Oberhausen. Im Schloss Oberhausen eröffnet die große Ausstellung zu Walter Moers‘ komischer Kunst. Sein „Vorlass“ soll Grundstock eines Comic-Museums sein.

Walter Moers ist eben doch kein Popstar: Als Sir Paul McCartney der Ludwiggalerie vor vier Jahren einen Prachtband mit den Polaroids von Linda McCartney verehrte - und auch noch selbst signierte - wusste Direktorin Christine Vogt nicht, ob sie sich freuen oder empören sollte: Hat doch der damals 77-jährige Ex-Beatle, zugleich das Lieblingsmotiv vor der Kamera seiner Gattin, mit schwungvoller Signatur ein Sujet gekapert, das gar nicht seins ist. Nun, Walter Moers würde nie ein Foto signieren - schon allein, weil der 67-Jährige bereits seit Jahrzehnten größten Wert darauf legt, keineswegs fotografiert zu werden.

So sieht sich der berühmte Zeichner selbst: Das von seinem Verlag publizierte „Autorenfoto“ von Walter Moers.
So sieht sich der berühmte Zeichner selbst: Das von seinem Verlag publizierte „Autorenfoto“ von Walter Moers. © Eichborn Verlag | Walter Moers

Wie der ewige Nobelpreis-Kandidat Thomas Pynchon bleibt auch der Comic-Künstler und Romancier gerne „Phantom“: Als „Autorenfoto“ legt Walter Moers seit Jahrzehnten eine seiner markant hakennasigen Zeichnungen vor - zeigt sich dafür in ganz anderen Dingen aber äußerst großzügig gegenüber der Ludwiggalerie: „Sein Vorlass ist riesig“, schwärmt die Chefin im Schloss Oberhausen. Moers‘ Ehefrau Elvira habe bereits seit dem Frühwerk des „Käpt‘n Blaubär“-Erfinders und Herrschers über das Fantasyreich Zamonien „alles ordentlich archiviert“.

Allein zum aktuellen Bestseller „Die Insel der tausend Leuchttürme“ existiere im Hause Moers ein dicker Aktenordner nur mit Zeichnungen: verworfenen Skizzen, die noch nicht einmal Eingang in den wieder mal prächtig gestalteten Band fanden. All dies und noch viel mehr lässt Deutschlands erfolgreichster Comic-Künstler der Ludwiggalerie als „Vorlass“ zukommen, wie Christine Vogt bereits im Oktober dem Kulturausschuss berichtete.

Ludiwggalerie Oberhausen: Pläne für Comicmuseum bereits ausgearbeitet

„Eigentlich müssten jetzt alle kommen und uns mit Geld zuschmeißen!“

Christine Vogt (56),
Direktorin der Ludwiggalerie

„Eigentlich müssten jetzt alle kommen und uns mit Geld zuschmeißen!“, meint die promovierte Kunsthistorikerin mit dem ihr eigenen Elan. Eigentlich - denn tatsächlich steht das unter dem hübschen Arbeitstitel „Moerseum“ firmierende Projekt eines Comicmuseums im Kaisergarten finanziell noch in den Sternen. Immerhin, der künstlerische Grundstock liegt dank des Moers-Oeuvres in beeindruckender Weise vor. „Das ist ein Knaller!“, weiß Christine Vogt.

Die Direktorin der Ludwiggalerie denkt groß: nämlich in europäischen Dimensionen. Bei einem Besuch in Brüssel hatte sie schonmal Maß genommen an feinen Ausstellungshäusern zur „Neunten Kunst“. Das „Moerseum“ in der Südostecke des Kaisergartens soll nicht weniger werden als ein europäisches „Museum für Illustration, Comic und Animation“.

Die einstige Gastronomie „Parkhaus“ im Kaisergarten, hier auf einer historischen Ansichtskarte, bestand aus zwei stattlichen Gebäuden: Auch für das künftige „Moerseum“ wünscht sich Direktorin Christine Vogt eine Passage - entsprechend der Sichtachse zum großen Teich und seiner Fontäne.
Die einstige Gastronomie „Parkhaus“ im Kaisergarten, hier auf einer historischen Ansichtskarte, bestand aus zwei stattlichen Gebäuden: Auch für das künftige „Moerseum“ wünscht sich Direktorin Christine Vogt eine Passage - entsprechend der Sichtachse zum großen Teich und seiner Fontäne. © FFS | Gerd Wallhorn

Als Diplomarbeit eines angehenden Architekten lässt sich in der Büroetage des Kleinen Schlosses bereits ein betont modern gestaltetes „Moerseum“-Modell bewundern. Dabei würde der Neubau exakt auf der Grundfläche der gründerzeitlichen Gastronomie „Parkhaus“ entstehen - denn nur dort erlaubt es der Denkmalschutz für den Kaisergarten, jenes „Gartendenkmal“ und seit 1898 Stolz der jungen Stadt.

