Mülheim. Mülheim setzte nun ein erstes Ausrufezeichen in der jahrzehntealten Flughafen-Frage. Essens Politik soll nachziehen. Wie klar das Votum ausfiel.
„Eine kleine Sternstunde.“ - „Ein Moment, der stolz und glücklich macht.“ - „Eine historische Abstimmung“: Mülheims Planungspolitik hat sich jetzt als erstes Gremium klar in der Zukunftsfrage zum Flughafen positioniert.
Deutlicher konnte es am Ende kaum sein: Bei lediglich einer Gegenstimme der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) setzte der Planungsausschuss ein klares Signal für eine Fortführung des Flugbetriebes über das Jahr 2034 hinaus. Der Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2010 soll aufgehoben werden. Mit dem Votum unterstrich die Planungspolitik auch ihren Willen, die Planung für ein 12,2 Hektar großes Gewerbegebiet am nördlichen Rand des Areals zu forcieren.
CDU-Politikerin aus Mülheim mahnt: Flughafen-Konsens jetzt „nicht zerreden“!
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Von einem historischen Moment sprach Christina Küsters als Vorsitzende des Planungsausschusses und CDU-Fraktionschefin, überließ ansonsten aber anderen das Wort. Ihre Fraktionskollegin Petra Seidemann-Matschulla blickte zurück. Die Flughafen-Frage habe sie ihr komplettes politisches Wirken lang begleitet - und das seien 40 Jahre. „Ich bin froh, dass die Hängepartie endlich ein Ende hat“, bilanzierte sie für ihre eigene Partei, die den Schwenk vom Ausstieg nun auch offiziell vollzieht.
Seidemann-Matschulla blickte mit Genugtuung darauf, dass die Flughafen-Zukunft mit dem grünen Koalitionspartner möglich wird. „Ich habe nie gedacht, dass wir das mit den Grünen auf den Weg bringen können.“ Jetzt gehe es darum, das Gesamtkonzept mit neuem Gewerbe und Flughafen-Modernisierung nicht noch zu zerreden. Es sei alles dranzusetzen, „dass es erfolgreich wird“. Die Anwohnerschaft in Raadt gelte es in der weiteren Planung mitzunehmen. Der Flughafen sei „ein großes Aushängeschild“, so die CDU-Politikerin. Ein Extra-Lob verteilte sie an die Westdeutsche Luftschiffgesellschaft (WDL), die mit dem mutigen Invest in den neuen Hangar gezeigt habe, dass am Flughafen etwas zu bewegen sei.
„Ich bin froh, dass die Hängepartie endlich ein Ende hat.“
Schwieriger Spagat der Mülheimer Grünen findet Ausdruck in Begleitantrag
Dass die Grünen tatsächlich auch die Kehrtwende vollziehen, findet ansatzweise Ausdruck in einem Begleitantrag, den sie mit der CDU eingebracht haben, um sich mit ihren Leitlinien für die Flughafen-Entscheidung aus März 2023 wiederzufinden. Seinerzeit hatten die Grünen ihr „Ja“ zur Flughafen-Zukunft an allerlei Bedingungen geknüpft. Die Wahrung von Kaltluftentstehungsflächen habe oberste Priorität, hieß es damals, ebenso der Artenschutz. Der Flugbetrieb habe spätestens 2035 klimaneutral zu sein, der Fluglärm sei spürbar zu reduzieren. Und, wie es Fraktionschef Timo Spors damals formulierte: „Wir müssen den Betrieb so schnell wie möglich ohne Verlust darstellen.“ Laut ihren Leitlinien wollten die Grünen per Ratsbeschluss dafür gar ein konkretes Datum festlegen.
Konkrete Absicherungen dieser Zielvorstellungen sind aber aktuell nicht wiederzufinden. Eher lassen sich die Grünen in mancherlei Hinsicht auf eine Wette auf die Zukunft ein. Beispiel Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebes: Ein Gutachten, das aufzeigt, wann und wie die städtischen Betreiber in die Situation gebracht werden könnten, kein Geld mehr für einen Verlustausgleich aufbringen zu müssen, liegt nicht vor.
