Mülheim. Neues Projekt in Mülheim: Rentner und Rentnerinnen erbringen Dienstleistungen für andere ältere Menschen - und beide Seiten profitieren.

Lindenblüten wirken entspannend, krampflösend und stärken die körpereigenen Abwehrkräfte. Für Entspannung und Stärke will nun auch die Contilia (deutsch: „Mit der Linde“) sorgen, die in Mülheim das St. Marien-Hospital betreibt und das Pflegeheim Franziskushaus im Luisental verwaltet. Am 1. September geht sie mit ganz besonderen „Lindenblüten“ an den Start, und zwar mit 14 ehrenamtlichen Frauen und Männern, die Freude daran haben, Mitmenschen zu helfen.

Jüngst haben sie eine 30-stündige Basis-Schulung absolviert, nun werden sie als Nachbarschaftsdienstleister in ihrem Wohnquartier auf Mini-Job-Basis für die Contilia aktiv. Dabei verbinden sie das Angenehme mit dem Nützlichen und verdienen sich mit 15 Euro pro Arbeitsstunde etwas zu ihrer Rente dazu. Neben ihrem Stundenlohn bekommen die „Lindenblüten“ eine Fahrtkostenpauschale sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld. „Wir wollen Menschen damit helfen, so lange wie möglich selbstständig in ihrem Zuhause leben zu können. Und wir tragen auch der Tatsache Rechnung, dass immer mehr Ruheständler darauf angewiesen sind, ihre Rente durch einen Nebenverdienst aufzustocken“, erklärt Projektleiterin Katja Grün.

In Mülheim findet eines von zwei Pilotprojekten statt

Auch wenn das Franziskushaus neben dem St. Andreas Quartier in Essen-Rüttenscheid eins von zwei Pilotprojekten für die neuen „Lindenblüten“ der Contilia ist, lässt Grün keinen Zweifel daran, dass die Contilia ihren neuen Service mittel- und langfristig an allen ihren 14 Standorten im mittleren Ruhrgebiet anbieten will. Die Contilia trägt und verwaltet neben Kliniken und Pflegeeinrichtungen unter anderem auch Kindertagesstätten, Jugendhilfe- und Rehabilitationseinrichtungen.

„Wir wollen uns nicht mehr nur als Pflegeeinrichtung verstehen, sondern auch als Quartierspunkt, und uns mit unserem sozialen Umfeld vernetzen“, erklärt der Einrichtungsleiter des Franziskushauses, Andreas Weischede, der sich deshalb jetzt auch Quartiers- statt Einrichtungsleiter nennt. Grün und Weischede wollen mit den „Lindenblüten“, die keine Pflegedienstleistungen, sondern haushaltsnahe und nachbarschaftsorientierte Dienstleistungen anbieten, auch die soziale Vernetzung fördern und der zunehmenden Vereinsamung entgegenwirken.

Yvonne Bogedan, Andreas Weischede, Katja Grün und Mariano Iaccarino (v.l.) stellen im Mülheimer Franziskushaus das Projekt „Lindenblüten“ der Contilia-Gruppe vor.
Yvonne Bogedan, Andreas Weischede, Katja Grün und Mariano Iaccarino (v.l.) stellen im Mülheimer Franziskushaus das Projekt „Lindenblüten“ der Contilia-Gruppe vor. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Handwerksarbeiten, Begleitung zum Arzt, Hilfe auf dem Amt, Begleitung ins Kino: All das ist möglich

Deshalb laden sie ab September an jedem ersten und dritten Donnerstag des Monats zwischen 14 Uhr und 15.30 Uhr zum Kaffee- und Kuchentreff in die Luisenschenke des Franziskushauses ein. Sie möchten Menschen zusammenbringen, die den Service der „Lindenblüten“ in Anspruch nehmen oder selbst als „Lindenblüten“ aktiv werden wollen. Niederschwellige Handwerksarbeiten im Haushalt sind möglich, Begleitung zum Arzt oder zum Amt, Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und dem Verstehen von Behördenpost, Begleitung ins Konzert oder ins Theater oder auch nur ein Hausbesuch als guter Gesellschafter.

So und ähnlich wollen die „Lindenblüten“ ihre Kunden und Nachbarn stärken, damit sie möglichst lange selbstständig zu Hause leben können und nicht an einen Umzug in eine Pflegeeinrichtung denken müssen. „Viele alte Menschen haben keine Kinder oder die Kinder leben in München oder sonst wo“, schildert Andreas Weischede den gesellschaftlichen Hintergrund des Lindenblütenprojektes.

„Ich helfe gern, tausche mich gern mit Menschen aus und versuche, dem Tag eine Struktur zu geben“

„Ich helfe gern, tausche mich gern mit Menschen aus und versuche, dem Tag eine feste Struktur zu geben“, erklärt die ehemalige Arzthelferin und Vorruheständlerin Silke Hofmann, warum sie dazugehört. Ihr Kollege Dieter Schnapka, der bis zur Pensionierung bei der Mülheimer Berufsfeuerwehr tätig war, ist ein Mann der handwerklichen Tat. Er hat sich auch schon bei den Bürgerlotsen des Sozialamtes engagiert. „Ich freue mich, wenn ich Menschen helfen kann und den sozialen Kontakt mit Menschen aus meiner Nachbarschaft pflegen und fördern kann.“ Als Steuerberater im Ruhestand ist Toni Schäfer im Lindenblütenteam nicht nur, aber auch und besonders gern Berater und Begleiter, wenn es darum geht, Formulare richtig auszufüllen und Amtsdeutsch zu verstehen. Menschen in allen bürokratischen Lebenslagen beizustehen, ist Schäfer ein sicht- und spürbares Vergnügen.

Der 81-jährige Toni Schäfer ist Steuerberater im Ruhestand und möchte als „Lindenblüte“ unter anderem dabei helfen, Formulare richtig auszufüllen und Amtsdeutsch zu verstehen.
Der 81-jährige Toni Schäfer ist Steuerberater im Ruhestand und möchte als „Lindenblüte“ unter anderem dabei helfen, Formulare richtig auszufüllen und Amtsdeutsch zu verstehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Alle Lindenblüten aus dem Quartier Franziskushaus kommen aus der Stadtmitte. So sorgen wir für kurze Wege“, betont Projektleiterin Katja Grün.

Für die Nutzerinnen und Nutzer kostet der Alltagshilfeservice der Lindenblüten, den man via Smartphone oder Computer online unter lindenblueten.de buchen kann in der ersten Stunde 29 Euro und ab der zweiten Stunde 24 Euro. Außerdem zahlen die Teilnehmer des Lindenblütenservice einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 6,90 Euro, worin auch die Teilnahme am 14-tägigen Lindenblüten-Kaffeeklatsch enthalten ist. Wer die Lindenblüten in Anspruch nehmen oder selbst eine Lindenblüte werden will, erreicht die Contilia unter 0201/4551937 oder per lindenblueten@contilia.de.

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