Mülheim. An der Bahnstrecke in Mülheim sind Lärmschutzwände seit Jahren versprochen. Und offenbar dringend nötig. Besuch bei einer betroffenen Familie.

Die Gleisbaustelle der Deutschen Bahn in Mülheim bescherte vielen Menschen im Juli und August stressige Wochen. Es lärmte Tag und Nacht. Alexander Warmers reicht es jetzt endgültig. Er hat sich schriftlich bei der Deutschen Bahn beschwert und Mülheimer Akteure in Kopie gesetzt, darunter OB Marc Buchholz und Mitglieder der zuständigen Bezirksvertretung BV 1.

Warmers (38), der mit seiner Familie am Winkhauser Talweg wohnt, beklagte sich nicht nur über den gewaltigen Baulärm, der geeignet sei, Anwohner „teilweise in den Wahnsinn“ zu treiben. Er erinnert auch an ein altes Versprechen aus dem Jahr 2018: In Gleisnähe soll eine Lärmschutzwand errichtet werden. Trotz mehrfacher Ankündigungen und wachsender Belastung durch Zugverkehr und Bauarbeiten sei bis heute nichts passiert, sagt der Mülheimer: „Wir fühlen uns durch diese Verzögerung sehr enttäuscht und im Stich gelassen.“ Er möchte wissen, was die Gründe sind, wie es weitergeht, wann die Wand endlich kommt.

Drei Meter hohe Lärmschutzwände an Mülheimer Bahnstrecke geplant

Das Wesentliche ist seit sechs Jahren eingestielt. An der Bahnstrecke durch Mülheim, in den Bereichen Winkhausen, Hauptbahnhof, Eppinghofen und Styrum, sollen Lärmschutzwände errichtet werden, drei Meter hoch. Die Maßnahme erfolgt im Rahmen eines bundesweiten Lärmsanierungsprogramms der DB Netz AG, das bis 2030 umgesetzt sein soll. Bei Bürgerversammlungen Anfang 2018 hatte die Bahn das Vorhaben erstmals erläutert und zur Diskussion gestellt.

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Nicht alle betroffenen Nachbarn, speziell in Styrum, waren spontan begeistert. Manche schreckte die Vorstellung, fortan hinter einer hohen Mauer zu leben, mit weniger Licht. Daher waren auch transparente Wände im Gespräch, die es jedoch nicht geben wird, unter anderem aus Kostengründen. Ein Konzept präsentierte das Stadtplanungsamt im folgenden Herbst. Inklusive der Idee, Teile der Schallschutzwände mit Graffiti verschönern zu lassen. Damals hieß es bereits: Das Vorhaben verzögert sich. Statt 2019, wie ursprünglich geplant, solle es erst 2021 umgesetzt werden. Bis heute ist nichts davon zu sehen.

Mülheimer Paar kaufte ein „Traumgrundstück“

Er und seine Partnerin Karin Flasbeck (35) hätten das Grundstück am Winkhauser Talweg im Jahr 2020 gekauft und mit dem Hausbau begonnen, berichtet Alexander Warmers - im festen Vertrauen, dass in Kürze eine Lärmschutzwand errichtet wird. „Sonst hätten wir das nicht gemacht.“ Anfangs sei hier nur Wiese gewesen. Doch für das Paar, inzwischen Eltern von zwei kleinen Kindern, ist es „ein Traumgrundstück - direkt am Radschnellweg, nahe an der Stadt“.

Direkt nebenan wohnt die Schwägerin mit Partner, ebenfalls im neuen Eigenheim, in derselben Situation. Nur eine schmale, abschüssige Straße liegt zwischen ihren Gärten und den Gleisanlagen. Die Züge rauschen vorbei, wenige Meter entfernt. Was Warmers nicht hören möchte: „Erst ziehen Sie direkt neben die Bahn und dann beschweren Sie sich über den Lärm!“ Sie hätten vorher am Winkhauser Weg gewohnt, auf der Parallelstraße, und schon gewusst, worauf sie sich einlassen. Die Verzögerungen auf Seiten der Deutschen Bahn sind aus seiner Sicht das eigentliche Problem. „Das sind Verschiebeweltmeister.“