Frage des wirtschaftlichen Flughafen-Betriebes weiter nicht klar beantwortet
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Es gibt lediglich ein Papier, das Potenziale des Flughafens aufzeigt, etwa als regionaler Netzwerk-Standort für klimaneutrale Flugtaxis. Auch soll der Flughafen neue Hangars bauen dürfen, um mehr Flugzeuge dort unterbringen zu können, was Einnahmen verspricht. Dass dies die Ertragslage steigern wird, ist aber nicht ausgemacht. Denn, so legen sich Grüne und CDU fest, die Zahl der Flugbewegungen soll ein Maximum von 60.000 pro Jahr nicht übersteigen.
So bleibt sehr vage, wie (und wann) das Zuschussgeschäft ein Ende finden soll: Eine kontinuierliche Erhöhung der Landeentgelte soll es laut Schwarz-Grün geben, Flughafenbetriebe sollen möglichst stärker an den Kosten der Flugleitung oder der Unterhaltung der Start- und Landebahn beteiligt werden, der Flughafengesellschaft FEM soll ermöglicht werden, neben dem reinen Fluggeschäft Einnahmen zu generieren. CDU und Grüne legen mit ihrem Begleitantrag fest, dass es noch eine Organisationsuntersuchung der FEM geben soll, um sie effizient aufzustellen.
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Mülheims SPD und FDP froh über die Kehrtwende von Schwarz-Grün
Im Begleitantrag von CDU und Grünen sind allerlei Forderungen und Wünsche festgelegt, die mitunter tief eingreifen in (unternehmerische) Entscheidungen, die letztlich die Flughafennutzer treffen müssten. Das geht so weit, dass dem Aero-Club ins Hausaufgabenheft diktiert wird, seinen Segelflug-Schlepper „möglichst“ auf eine elektrisch betriebene Startwinde umzustellen. Brigitte Erd als planungspolitische Sprecherin der Grünen sieht mit den zusätzlichen Festlegungen den Anforderungen ihrer Partei nach Reglementierungen hinsichtlich Klima und Co. Rechnung getragen.
Der FDP gehen all diese Nebenbestimmungen zu weit, ebenso wie „Die Partei“ ging sie per Enthaltung auf Distanz zum Begleitantrag, der letztlich von CDU, Grünen und SPD getragen wurde. Alles in allem sind die Liberalen laut Joachim vom Berg aber „stolz und glücklich“, dass die Flughafen-Wende vor dem Vollzug steht. Oliver Willems (SPD) sprach von einer „kleinen Sternstunde“. Jetzt seien endlich alle wesentlichen politischen Kräfte beider Betreiberstädte mit gleicher Zielrichtung unterwegs. Daran gelte es bei der weiteren Planung festzuhalten.
Entwicklung am Flughafen Essen-Mülheim: Bürgerbeteiligung im Herbst geplant
Kritik äußerten nur Heidelore Godbersen für die MBI („Was lange währt, wird dann doch nicht gut“) und als beratendes Mitglied des Planungsausschusses Heike Feuster. Godbersen sieht die Wohnbevölkerung weiter einem unzumutbaren Lärm ausgesetzt, außerdem prognostiziert sie ein weiter verlustreiches Geschäft. Feuster äußerte die ablehnende Haltung des Naturschutzbeirates hinsichtlich der Prüfung, ob im Nordwesten des Areals großflächig PV-Anlagen aufgestellt werden können. Ebenso wandte sie sich gegen vertikale Windturbinen auf dem Areal, mit dem Hinweis auf schützenswerte Vogelarten auf den Raadter Höhen.
Planungsdezernent Felix Blasch sagte, diesbezüglich stünden noch Prüfungen aus, das letzte Wort sei nicht gesprochen. Am 4. Juli wird Mülheims Stadtrat das Votum zur Fokussierung auf 12,2 Hektar Gewerbeentwicklung mit Flugbetrieb fällen, Essens Stadtrat soll am 28. August folgen. Laut Blasch wird es in der Folge darum gehen, die Planungen für Gewerbe und modernisierten Flugbetrieb überein zu bringen. Ein dritter interfraktioneller Arbeitskreis beider Städte soll das Ergebnis bis Herbst ausdiskutieren, damit eine Bürgerbeteiligung möglich wird.
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