Oberhausen. Nach dem Anschlag in Solingen diskutiert NRW über Gewalttaten mit Messern. Tatsächlich ist nach Polizei-Daten das Opfer-Risiko stark angezogen.
Der Anschlag in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten wirft ein Schlaglicht auf das Thema Messerdelikte. Die Debatte dazu ist in dieser Woche voll entbrannt. Beispiel: Oberhausen. Im Stadtgebiet verzeichnet die Polizei tatsächlich eine deutliche Zunahme dieser Straftaten. Im Jahresvergleich 2022/2023 hat es 50 Prozent mehr Messerdelikte gegeben. Das zeigt der Oberhausener Kriminalitätsbericht für das Jahr 2023. Einige Fälle sorgten für Entsetzen über die Stadtgrenzen hinaus.
Bei insgesamt 97 Straftaten weist die polizeiliche Statistik für das Jahr 2023 in Oberhausen ein Messer als Tatmittel aus; im Jahr 2022 waren es noch 64 Fälle. Das ist eine Zunahme um mehr als die Hälfte. Die Fahnder der Polizei unterscheiden dabei zwischen Messern, die nach dem Waffengesetz im öffentlichen Raum verboten sind (10 Fälle) und solchen, die es nicht sind (87 Fälle).
Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Länge der Messerklinge: Einhandmesser (Klingenlänge spielt keine Rolle) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über zwölf Zentimeter fallen unter die verbotenen Messer. Das Tragen anderer Messer ist lediglich in sogenannten Waffenverbotszonen generell untersagt, die allerdings eigens eingerichtet werden müssen. Das ist zum Beispiel am Hauptbahnhof Oberhausen für bestimmte Tage oder Wochenenden bereits befristet geschehen. Dies wird jeweils von der für den Bahnhof zuständigen Bundespolizei kontrolliert.
Polizeistudie: Drei von 200 Passanten haben in Deutschland ein Messer dabei
Immer mehr Menschen führen in Deutschland ein Messer bei sich. Und sie geben an, es aus Gründen des Selbstschutzes zu tun. Drei von 200 Personen, die auf der Straße unterwegs sind, haben ein Messer dabei. Diese Zahl stammt aus der polizeilichen Studie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ (SKiD), die viele Aspekte der aktuellen Kriminalitätsentwicklung ins Visier nimmt.
Dass das Messer als Tatmittel eine immer größere Rolle spielt, spiegeln beispielhaft Oberhausener Fälle aus dem Jahr 2023. Im Herbst ist in Osterfeld-Rothebusch ein türkischer Staatsbürger (58) zu nächtlicher Stunde auf offener Straße mit 18 Messerstichen brutal getötet worden. Es handelte sich um eine Beziehungstat. Der Täter nahm sich kurz darauf durch den Sprung von einer Brücke selbst das Leben.
Brutale Messerattacke im Foyer der Turbinenhalle: Tiefer Messerstich am Hals
Ein halbes Jahr zuvor hat auch eine Tat im Foyer der Turbinenhalle über die Stadtgrenzen hinaus für Entsetzen gesorgt: Vom Nacken bis zum Kehlkopf schnitt ein 30-jähriger Dortmunder am Abend des 4. Februar 2023 einem 29-jährigen Bochumer zweieinhalb Zentimeter tief den Hals auf. Das Leben des Opfers konnte gerettet werden. Das Landgericht Duisburg hat bereits im Jahresverlauf 2023 ein Urteil dazu gefällt: Es verurteilte den 30-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis. Das genaue Motiv für die Tat blieb unklar.
Noch nicht in der vorliegenden Kriminalitätsstatistik 2023 vertreten ist die aufsehenerregende Gewalttat vom Februar 2024 an zwei jungen ukrainischen Basketballspielern (17 und 18 Jahre) aus Düsseldorf, die bei einer Messerattacke am Oberhausener Busbahnhof (Willy-Brandt-Platz) tödlich verletzt wurden, als sie dort nach einem Centro-Besuch aus dem Schnellbus SB91 ausgestiegen waren. Vier Jugendliche, darunter ein 15-jähriger Deutsch-Türke aus Gelsenkirchen und weitere jugendliche Tatverdächtige mit Migrationshintergrund, müssen sich derzeit vor Gericht verantworten. Die 25. Strafkammer des Essener Landgerichts hat für den Prozess, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, zunächst 13 Verhandlungstage bis zum 21. November angesetzt.
Auch ein großes Oberhausener Festivalwochenende des Jahres 2023 bleibt durch eine Gewalttat mit Stichverletzungen in negativer Erinnerung: In der Nacht von Freitag auf Samstag, 25./26. August, sind zwei schwer verletzte Männer auf dem Parkplatz der Turbinenhalle aufgefunden worden. Einer von ihnen schwebt in Lebensgefahr. Zu diesem Zeitpunkt lief in der Turbinenhalle das Hype-Musikfestival mit tausenden Besuchern.
Oberhausen: Das Risiko, Opfer von Straßenkriminalität zu werden, ist gestiegen
Wie hoch ist das Risiko, in Oberhausen Opfer einer Straftat auf der Straße zu werden? Dazu gibt es in der Polizeistatistik eine eigene spezielle Zahl, abgekürzt: OGZ. Das steht für Opfergefährdungszahl. Sie bezeichnet das Opferrisiko und damit die Anzahl der gemeldeten Tatopfer, errechnet auf 100.000 Einwohner der Oberhausener Bevölkerung.
Insgesamt hat sich die OGZ von 2022 zu 2023 von 159 auf 240 erhöht. Dies entspricht einem Anstieg um 51 Prozent. Besonders hoch ist das Opferrisiko bei jungen Menschen unter 21 Jahren, die auf den Oberhausener Straßen unterwegs sind: In diesem Bereich ist die Zahl von 588 auf 830 gestiegen; ein Plus von 41 Prozent.