Oberhausen. Im Metronom-Theater in Oberhausen betreten wieder Musical-Tänzer den Backstage-Eingang. Wir waren beim Casting zum „Geist der Weihnacht“ dabei.
Draußen sind es schweißtreibende 30 Grad - und sie fühlen sich drinnen schon ganz weihnachtlich: Am Dienstag glüht im lange geschlossenen Metronom-Theater bei der ersten Casting-Welle für das anstehende Musical „Der Geist der Weihnacht“ beinah das Tanzparkett.
Am Backstage-Eingang tragen sich Akteure munter in Anwesenheitlisten ein. Im Treppenhaus des 1999 gestarteten Musical-Theaters öffnen sich endlich die schweren Stahltüren. Vorbesitzer „Stage Entertainment“ hatte es vor vier Jahren geschlossen, jetzt herrscht wieder Leben.
Im Treppenhaus sieht so aus als wären Maskenbildner, Techniker und Darsteller erst gestern zur Musical-Schicht angerückt. Doch nein, der neue Immobilien-Besitzer „Semmel Concerts“ aus Bayreuth hat tatsächlich noch reichlich Arbeit vor sich. Am Freitag, 29. November 2024, findet die erste große Vorstellung statt. „Der Geist der Weihnacht“ gastiert bis zum 29. Dezember 2024 in Oberhausen. Bis dahin muss vor allem an der Bühne noch eifrig gewerkelt werden.
„Ein Musical-Casting findet für gewöhnlich nicht auf der großen Bühne statt, obwohl das manchmal sicher nicht schlecht wäre“, meint der Regisseur Benjamin Sahler, der mit dem „Geist der Weihnacht“ dem Oberhausener Musical-Theater neues Leben einhauchen wird. In einem Nebenraum des Theaters sitzt er gemeinsam mit Choreografin Stefanie Gröning am Schreibtisch, blättert in Listen und mustert das noch blanke Tanzparkett.
Metronom-Theater in Oberhausen: Erfahrene Musical-Tänzer und talentierte Quereinsteiger
Bei den Hauptrollen sind sie schon recht weit, aber die Musical-Macher suchen noch weitere Profis und Talente, die in unterschiedlichsten Funktionen für die aufwendige Produktion benötigt werden. Tanzen und Singen. In der Gruppe. Als Duo. Oder ganz alleine. Die erste Rutsche mit Berwerbern lief gut. Aus 200 Anfragen wurden 100 zum Casting eingeladen. Das kann die Tänzerin sein, die schon in großen Produktionen dabei war. Aber auch der talentierte Quereinsteiger. „Der Begriff Profi ist in der Kunst eher relativ. Schließlich funktoniert das nicht wie bei einer Banklehre.“
Für die Teilnehmer beginnt Weihnachten schon im Juni. Choreografin Stefanie Gröning wechselt zum eigentlichen Tanzcasting selbst in die Sportklamotten. Sie kennt sich aus, stand selbst als Darstellerin auf den Bühnen und legt einen Schwerpunkt auf die Talentförderung von Kindern. Sie verrät bereits: „Bei einem Kindercasting suchen wir nach den NRW-Sommerferien auch nach jungen Talenten zwischen sieben und 15 Jahren.“ Ein genauer Termin folgt. Jetzt geht es erst einmal um die Erwachsenen.
„ „Unter den Erwachsenen befinden sich sogar zwei Kandidatinnen, die vor mehr als 20 Jahren schon als Kinderdarstellerinnen mitgemacht haben.““
Und diese schwitzen schon. Eine kleine Gruppe, zwei Männer und fünf Frauen, stehen bereit, blicken auf den großen Studiospiegel. Zunächst erfolgt ein lockeres Aufwärmen, bei dem Laien schon beim Anblick ins Schwitzen geraten. Aus den Boxen klingt keine Musical-Kost, sondern etwas Schmissiges von der amerikanischen R‘n‘B-Königin Beyonce. Körper biegen, Arme kreisen und Beine strecken sich zum Himmel als würden sie gerne die Raumdecke berühren.
Auf einer verschlossenen Tür zwischen den beiden großen Spiegelwänden ist ein gelbes Schild aufgeklebt: „Zur Bühne!“ ist darauf zu lesen und wohl noch ein Wegweiser aus alten Theatertagen. Dennoch: Mehr Motivation geht nicht!
Metronom-Theater in Oberhausen: Musical-Kandidaten proben bereits einzelne Szenen
Erste Schweißperlen kullern. „Ein gutes Workout“, scherzt Kandidatin Jaqueline, der man die Erfahrung beim engagierten Tanz ansieht. Selbst der Spagat sitzt bei ihr tadellos. Am Tisch beobachtet Regisseur Benjamin Sahler die Szenerie. Er weiß: „Leistungsunterschiede erkennt man in größeren Casting-Gruppen schnell.“
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An der Trainingsgarderobe befestigte Zahlen helfen der Castingcrew bei der Bewertung der Talente. Kugelschreiber kritzeln Notizen in lange Papierberge. Körperbeherrschung, Ausstrahlung... Die Liste der Kriterien ist lang. Doch man spürt zugleich, dass die Musical-Macher reichlich Erfahrung und Fingerspitzengefühl einbringen. Schließlich läuft die bekannte Musical-Weihnachtsgeschichte um den geizigen Pfandleiher Ebenezer Scrooge auch im Festspielhaus Neuschwanstein im bayrischen Füssen.
Einige Szenen aus „Der Geist der Weihnacht“ sind beim Casting schon zu erkennen - zumindest durch die Theorie. „Stellt euch vor, ihr haltet eine Kette in der Hand“, schmückt Stefanie Gröning die nächste Tanz-Aufgabe mit ihren Worten aus. Ihre Vorgaben mischen sich mit der Musik vom Laptop, der wiederum mit den Raumboxen gekoppelt ist. „Bei sieben: Sprung! Bei acht: Pose!“ Die Kandidatinnen und Kandidaten zählen leise mit. Das kleine Einmaleins aus der Musical-Fibel muss ihnen keiner erklären.
Sie proben nicht nur auf die Musik, sondern auch zu Text-Zitaten. „Ewig dreht sich die Welt...“ Und die Musical-Talente mit ihr. Die hohen Temperaturen spürt man schon. Zwischendurch greifen die Kandidaten nach der Anstrengung zur Wasserflasche. Trinkpause, wie beim Fußball-Match.
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Und so schreitet das Casting voran - und die Vorfreude ebenfalls. Das Metronom-Theater ist für die Musical-Produktion sozusagen historisches Gelände. 2001 feierte die ursprüngliche Musical-Adaption auf die „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens hier ihre Uraufführung. Im Winter soll sich ein Kreis schließen. Choreografin Stefanie Gröning: „Unter den Erwachsenen befinden sich sogar zwei Kandidatinnen, die vor mehr als 20 Jahren schon als Kinderdarstellerinnen mitgemacht haben.“
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