Oberhausen. Unruhe auf dem Ruhrchemie-Gelände im Oberhausener Stadtteil Holten. Drehen die Öl-Scheichs den Geldhahn für das Unternehmen OQ Chemicals zu?
- Nachrichten aus dem Sultanat Oman sorgen für Unruhe bei den Mitarbeitern des Unternehmens OQ Chemicals
- Die Öl-Scheichs haben angekündigt, eine eigentlich bereits zugesagte Finanzspritze von 200 Millionen Euro für ihr Unternehmen doch nicht zu zahlen
- Jetzt ist die Geschäftsführung auf Investoren-Suche
Das zentrale Werk des in Monheim sitzenden Chemieunternehmens OQ Chemicals kommt nicht zur Ruhe - selbst in der österlichen Ferienzeit nicht. Beunruhigt müssen die 800 Beschäftigten der Chemiefabrik im Oberhausener Norden Schlagzeilen der Wirtschaftsfachleute des Manager-Magazins entgegennehmen: „Sultanat Oman lässt deutsche Chemiefirma fallen.“ Dabei ging es im vergangenen Jahr für OQ Chemicals nach Informationen aus Branchenkreisen geschäftlich doch wieder aufwärts.
Die Scheichs vom Osten der Arabischen Halbinsel hatten die Chemiefabrik Oxea, hervorgegangen aus der Ruhrchemie, bereits vor über zehn Jahren vom Finanzinvestor Advent gekauft - angeblich für 1,8 Milliarden Euro. Ähnlich wie andere durch Öl und Gas reich gewordene Staaten setzt das Sultanat Oman seit vielen Jahren darauf, das wirtschaftliche Risiko, nur auf Rohstoffe zu setzen, zu streuen - und in viele andere Branchen zu investieren, darunter auch in die lukrative Wertschöpfung, aus Öl und Gas wertvolle Produkte zu fabrizieren. Da kam die Investmentchance der Oberhausener Chemiefabrik von Advent gerade recht. Das Werk in Oberhausen stellt überwiegend Basis-Chemieprodukte her, die in vielen Waren stecken: in Lacken, Parfümen, Shampoos und Klebstoffen.
Hohe Energiekosten und teure Materialien machen OQ Chemicals auf dem Ruhrchemie-Gelände zu schaffen
Dass die Öl-Sultane nicht lässig mit den Kosten einer solchen Chemiefabrik umgehen, zeichnete sich schnell ab: Der Oxea-Hauptsitz in Oberhausen wurde 2016 in die NRW-Steueroase Monheim (Rheinland) mit ihrem deutlich niedrigeren Gewerbesteuersatz verlagert, das Werk wurde in den weltweiten Gesamtkonzern eingegliedert und in OQ Chemicals umbenannt. Angesichts des weltweiten Wettbewerbs in der Basischemie wurden durch strenge Vorgaben aus Oman vor drei Jahren 90 Arbeitsplätze in Oberhausen gestrichen - jeder zehnte Arbeitsplatz fiel weg. Im Mai 2023 kündigte OQ Chemicals einen weiteren Abbau von 100 Arbeitsplätzen an. Zudem sollte ein Teil der Beschäftigten ausgegliedert werden: Die Servicebereiche, die technischen Werkstätten und die Logistik-Abteilung, etwa 200 bis 250 Arbeitsplätze, wollte das Management an externe Dienstleister abgeben. Insgesamt sind weltweit bei OQ Chemicals 1400 Menschen beschäftigt.
Die Hauptschwierigkeiten für OQ Chemicals, eine für das Sultanat Oman angemessene Rendite zu liefern, sind die hohen Energiekosten in Deutschland, die nach der Pandemie und dem Ukraine-Krieg so stark steigenden Material-Aufwendungen sowie die bereits länger schwächelnde Weltwirtschaft. Dabei zeigten die angeleierten Spar- und Konsolidierungsprogramme durchaus Wirkung: 2021 wurde mit einem sehr guten Ergebnis abgeschlossen, 2022 war ein mieses Jahr für OQ Chemicals, doch 2023 ging es wieder aufwärts, intern wurde bereits die Parole ausgegeben: „Die Talsohle ist durchschritten.“ Tatsächlich macht ein Ergebnis von 130 Millionen Euro im Vorjahr auf einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro schon einiges her, nämlich eine Jahresumsatzrendite von 9 Prozent. Diese Kennzahl ist allerdings in vielen chemischen Branchenbereichen zweistellig.
