Oberhausen/Essen. Ein Oberhausener wird an seiner Wohnung niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Der Täter ist bis heute flüchtig, der Cold Case ungeklärt.

„Bist du der Dennis?“ Diese Frage, mehrfach gestellt, läutet eine Gewalttat ein, die die Ermittlungsbehörden bis heute vor Rätsel stellt. Fast 20 Jahre liegt der Fall zurück: Ein Oberhausener wird vor seiner Wohnungstür niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Jetzt rollen die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg und die Polizei Essen, deren Ermittlungsgruppe Cold Cases den Fall übernommen hat, die Tat noch einmal neu auf. Es ist ein finaler Versuch, die beinahe tödliche Attacke doch noch zu klären.

Dabei drehen die Ermittlungsbehörden das große Rad: Fotos des Tatverdächtigen werden plakatiert, das Bild soll in Bussen und Bahnen von Ruhrbahn und Stoag gezeigt werden; es soll auf Anzeigen-Tafeln des Medienhauses Ströer in den Stadtgebieten und in Bahnhöfen, auf digitalen Leinwänden der Einkaufszentren Centro in Oberhausen und Limbecker Platz in Essen zu sehen sein. Auch über ihre Social-Media-Kanäle wird die Polizei Essen versuchen, doch noch an brauchbare Hinweise zu kommen. „Mehr geht nicht“, sagt deren Sprecher Hendrik Heyer.

Mit der Freundin soll es noch in eine Diskothek gehen

Rückblick: Am 9. April 2005 bereiten sich Sascha W., damals 23 Jahre alt, und seine Partnerin auf den Abend vor. Es soll an diesem Samstag später noch mit Freunden in eine Disko gehen. Um 20.55 Uhr schellt es. W. öffnet und wartet in der Türe seiner Wohnung in der ersten Etage eines Mehrfamilienhauses an der Friedrich-Karl-Straße 38 in der Oberhausener Innenstadt.

Der Tatort: ein Wohn- und Geschäftshaus an der Friedrich-Karl-Straße in der Oberhausener Innenstadt. Im Erdgeschoss befindet sich eine Spielhalle.
Der Tatort: ein Wohn- und Geschäftshaus an der Friedrich-Karl-Straße in der Oberhausener Innenstadt. Im Erdgeschoss befindet sich eine Spielhalle. © Funke Mediengruppe | Stefan Kober

Statt der Freunde steht ein Mann vor der Türe, fragt nach dem Namen. W. verneint, „Dennis“ zu sein. Der Täter sticht unvermittelt mit einem Messer zu. Neun Stiche treffen W. in den Oberkörper und den Kopf. Es entwickelt sich ein Gerangel, der 23-Jährige kann sich zurück in die Wohnung schleppen und die Tür schließen. Seine Freundin alarmiert Polizei und Rettungsdienst. Der Täter kann flüchten.

Die Polizei befragt nach der Tat zahlreiche Zeugen, sichert Spuren, wertet Telefondaten aus. Aber auch die Veröffentlichung eines Phantombildes bringt vor 20 Jahren keinen Durchbruch bei den Ermittlungen.

Das Opfer erkennt den Tatverdächtigen am Centro wieder

Knapp fünf Jahre nach dem Messerangriff gibt es eine Wende: Am 12. März 2010 ist W. mit seiner Mutter im Centro. An einem der Eingänge glaubt er, den Täter zu sehen, und zückt sein Handy. Mit dem Foto des Verdächtigen geht die Polizei erneut an die Öffentlichkeit - wieder vergebens.

Auch auf Werbetafeln in Essen ist das Fahndungsfoto zu sehen.
Auch auf Werbetafeln in Essen ist das Fahndungsfoto zu sehen. © dpa | Helge Toben

Völlig offen ist bis heute das Motiv der Tat. „Wir gehen von einer Verwechslung aus“, sagt Heyer. Es ist aber auch nicht gänzlich auszuschließen, dass Hintergründe in der Vergangenheit des Opfers zu finden wären. W. ist selbst polizeibekannt, wegen Drogendelikten. Es heißt, dass er bei den Ermittlungen nicht übermäßig kooperativ gewesen sei. Bleibende Schäden soll W. nicht davon getragen haben, größere Narben aber zeugen auch heute noch von der Tat.

Versuchter Totschlag: In dem Cold Case drängt die Zeit

Es ist das unscharfe Foto von vor knapp 15 Jahren, mit dem die Polizei nun wieder auf Hinweise hofft. „Wir wollen den Täter kriegen“, betont Kriminalhauptkommissar Dustin Wisnewski, der die Ermittlungsgruppe Cold Cases im Polizeipräsidium Essen leitet. „Wir haben ein Bild des Tatverdächtigen und sind uns sicher, dass es Menschen da draußen gibt, die ihn erkennen werden. Vielleicht haben sie die Fahndung im Jahr 2010 nicht mitbekommen oder haben jetzt erst den Mut, mit uns zu sprechen“, hofft Wisnewski. Zeugen können sich unter 0201-829-0 bei der Essener Polizei melden.

In dem Fall drängt die Zeit: Die Tat wird aktuell nicht als versuchter Mord, sondern als versuchter Totschlag bewertet. Dieses Delikt verjährt nach 20 Jahren. Den Ermittlern bleiben nur noch wenige Wochen, um den Täter doch noch zu ermitteln.

„Wir haben ein Bild des Tatverdächtigen und sind uns sicher, dass es Menschen da draußen gibt, die ihn erkennen werden“, sagt Dustin Wisnewski, Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Cases bei der Polizei Essen. Das von der Polizei herausgegebene Foto soll den mutmaßlichen Täter zeigen.
„Wir haben ein Bild des Tatverdächtigen und sind uns sicher, dass es Menschen da draußen gibt, die ihn erkennen werden“, sagt Dustin Wisnewski, Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Cases bei der Polizei Essen. Das von der Polizei herausgegebene Foto soll den mutmaßlichen Täter zeigen. © Polizei Essen
Die Fahndungsplakate hat die Polizei am Mittwochmorgen auch an der Centro-Haltestelle Neue Mitte aufgehängt.
Die Fahndungsplakate hat die Polizei am Mittwochmorgen auch an der Centro-Haltestelle Neue Mitte aufgehängt. © Funke-Mediengruppe | mape