Oberhausen. Wenn Politiker andere Politiker mit teurem goldenen Schmuck auszeichnen, dann ist Empörung programmiert. Doch so einfach ist das nicht.
Im Lokalen gibt es Veranstaltungen, über die man bundesweit ohne weiteres Nachdenken ziemlich leicht spotten oder sich sogar empören kann. Wenn Politiker sich gegenseitig über alle Parteigrenzen hinweg mit Lob überschütten und sich auch noch untereinander Ehrennadeln, Ringe oder Globen verleihen (auf Kosten der Steuerzahler versteht sich), dann wirkt dies auf den ersten Blick merkwürdig. Machen sich Politiker nicht überall die Taschen voll? Arbeiten die überhaupt? Streiten die sonst nicht ständig? Und jetzt erhalten die auch noch eine Ehrung, verbunden mit einem goldenen Ring? Und ausgerechnet die arme Stadt Oberhausen leistet sich die individuell maßangefertigten Ringe eines Juweliers, die immerhin pro Stück 3000 Euro kosten?
Nach der vergangenen Ratssitzung ist das wieder geschehen, das alle fünf Jahre im Oberhausener Ratssaal wiederholt wird: Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU), ausgestattet mit der auf Hochglanz polierten silbrig glänzenden Amtskette, verleiht mit einem feierlichen Festakt die goldenen Ehrenringe mit Stadtwappen - an diejenigen Ratspolitiker, die 15 Jahre intensive Ratsarbeit geleistet und sich damit für das Gemeinwohl der Stadt besonders verdient gemacht haben. Diesmal dabei sind die SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers, Sandra Gödderz von den Grünen, Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik mit seiner Linken-Kollegin Petra Marx, Grünen-Fraktionschefin Stefanie Opitz, SPD-Planungspolitiker Ulrich Real und CDU-Sozialexperte Dirk Rubin.
Grundlage der Ehrung ist seit Jahrzehnten die städtische Satzung über „Auszeichnungen für besondere Verdienste um die Stadt Oberhausen“, die die Verleihung von Ehrenbürgerrecht, Ehrenbezeichnung, Glückauf-Bronze, Ehrenring und Ehrennadel regelt. Der Ehrenring wird in der Regel nur an Ratsmitglieder verliehen - für besondere kommunalpolitische Verdienste; kann aber auch anderen Bürgern „für außergewöhnliche Verdienste um die Stadt“ überreicht werden.
Was Ratsmitglieder für eine Stadt leisten, wird oft von Bürgern unterschätzt. Im Gegensatz zum Bundestag oder zum Landtag handelt es sich hier nicht um Profi-Politiker, die im Politikbetrieb hauptberuflich beschäftigt sind, sondern um Menschen wie Du und ich, die neben ihrem eigentlichen Beruf, neben ihrer Familie auch noch über die wichtigen Belange in einer Großstadt entscheiden. Sie urteilen über Immobilienprojekte, über Ausgaben an arme Familien, über den Bau von Schulen und Kitas, über die Einstellung von Sozialarbeitern, über Straßenzüge, über Abfallbeseitigungen, über Steuer- und Abgabesätze. Es geht oft um Millionen Euro, aber auch um 5000 Euro für die Unterstützung eines Kulturereignisses.
Es gibt dabei kaum ein Thema, das nicht hochkomplex ist, in das man sich einarbeiten muss, um verantwortungsvolle Beschlüsse zu treffen.
Jeder Lokalpolitiker ist Ansprechpartner für alle Bürger seines Wahlkreises
Gute Lokalpolitiker zeigen sich in ihrem Wahlkreis, in ihrer Freizeit den Bürgern als Kümmerer und Ansprechpartner, sie diskutieren in den Ortsgruppen ihrer Parteien über den richtigen Weg in einer Stadt, über Lösungen von Bürger-Problemen. Wer 15 Jahre in einem Stadtrat mitarbeitet, hat nicht Tausende, sondern Zehntausende Seiten an Beschlussvorlagen, Gutachten und Bebauungsplänen gelesen und bewertet. Und hat stundenlange, häufig nicht gerade erbauliche Stunden mit geringem Spaß-Anteil in Partei und im Rathaus hinter sich.
