Oberhausen. OQ Chemicals mit dem Oberhausener Chemiewerk muss bei hohen Schulden ein neues Finanzkonzept aushandeln. 1400 Beschäftigte hoffen auf das Beste.
Alle Blicke richten sich auf Silvia Weppler: Die Finanzchefin von OQ Chemicals ist erst seit Dezember 2023 beim international operierenden Chemieunternehmen in Monheim beschäftigt, doch sie muss seit Ostern ein unerwartet großes Problem schultern: Die Eigentümer des Herstellers von Basis-Chemikalien aus der Oxo-Küche, das Sultanat Oman, haben offenbar das Interesse an ihren deutschen Firmenbesitz verloren - und offenbarten ausgerechnet am Ostersamstag, dass sie auf keinen Fall daran denken, wie zuvor schriftlich versprochen, das OQ-Eigenkapital um 200 Millionen Euro aufzustocken.
Damit lösten sich zwei ausgehandelte Finanzkonzepte mit weltweiten Banken in Luft auf, Finanzchefin Weppler muss mit Vorstandschef Oliver Borgmeier neu heran: Mit Kreditgebern verhandeln, Investoren überzeugen, ja vielleicht sogar einen Käufer suchen, der vom Sultanat Oman die Anteile komplett übernimmt. Denn wenn Eigentümer so handeln, dann kommen nicht nur Wirtschaftsfachleute schnell auf den Gedanken, dass die ihren Besitz nicht mehr lange halten wollen.
Die neuen Finanzkonzepte zur Kreditfinanzierung sind deshalb so wichtig, weil OQ Chemicals mit einem weltweiten Umsatz von 1,4 Milliarden Euro ein schon lange existierendes Schuldenproblem hat: Auf dem Unternehmen lasten nach übereinstimmenden Berichten von „Manager Magazin“ und Börsenzeitung eine Milliarde Euro an fremden Darlehen, die spätestens im Herbst refinanziert werden müssen. Als die Omanis, die 2013 die unter dem Namen Oxea operierende Chemiefirma, hervorgegangen aus der Hoechst AG, für kolportierte 1,8 Milliarden Euro kauften, übernahmen sie gleich auch noch rund eine Milliarde Euro an Schulden.
Auf OQ Chemicals lastet ein Schuldenberg von einer Milliarde Euro
Die hatte der damalige Besitzer, die Investmentfirma Advent International, dem Chemieunternehmen aufgebürdet - kein unübliches Vorgehen der Finanzakteure, um ein schlagkräftiges Unternehmen zu basteln und dieses dann lukrativ zu verkaufen. Nur versäumten es offenbar die neuen Eigentümer aus dem Golf, die Schulden in der Niedrigzinsphase abzubauen - mithilfe der durchaus ansehnlichen jährlichen Betriebsergebnisse von OQ Chemicals zwischen 150 und 200 Millionen Euro.
Nun muss die Monheimer OQ-Chemicals-Führung nicht nur genug Darlehen ohne Eigenkapital-Spritzen von internationalen Banken zusammenkratzen, sondern auch noch einkalkulieren, dass diese Fremdkredite deutlich teurer werden als die bisherigen. Dabei sind sie durchaus unter Zeitdruck: Sollte im schlimmsten Fall gar keine Lösung gefunden werden, könnten die OQ-Chemicals-Chefs rechtlich gezwungen sein, einen Insolvenzantrag zu stellen. Doch daran dürften weder die jetzigen Kreditgeber noch das Sultanat Oman, die Noch-Besitzer der Chemie-Firma, ein Interesse haben - da droht ein zu hoher Finanzverlust.
Fragt man in der Monheimer Unternehmenszentrale nach, hört man viele optimistische Töne. „Wir arbeiten hier alle daran, die anspruchsvolle Situation gut zu lösen“, versichert OQ-Kommunikationsdirektorin Ina Werxhausen. „Die Finanzgespräche laufen äußerst vertraulich hinter verschlossenen Türen, man hört daraus verständlicherweise nicht viel. Doch wir haben gute Aussichten, dass für unser Unternehmen eine sehr gute Lösung gefunden wird.“
Ist das nur das berühmte Pfeifen gegen die Angst im dunklen Wald? Nein, die Firmensprecherin nennt zwei nachvollziehbare Argumente, warum nicht nur das Oberhausener Chemiewerk, sondern das gesamte Unternehmen überleben wird. „Die Finanzprofis schauen ganz nüchtern auf zwei Dinge: auf die Zahlen und auf unser Produkt-Portfolio. Und da stehen wir hervorragend da.“
Im ersten Quartal 2024 habe OQ Chemicals herausragend gearbeitet, obwohl die Produktion des Chemiewerks in Oberhausen durch den Brand bei Synthesegas-Zulieferer Air Liquide wochenlang ausgefallen ist. „Die Zahlen sehen super aus.“ Und die in Oberhausen und Marl produzierte Produktpalette sei extrem nachgefragt auf den weltweiten Märkten. „Wir stellen Produkte her, die unbedingt gebraucht werden. Sie sind Bestandteil in sehr vielen Waren, die wir täglich in der Hand halten, wenn auch oft nur zu geringen Anteilen. Aber ohne unsere Stoffe kann man diese Waren nicht herstellen.“
OQ Chemicals ist einer der weltweit größten Hersteller von Oxo-Chemicalien
Tatsächlich ist OQ Chemicals mit mehr als 70 Produkten und 1400 Beschäftigten einer der weltweit größten Hersteller von Oxo-Chemikalien (Aldehyde, Alkohole, Amine, Carbonsäuren, Polyole und Ester). Sie stecken in Shampoos, Lacken, Farben, Weichmacher, Schmierstoffen und Beschichtungen. Produktionsstandorte sind neben Oberhausen und Marl-Hüls die US-Städte Bishop und Bay City sowie das chinesische Nanjing.
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Sollten am Ende die Finanzbasteleien ohne frisches Eigenkapital des jetzigen Eigentümers nur schwierig oder gar nicht klappen, wäre natürlich auch eine Lösung mit einem Käufer denkbar, der frisches Eigenkapital mitbringt und so die bereits ausgehandelten Finanzkonzepte wieder zum Leben erweckt. Die Fachjournalisten der Börsenzeitung bringen hier als Spekulation den bekannten Alt-Eigentümer ins Spiel: der Finanzinvestor Advent, schließlich würde er das Unternehmen aus seinem jahrelangen Engagement vor 2013 sehr gut kennen.
Wie auch immer sich die Lage entwickelt, das Fazit des Unternehmens im rheinländischen Monheim lautet knapp und zuversichtlich so: „Unsere Produkte sind toll, die Zahlen sind gut - wir hier in Monheim sind keine Spur nervös.“
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