Feuer bei Air Liquide in Oberhausen lässt Produktionslinien still stehen
In dieser Situation kam dann etwas Unkalkulierbares hinzu, dass man nur mit „Pech“ bezeichnen kann: Ende Februar 2024 zerstörte ein Brand beim wichtigen Oberhausener Zulieferer von OQ, Air Liquide, die auskömmliche Rohstofflieferung. Das von Air Liquide produzierte Synthesegas ist wertvolle Basis für viele Chemieprodukte des Oberhausener OQ-Werkes. Seit dem Feuer stehen viele Anlagen in Holten still, OQ meldete erhebliche Produktionsausfälle, auf die Mitarbeiter kommt Kurzarbeit zu.
Nach Informationen des Manager-Magazins soll nun ausgerechnet in dieser Gemengelage das Sultanat innerlich Abschied von OQ Chemicals genommen haben: Die Ölscheichs hätten erklärt, auf eine notwendige Finanzspritze für ihr Chemieunternehmen von 200 Millionen Euro nun doch lieber zu verzichten. Eine echte Begründung dafür fehlte. Dabei steht nach den Informationen der Redakteure des Manager-Magazins eine Refinanzierung von Krediten in Höhe von einer Milliarde Euro an, die im Herbst 2024 zum größten Teil auslaufen. Eigentlich war im Grund schon alles ausverhandelt - auf Basis des finanziellen Sultanats-Engagements. Dann kam plötzlich das völlig überraschende Aus der bisherigen 200-Millionen-Euro-Zusage.
Nun geht für den Vorstand und seine Teams vieles wieder von vorne los: In den Osterferien trommelten OQ-Vorstandschef Oliver Borgmeier und seine Finanzvorständin Silvia Weppler die möglichen Kreditgeber und Investoren nochmals zusammen, erklärten die neue Lage. Sie können dabei einiges in die Waagschale werfen: Das ordentliche Jahresergebnis 2023, die überstandenen Sparrunden, die verstärkte Konzentration auf Spezialprodukte, die lukrativere Erlöse auf dem Weltmarkt ermöglichen. Ein neues Finanzpaket zu schnüren, wird zwar nicht einfach, da eine Milliarde Euro alles andere als ein Pappenstiel sind, ist aber gut möglich.
Will das Sultanat Oman die Oberhausener Chemiefabrik verkaufen?
So erklärt es sich, dass nicht nur die Monheimer Pressestelle des Chemieunternehmens sich trotz aller Probleme optimistisch zeigt. Schriftlich gibt es für die Medien nur vier dünne Sätze: „OQ Chemicals bewertet derzeit die Situation. Gespräche mit den Kreditgebern laufen bereits. Das operative Business bleibt von der aktuellen Situation unbeeinträchtigt. Eine gesamthafte Lösung ist im Interesse aller wichtigen Stakeholder.“
Derweil rätseln nicht nur die Beschäftigten, was das abrupte Verhalten des Sultanats bedeuten mag: Wollen die Ölscheichs von OQ Chemicals nichts mehr wissen und alles verkaufen? Bisher ist das alles Spekulation, doch wenn Eigentümer auf eine notwendige und zugesagte Erhöhung des Eigenkapitals nach wichtigen Kreditverhandlungsrunden plötzlich verzichten, dann kann man durchaus schlussfolgern: Oman hat die Freude, wenn sie denn je da war, an OQ Chemicals und damit an Oberhausen verloren.
Und was meinen die Arbeitnehmer-Vertreter zu dieser Kehrtwende der Eigentümer? Beim Betriebsrat des Oberhausener Werkes läuft am Mittwoch leider nur eine automatische Telefonansage: „Der Gesprächspartner möchte zurzeit keine Gespräche annehmen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.“
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