Die Ratspolitiker erhalten dafür nur eine Aufwandsentschädigung, die in Oberhausen gerade einmal 428 Euro im Monat plus Geld pro Sitzung von 25,50 Euro ausmacht. So gesehen relativiert sich auch der 3000-Euro-Preis für den Design-Ring: Bei 15 Jahren sind das zusätzlich nur 200 Euro im Jahr.
Doch während der Feierstunde zu spüren und in den Gesichtern der Ausgezeichneten zu lesen ist etwas Anderes: Hier geht es nicht um den Wert der Sache, sondern um die ideelle Wertschätzung ihrer bisherigen Arbeit. Und das ist gerade in diesen Tagen nötiger denn je: Denn wer sich in das oberste politische Entscheidungsgremium einer Großstadt wählen lässt, um sich in seiner Freizeit in schwierige Bereiche einzuarbeiten, ist heutzutage politischen Anfeindungen ausgesetzt. Dabei handelt es sich doch um die Vertreter der gesamten Bürgerschaft, die demokratisch legitimiert anstelle der gesamten Stadtgesellschaft zentrale Beschlüsse für die Zukunft der Kommune fasst.
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Aber nicht nur SPD-Ratsherr Bülent Sahin erzählt in der Pause, wie er in seinem Wahlkreis Lirich auf offener Straße angegangen wird. „Mir wird die Faust gezeigt, man macht vor dem Gesicht den Scheibenwischer, man pöbelt oder schreit sogar, das hier ist AfD-Land, verpiss Dich.“
Leider kein Einzelfall: 38 Prozent von mehr als 1700 befragten Personen in kommunalen Ämtern in Deutschland haben nach einer Erhebung des Kommunalen Monitoring zwischen November 2022 und April 2023 Anfeindungen erlebt: verbale Beleidigungen, tätliche Übergriffe oder Hasspostings im Internet. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz tritt genau deshalb bei der Neuwahl des Bundestages im Februar 2025 nicht mehr an - er will sich und seine Familie seelisch und körperlich schützen. Zunehmend haben Parteien Probleme, genug Freiwillige auf der kommunalen Ebene zu finden, die sich überhaupt wählen lassen und die oft mühsame langwierige politische Arbeit aufnehmen wollen.
Oberbürgermeister Daniel Schranz: „Sie brauchen die Rückendeckung aus der ganzen Breite der Gesellschaft“
In seiner Rede betont Oberbürgermeister Daniel Schranz deshalb: „Sie sind die Gesichter der Kommunalpolitik hier in Oberhausen, und Sie tragen mit Ihrem Einsatz, mit Ihrem Handeln jeden Tag zur Bewährung der Demokratie bei. Für dieses Engagement gebührt Ihnen, gebührt allen Kolleginnen und Kollegen besonderer Respekt, dafür verdienen sie unsere Anerkennung und, falls nötig, auch Schutz. Vor allen Dingen brauchen sie aber die Rückendeckung aus der ganzen Breite der Gesellschaft.“
So gesehen ist die Verleihung der Ehrenringe ein Fest der Demokratie, eine Würdigung der Leute, die wichtige Beschlüsse hoffentlich verantwortungsvoll für alle Bürger einer Stadt treffen. Wer sonst als gewählte Vertreter aus der Bürgerschaft sollte denn die Leitplanken für die Zukunft einer Stadt bestimmen?
Und dafür gebührt ihnen von allen Dank - unabhängig davon, ob man mit ihren Entscheidungen einverstanden ist. Wer etwas ändern will, kann sich ja politisch engagieren. Denn das zeigen die liebevollen Lobreden des Oberbürgermeisters auf jeden einzelnen Ehrenring-Träger an diesem Montag: Der Hauptgrund, in die Politik zu gehen, war für die meisten: Sie wollen in ihrer Stadt, vor ihrer Haustür die Dinge bewegen, das Leben für alle ein wenig besser machen. Und manchmal gelingt das auch.
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