Oberhausen. Die in Oberhausen einst so mächtige SPD erlebt einen Abend des Bangens: Der seit 1965 stets direkt gewonnene Wahlkreis gerät zeitweise ins Wanken.

Die SPD hat sich am Abend der Bundestagswahl nicht in einem der Oberhausener Stadtteile versammelt, sondern feiert ihre Wahlparty im Rathaus an der Schwartzstraße. Doch wie von vielen Genossinnen und Genossen bereits erwartet: Es wird kein Abend zum hemmungslosen Feiern, sondern ein Abend des langen Bangens. Der Gewinn des Wahlkreises gerät zeitweise ins Wanken.

Im Raum 362 der Fraktionsebene des Rathauses sieht man bekannte Gesichter: SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers, Partei-Urgestein Manfred Flore, Kämmerer Apostolos Tsalastras, den designierten Kommunalwahl-Spitzenkandidaten Thorsten Berg und viele andere. Um 17.31 Uhr betritt auch Bundestagskandidat Dirk Vöpel den Saal und strahlt Gelassenheit aus. Er wird kurz nach 18 Uhr bereits wieder das Rathaus verlassen, um zu den Parteifreunden nach Dinslaken zu fahren, will danach aber wieder in Oberhausen präsent sein, wie er ankündigt.

SPD Oberhausen: Hoffnung auf eine gelungene Aufholjagd zerschlägt sich schnell

Sie alle warten jetzt auf die erste Prognose und die erste Hochrechnung des Abends: Wird Bundeskanzler Scholz, der wie schon im Wahlkampf 2021 auf eine spektakuläre Aufholjagd gesetzt hat, es auch diesmal schaffen? Schnell wird klar, dass das in diesem ereignisreichen Winterwahlkampf nicht gelungen ist. Die Prognose ist da. Das Ergebnis ist für die Sozialdemokraten ernüchternd, ja für viele schockierend: 16 Prozent werden bundesweit für die SPD genannt, die damit eines der schlechtesten Resultate ihrer gesamten Parteigeschichte einfährt, weil sich die Zahlen später in dieser Höhe stabilisieren.

Doch noch mal geschafft: Dirk Vöpel am Sonntagabend im SPD-Fraktionssaal.
Doch noch mal geschafft: Dirk Vöpel am Sonntagabend im SPD-Fraktionssaal. © WAZ | Michael Bresgott

Doch was ist mit dem heimischen Wahlkreis? Gelingt es Dirk Vöpel sein Direktmandat zu verteidigen? Gegen 18.40 Uhr versammeln sich immer mehr Genossinnen und Genossen um einen kleineren Bildschirm im Fraktionssaal. Dort laufen die lokalen Ergebnisse ein, die schnell deutlich machen: Es gibt im Wahlkreis Oberhausen/Dinslaken tatsächlich zeitweise ein äußerst knappes Rennen von SPD, CDU und AfD um den Direkteinzug in den Bundestag und um die Zweitstimmen.

Auch Ratspolitiker Bülent Sahin sieht sich die fortlaufenden Veränderungen der roten, schwarzen und blauen Balken konzentriert an. Um ihn herum schütteln Parteifreunde immer wieder den Kopf, weil sie mit so einem starken Abschneiden der AfD nicht gerechnet haben. Auch das CDU-Ergebnis ist stark. Doch das wird in diesem Augenblick eher am Rande registriert.

„Es wird immer schwerer, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“

Bülent Sahin zeigt sich im Gespräch mit der Redaktion umso entschlossener, bei der Kommunalwahl im September 2025 sein direkt gewonnenes Liricher Mandat im Stadtrat auf jeden Fall zu verteidigen. Er weiß, wie herausfordernd dieser kommende Kommunalwahlkampf für die SPD vor dem Hintergrund dieser Bundestagswahl wird. Es sei für die SPD immer schwerer, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, räumt er freimütig ein. Viele Bürgerinnen und Bürger wollten mit den Sozialdemokraten an den Infoständen gar nicht mehr sprechen. Das habe er selbst etwa am Bero-Zentrum in diesem Bundestagswahlkampf erleben müssen. Er will das ändern, will politisch für den Stadtteil präsent bleiben und weiter kämpfen.

SPD-Urgestein Manfred Flore bringt es im Gespräch mit der Redaktion so auf den Punkt, als er sich das bundesweite Resultat ansieht: „Das ist schon ein niederschmetterndes Ergebnis für die SPD als älteste Partei Deutschlands.“ Über eine mögliche Regierungsbildung und über Koalitions-Optionen auf Bundesebene will an diesem Abend kaum jemand im Detail reden.

Alle blicken allerdings immer wieder auf die Wahlkreis-Balken, denn hier entwickelt sich das Bundestagsrennen dann doch noch zu einem Entscheid zwischen SPD und CDU: mit einem Happy End für die SPD, das bei den Erststimmen deutlicher ausfällt als bei den Zweitstimmen. Es ist doch noch einmal gut gegangen für die Sozialdemokraten.