Oberhausen. Die Berufsmesse „Frauen geben Gas“ in Oberhausen inspiriert Teilnehmerinnen, neue Karrierewege zu erkunden – und dabei Stereotype zu brechen.
Frau am Steuer – ungeheuer? Darüber können die rund 200 Besucherinnen der Berufsfachmesse „Frauen geben Gas“ auf dem Gelände der Oberhausener Stadtwerke nur müde lächeln. Wenn überhaupt. Viel zu sehr sind sie am Donnerstag (10. Oktober) damit beschäftigt, sich an den Infoständen von Fahrschulen und Bildungseinrichtungen über Berufe zu erkundigen, die händeringend nach Personal suchen, explizit auch nach weiblichem. Denn die, die sich bisher in die vorgeblichen Männerdomänen der „rollenden Berufe“ getraut haben, machen einen top Job. Eine Aussage, die am heutigen Aktionstag immer wieder fällt – von weiblicher wie auch männlicher Seite – und die eine oder andere so sehr beflügelt, dass sie sich zur Probefahrt im Liniengelenkbus überreden lässt.
Anita Djahlin strahlt übers ganze Gesicht. Die 41-Jährige hat gerade einen der giftgrünen Stoag-Busse gelenkt, eine Runde über den Parkplatz, unter Anleitung eines Profis. Wie viel Spaß es der zweifachen Mutter gemacht hat, ist nicht zu übersehen. „Es war leicht“, sagt sie. „Das hätte ich gar nicht gedacht.“ Vor 15 Jahren kam Anita Djahlin aus Ghana nach Deutschland und hat seitdem viele verschiedene Jobs probiert, im Pflegedienst unter anderem und bei Amazon. „Aber das sind immer nur Minijobs gewesen“, sagt sie. Als alleinerziehende Mutter reiche das nicht. „Die Menschen im Jobcenter“, sagt sie und meint Arbeitssuchende wie sich, „brauchen Ideen“. Deshalb sei sie hergekommen. Um etwas Neues auszuprobieren und dabei vielleicht das Richtige für sich zu entdecken.
Jobmesse in Oberhausen: „Jetzt stehen Frauen mal im Vordergrund“
Berufskraftfahrerin, Busfahrerin, Servicefahrerin, Fahrlehrerin, Lokführerin - das Angebot bei „Frauen geben Gas“ ist vielfältig. Jobcenter, Weiterbildungsinstitute und Fahrschulen beraten zu Berufseinstieg, Quereinstieg und Qualifizierungen. Die Teilnehmerinnen müssen nichts zahlen und auch keine Anmeldung vorweisen. Niederschwellig und auf freiwilliger Basis, so haben der Verein Weiterbildung im Revier (WIR) und das Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim (WOM) diese Veranstaltung angelegt. Die ausgelassene Stimmung unter den Frauen gibt ihnen recht.
Vor Ort auf dem Stoag-Gelände an der Max-Eyth-Straße sind auch die Beauftragten für Chancengleichheit der Jobcenter in Mülheim, Essen und Oberhausen. Sie haben eine gemeinsame Agenda: Ihre weibliche Klientel zu ermutigen, sich auch an Berufe zu trauen, die traditionell nur Männern zugeschrieben werden. „Jetzt stehen die Frauen mal im Vordergrund“, sagt Sabrina Benthaus vom Essener Jobcenter. „Wären hier auch Männer, dann würden sie sich zurückziehen.“
Am Stand der Fahrschule FAR aus Mettmann stehen nur Männer. Große, starke Typen, die offensichtlich große, schwere Fahrzeuge in Bewegung setzten können. Doch der erste Eindruck täuscht: Trotz hoher Testosteron-Dichte wird hier aufrichtig und wertschätzend um weibliche Kräfte geworben. „Frauen können teilweise besser fahren als Männer“, sagt Geschäftsführer Suad Durakovic. „Sie haben ein anderes Feingefühl.“ Er habe schon „zierliche Damen“ erlebt, die einen Lkw „mega“ gefahren haben. Und eine Frau, sie kam vom Dorf und hatte dort Trecker gelenkt, habe alle männlichen Fahranfänger in den Schatten gestellt.
Oberhausener Verkehrsbetriebe: Nur 56 von 308 Busfahrern sind weiblich
Es mag schön sein, dass Männer anwesend sind, die den Frauen versichern, dass sie es schaffen können, Waren oder Menschen zu transportieren. Doch nichts geht über ein echtes Vorbild. Eines zum Anfassen und Ausfragen. So wie Mehtap Nazlı, 41 Jahre alt und eine von 56 Busfahrerinnen der Stoag (insgesamt sind es 308). Seit 2017 ist sie in dunkelblauer Uniform auf den Straßen der Stadt unterwegs und sagt immer noch: „Das ist mein Traumjob.“
Eine Freundin, selbst Straßenbahn- und Busfahrerin, habe die zweifache Mutter damals ermuntert, die nötige Fahrerlaubnis zu erwerben. „Bis ich es geschafft hatte, habe ich niemandem davon erzählt“, sagt Nazlı. Auch ihren zwei Söhnen nicht, heute 22 und 19, die es bis heute irgendwie komisch finden, dass Mama hinter einem großen Lenkrad sitzt und halb Oberhausen von Haltestelle zu Haltestelle fährt. Fast immer in der Frühschicht, zwischen 3.30 Uhr und 12 Uhr.
„Am Anfang hatte ich auch Angst“, sagt Mehtap Nazlı. Wie würde es sein, im Winter zu fahren? Und wie in der Nacht, mit all den Betrunkenen? Nichts hat sie abschrecken können und auch wenn es manchmal zu unschönen Szenen kommt, weil einzelne Fahrgäste ihr gutes Benehmen vergessen haben, mache ihr das Lenken der Busse großen Spaß. „Schon als Kind habe ich mich gewundert, wie das geht“, erzählt sie lachend. Wenn sie in Frauenrunden von ihrem Beruf erzählt, hört sie oft „Wow!“, aber die meisten könnten es sich für sich nicht vorstellen. Mehtap Nazlı würde sich mehr von ihnen als Kolleginnen wünschen.
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