher Wilfried Deitermann. Kein Einzelfall, aktuell gebe es viele solcher Videos und Wolfssichtungen in NRW. Der Grund? „Momentan ist Wanderzeit von Wölfen“, erläutert Deitermann, es sei also nicht ungewöhnlich. Er betont: Eine Sichtung bedeutet nicht, dass sich direkt ein Wolf ansiedelt. „Dafür braucht es mehrere individuelle Nachweise innerhalb eines halben Jahres.“
Zwei Faktoren für eine Ansiedlung des Wolfes - Nahrung und Rückzugsflächen
Sollte sich der Wolfsnachweis per Video in Alpen bestätigen, tippt auch Christian Chwallek, stellvertretender Vorsitzender vom Nabu NRW, auf einen wandernden Jungwolf. Er ist beim Nabu für das Thema Wolf zuständig. Da er aus Alpen kommt kennt er außerdem die Voraussetzungen in der Region sehr gut: Der Wolf brauche zum einen ein ausreichendes Nahrungsangebot sowie einen Bereich, in dem er sich zurückziehen und seine Jungen aufziehen könne. „Der Wolf ist kein Offenland-Tier, Weide und Ackerlandschaft bieten ihm nicht genug Schutz.“
Punkt eins - die Nahrung: Zwar sei im linksrheinischen Bereich der Bestand an Wildschweinen nicht so groß wie rechtsrheinisch, sagt Chwallek, allerdings sei der Rehbestand gut. Aus Sicht von Chwallek wäre ein Nahrungsangebot für den Wolf hier also gegeben. Bei Punkt zwei sieht es schon anders aus: Vor allem im linksrheinischen Kreisgebiet gibt es zu wenig Waldflächen. Rheinberg und Alpen seien waldarme Kommunen, es gebe zwar die Leucht, Chwallek verweist aber auf einen hohen Freizeitdruck. Reiter, Hundebesitzer und Spaziergänger sollten den Wolf hier eher von einer Ansiedlung abhalten. Anders sieht es im Wolfsgebiet Schermbeck aus. Die Gegend dort sei waldreich, das Besucheraufkommen verlaufe sich, so der stellvertretende Nabu-Vorsitzende.
Nabu: Höchste Wolfsdichte auf Truppenübungsplätzen
Welche Stellen der Wolf außerdem bevorzugt? Die höchste Wolfsdichte gibt es laut Christian Chwallek auf Truppenübungsplätzen. Diese Bereiche seien eingezäunt, oft sandige Standorte und sonnenbeschienen - beliebter Rückzugsort für viele Tierarten. Das gebe es in NRW etwa im Münsterland, Chwallek nennt den Bereich bei Dorsten und Coesfeld. Eine Wolfsansiedlung am linken Niederrhein hält der Experte generell eher für unwahrscheinlich.
Bleibt noch die Frage, woher ein junger wandernder Wolf nach Alpen gekommen sein könnte? „Kaffeesatzleserei“, sagt Chwallek. Er hält es aber für wahrscheinlicher, dass der Wolf - sollte es denn einer gewesen sein - aus dem niedersächsischen Rudel stammt und nicht etwa von der anderen Rheinseite aus dem Wolfsgebiet Schermbeck über den Rhein gelangt ist.
Möglich ist das aber durchaus. Der Wolf sei auch im Stande zu schwimmen oder über die Rheinbrücke zu laufen, so Wilfried Deitermann, die Möglichkeiten seien vielfältig. Christian Chwallek vermutet, dass er aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit und der Verkehrsdichte auf dem Rhein in diesem Fall aber lieber die Brücke nehme. So hat es vermutlich auch Wölfin „Naya“ aus Niedersachsen vor ein paar Jahren gemacht, als sie den Rhein bei Emmerich überquerte. Ihr Ziel? Ein Truppenübungsplatz in Brüssel.