Planungen der Deutschen Bahn sind längst genehmigt

Die Deutsche Bahn plant in Mülheim zwei Lärmschutzprojekte: „Styrum“ und „Stadt“. Letzteres betrifft die Schallschutzwände östlich des Hauptbahnhofs, auch in Winkhausen. Es wurde schon am 4. November 2021 durch das Eisenbahnbundesamt genehmigt. Es geht hier um eine insgesamt knapp sechs Kilometer lange Bahnstrecke, an der vier Lärmschutzwände errichtet werden sollen, mit Längen zwischen 346 und 1342 Metern, drei Meter hoch. Bei der Stadt Mülheim heißt es auf Anfrage, hier sollten noch Ergänzungen beantragt werden, am Altenheim und Tourainer Ring bis zur Kurve Heißener Straße.

An der Eisenbahnstrecke in Mülheim-Winkhausen und -Eppinghofen sind seit Jahren Lärmschutzwände geplant. Das Vorhaben wird aber immer wieder verschoben.
An der Eisenbahnstrecke in Mülheim-Winkhausen und -Eppinghofen sind seit Jahren Lärmschutzwände geplant. Das Vorhaben wird aber immer wieder verschoben. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Für Styrum steht eine Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt noch aus. Die Bahn möchte die Mülheimer Strecke aber nur einmal für die Bauarbeiten sperren und koppelt daher beide Projekte aneinander. Alles solle gebündelt erledigt werden, so könne man die Baumaßnahmen besser koordinieren, baubedingte Verspätungen und Zugausfälle größtenteils auffangen, hieß es im Februar 2022 von Seiten der Deutschen Bahn. Auf aktuelle Nachfrage dieser Redaktion erklärt ein Bahn-Sprecher: Die Planungen seien unterschiedlich weit fortgeschritten, doch die Planrechtsverfahren seien für beide Projekte noch nicht endgültig abgeschlossen. Wie lange es dauert, sei „auch abhängig von den jeweiligen Genehmigungsbehörden“.

Bahn: Sperrpausen müssen Jahre im Voraus geplant werden

Erst dann könne eine Ausschreibung für die Lärmschutzwände stattfinden, könnten konkrete Entwürfe erarbeitet und abgestimmt, schließlich die Bauleistungen europaweit ausgeschrieben werden. Wenn die Bauarbeiten dann endlich beginnen, müssen die Gleise zeitweise für Züge gesperrt werden. „Auf den stark ausgelasteten Strecken in NRW stehen perspektivisch nur wenige längere Sperrpausen zur Verfügung“, heißt es bei der Deutschen Bahn. Sie müssten mit dem nationalen und internationalen Bahnverkehr abgestimmt und „mehrere Jahre im Voraus eingetaktet werden“.

Anfang 2022 hatte die Deutsche Bahn den Aufbau der Lärmschutzwände für den Zeitraum 2025 bis 2026 in Aussicht gestellt. Bei der Stadt Mülheim geht man aktuell von 2026 oder 2027 aus. Die Deutsche Bahn möchte derzeit keinen genauen Bauzeitraum nennen, verspricht nur: „Sobald wir konkrete Aussagen treffen können, werden wir die Kommune und die Anwohnenden rechtzeitig informieren.“

Mülheimer Hauseigentümer: „Ich frage jedes Jahr nach, seit 2020“

Alexander Warmers hilft das momentan wenig. Im Haus seiner Familie steckt schon viel Arbeit. Garten und Terrasse sind teils noch Baustelle. Zaun oder Mauer gibt es noch nicht. Immer wieder saust ein Zug vorbei. Der Familienvater sagt: „Ich frage jedes Jahr im September wieder nach, seit 2020.“ Von der Bahn habe sich bislang niemand bei ihm gemeldet.

Diesmal hat er schon am 29. Juli geschrieben. Aus aktuellem Anlass - die Gleisbaustelle verschlimmerte das Lärmproblem. Eine Rückmeldung der Mülheimer SPD habe er inzwischen erhalten, sagt Warmers, die das Thema am 6. September in der zuständigen Bezirksvertretung (BV 1 ) erörtern wolle. Und wenn die Lärmschutzwand noch mehrere Jahre auf Eis gelegt wird? Was kann er tun? „Das Haus verkaufen, auf keinen Fall. Da steckt schon zu viel Herzblut drin.“

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