Oberhausen. Gene Simmons hat in der Turbinenhalle Oberhausen viele Hits aus der Kiss-Zeit serviert. Eine Hoffnung konnten sich Anhänger aber abschminken.

Plötzlich ist er einsatzbereit, schreitet genüsslich zum Mikrofonständer, schiebt in der dunklen Halle seine Sonnenbrille zurecht und formt die Hand zur obligatorischen Pommesgabel: Gene Simmons. Die 74 Jahre alte Hard-Rock-Legende, zugleich Sänger und Bassist von Kiss, folgt am Dienstagabend dem Lockruf seiner wartenden Anhängerschaft, die in der Turbinenhalle Oberhausen wie eine Taktmaschine ihr „Gene, Gene, Gene“ zur Bühne zischt.

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Küss die Hand, Oberhausen! Der im israelischen Haifa geborene US-Musiker stellt Fragen, auf die einfach keine Antworten nötig sind. „Are you ready to rock?“ Natürlich sind in der ehemaligen, schaurig-schönen Industriehalle alle startklar. Frauen und Männer in verwaschenen Tour-Shirts oder vereinzelt sogar mit beinah schon nostalgisch geschminkten Gesichtern. Das Markenzeichen von Kiss konnten Fans vergangenen Dezember im Madison Square Garden in New York City ein letztes Mal live bejubeln. Die amerikanische Kult-Band spielte in der Heimat ihr finales Konzert.

Kiss-Legende Gene Simmons in Oberhausen: Kindlicher Spaß mit „Au-ber-hausen“

Gene Simmons denkt aber nicht ans Bühnen-Altenteil, schart in Oberhausen bei einem von nur zwei Gastspielen in Deutschland eine eigene Begleitband um sich. Gespitzte Ohren lauschen trotzdem „Kussgeräuschen“ ohne Ende: Mit dem 50 Jahre alten „Deuce“ und 42 Jahre jungen „War Machine“ rocken sich Fans für anderthalb Stunden Zeitreise ein. Während der Altmeister ein kindliches Vergnügen entwickelt, sein „Au-ber-hausen“ unters Volks zu bringen.

Treue Anhänger staunen allerdings über die Besucherzahl. Auch wenn heimelige Club-Kulissen ihren Reiz haben können, ist die Turbinenhalle mit 1500 Fans gerade einmal zur Hälfte ausgelastet. Ob das am noch nicht verdauten Wacken-Hangover (auch beim Metal-Festival musizierte Simmons wenige Tage vorher) oder dem Mitten-in-der-Woche-Termin liegt, bleibt unklar.

Gene Simmons spielte 90 Minuten mit der „Gene Simmons Band“ in der ehemaligen Industriehalle: Kurz nach dem Wacken-Festival (Bild) blieb die Kulisse in der Oberhausener Turbinenhalle mit 1500 Fans aber recht übersichtlich.
Gene Simmons spielte 90 Minuten mit der „Gene Simmons Band“ in der ehemaligen Industriehalle: Kurz nach dem Wacken-Festival (Bild) blieb die Kulisse in der Oberhausener Turbinenhalle mit 1500 Fans aber recht übersichtlich. © picture alliance/dpa | Axel Heimken

Dass sich Fans das innige Ausverkauft-Kuscheln im Innenraum dadurch abschminken konnten, dürfte bei schwitzig-schwülen Temperaturen aber wenig Proteste ausgelöst haben. Auch Gene Simmons wischt sich mit einem großen Handtuch regelmäßig die Schweißperlen von der Stirn. In deutscher Sprache fragt er bei den Lauschenden nach: „Wie geht’s? Es ist warm?“ Allerdings!

Nein, seine stilprägende Kiss-Schminke trägt der Hard-Rock-Musiker nicht mehr im Gesicht. Wahrscheinlich hätte sie sich im Hexenkessel auch von ganz alleine verflüssigt. Zwischendurch erfrischt Gene Simmons stattdessen mit Anekdoten und erzählt, dass er die deutsche Sprache ein halbes Jahr in der Schule gelernt hat. Und dass er zudem durch seine Familie natürlich Ungarisch, aber auch Japanisch beherrscht - und natürlich die Liebe. Ja, manche mögen’s eben heiß.

Kiss-Legende Gene Simmons in Oberhausen: Turbinenhalle nur zur Hälfte gefüllt

Auch auf beeindruckend gestapelten Boxentürmen in der sonst einfach gehaltenen Kulisse weht kein Lüftchen. Eine Frischzellenkur erhält das Bühnenbild durch überraschenden Besuch. Gene Simmons eist die jüngsten Konzert-Gänger von Papa und Mama los und bittet sie neben Gitarren und Schlagzeug vor artig klatschende Fans. Zusammen singen sie unüberhörbar: „Shout it out loud!“

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Ausgerechnet im ersten Drittel wirkt das Konzert sonst aber erstaunlich zähflüssig. Die Handbremse löst der Sänger erst, als er an die 2015 verstorbene Motörhead-Ikone Lemmy Kilmister erinnert und dessen markantes „Ace of Spades“ einstreut. Auch eine Demo-Version für Van Halens „House of Pain“ zaubert der Kiss-Meister aus dem Hut.

Am Ende klatschen schweißgebadete Fans dem Finale entgegen, das mit „Rock and Roll all Nite“ einen standesgemäßen, aber letztlich nicht prophetischen Schlussakkord setzt.

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