Das Aussehen der beiden stattlichen Gastronomie-Gebäude ist auf historischen Postkarten überliefert, soll aber keineswegs zur Vorgabe für einen Museumsneubau werden. Ebensowenig - nicht zuletzt weil unfinanzierbar - taugt jene fantastisch-verspielte Architektur, die Walter Moers selbst für seine zamonischen Romane zu Papier brachte. „Wir wollen ja kein Disneyland werden“, betont Christine Vogt. „Wir präsentieren Moers so, wie wir uns Rembrandt widmen würden.“

„20 Millionen Euro sind dafür gar nicht so viel.“

Christine Vogt
Direktorin der Ludwiggalerie Oberhausen

Folgerichtig sollte die Stadt einen Architekten-Wettbewerb ausschreiben. Die Grundfläche ist vorgegeben, ebenso wie die wesentlichen Elemente des Raumprogramms: Das „Moerseum“ sollte natürlich ausreichend Depotfläche für den üppigen Vorlass des Künstlers geben sowie für eine Dauerausstellung zu seinem Oeuvre von Käpt‘n Blaubär bis zum literarischen Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz.

„Einhörnchen“ altern possierlich - denn Walter Moers kann nicht nur grimmig bis skurril, sondern auch allerliebst zeichnen, wie hier für „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte. Zwanzig zamonische Flabeln“.
„Einhörnchen“ altern possierlich - denn Walter Moers kann nicht nur grimmig bis skurril, sondern auch allerliebst zeichnen, wie hier für „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte. Zwanzig zamonische Flabeln“. © Penguin Verlag | Walter Moers

Daneben zeigen Räume für Wechselausstellungen die lange Historie der „sequenziellen Bilderzählung“, die ganz Verwegene sogar Jahrhunderte vor Wilhelm Busch beginnen lassen: nämlich mit dem Bildteppich von Bayeux zur Invasion Englands 1066. Last, not least, sind beim superattraktiven Thema Comic-Kunst auch geeignete Räume für die Museumspädagogik ein „Muss“. Gelassen meint die Direktorin der Ludwiggalerie: „20 Millionen Euro sind dafür gar nicht so viel.“

Erste Anläufe zu einer Förderung durch Land oder Bund, räumt Christine Vogt ein, waren noch nicht erfolgreich: „Wir gehen aber weiter auch den institutionellen Weg.“ Ein europäisches Zentrum für die „Neunte Kunst“, vergleichbar mit Brüssels Comic-Zentrum, sollte auch der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Geld wert sein. Zu Claudia Roth ist das Team Vogt und Kulturdezernent Apostolos Tsalastras aber noch nicht vorgedrungen.

Christine Vogt, hier vor Illustrationen zu Michael Endes „Momo“, verbindet auch als Comic-Kennerin Expertise und populäre Aufbereitung: „Wir präsentieren Walter Moers so, wie wir uns Rembrandt widmen würden.“
Christine Vogt, hier vor Illustrationen zu Michael Endes „Momo“, verbindet auch als Comic-Kennerin Expertise und populäre Aufbereitung: „Wir präsentieren Walter Moers so, wie wir uns Rembrandt widmen würden.“ © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Nicht zu unterschätzen, meint die Chefin der Ludwiggalerie, sei auch dieser Aspekt: Nach dem Museumbau und dessen Erstausstattung entstünden keine Folgekosten: Denn die Dauerausstattung stiftet der Künstler; personell könne die Ludwiggalerie auch das „Moerseum“ stemmen. Im Schloss Oberhausen, so Christine Vogt, sei man längst wieder auf dem hohen Niveau der Vor-Corona-Jahre: „Wir bringen Renommee und Publikum in die Stadt.

Oberhausen: Vorfreude auf „die komische Kunst des Walter Moers“

Als perfekte Einstimmung und zur Steigerung der Vorfreude auf ein mögliches „Moerseum“ eröffnet in der Ludwiggalerie am 22. September „Was gibt’s denn da zu lachen? Die komische Kunst des Walter Moers“, umfassend untertitelt, „von Käpt‘n Blaubär, dem kleinen Arschloch und dem fantastischen Kontinent Zamonien“. Die Frage nach einem Katalog beantwortet die Direktorin der Ludwiggalerie mit einem entschiedenen „Na klar!“

Bis zum 15. September allerdings läuft im Großen Schloss die Fotoschau „UK Women“ - und zwar höchst erfolgreich, obwohl unter den 28 Fotografinnen keine in Deutschland geläufigen Namen zu finden sind. Qualität setzt sich eben durch.