Mülheim. Zwei Mülheimer Amtsleiterinnen haben ihren ganz eigenen Blick auf den Orkan. „Eigentlich hat nur der Mensch ein Problem damit - die Natur nicht.“
Wenn ein Sturm wie Ela über die Stadt jagt und für Verwüstung sorgt, bekommt auch die Verwaltung viel zu tun. Im Amt für Umweltschutz war „normaler Dienstbetrieb erstmal unmöglich“, erinnert sich Leiterin Ulrike Bresa. „Die Kollegen mussten raus in den Außendienst, Schäden aufnehmen, mit Bürgern sprechen.“ Es ging um Anteilnahme, aber auch um Hinweise für die Feuerwehr. „Es waren ja in fast jeder Straße umgestürzte Bäume, beschädigte Häuser und unter Bäumen begrabene Autos zu finden.“ Sylvia Waage, Leiterin des Amtes für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen, erinnert sich ebenfalls an „aufregende, überaus arbeitsintensive Wochen und Monate“ im Sommer und Herbst 2014.
„Der Sturm hat sich in meine Erinnerung eingebrannt“, sagt sie. Und zwar nicht nur wegen der Mehrbelastung. An besagtem Montagabend waren die Mülheimerin und ihr Mann gerade mit ihrem Welpen aus dem Pfingsturlaub in Nordholland zurückgekehrt und hatten die Taschen ausgepackt. „Ich saß gemütlich mit Klein-Naxus auf der Terrasse und schaute in Richtung Westen auf ein bedrohlich aussehendes Wolkengebilde.“ Der starke Wind sei „überfallartig“ gekommen „und er hat sofort eine meiner großen Douglasien niedergelegt, die mehr als 40 Jahre unbeschadet jeden Sturm überlebt hatte“. Eine zweite Douglasie verlor ihre Krone, andere Bäume wurden „arg zerrupft“ umgeworfen. Das Regenwasser stieg vor der Haustür bis auf 30 Zentimeter. „Mein Mann war besorgt um Haus und Hof. Naxus und ich aber saßen entspannt da und haben das extreme Schauspiel beobachtet.“ Der Welpe habe sich als „cooler Kerl“ erwiesen.
Noch in der Nacht wurde Mülheims Amtsleiterin Sylvia Waage in den Krisenstab gerufen
Als das Unwetter abflaute, stand fest: „Das Haus ist heil geblieben. Aber wir konnten das Grundstück nicht mehr verlassen.“ Die Zufahrt war versperrt durch gefallene Bäume. Und auf der nahen B1 lagen nochmals mehr als 100 Bäume. „Da hatten wir die große Ruhe nach dem Sturm. Kein Auto kam mehr durch.“ Die Stille währte nur kurz, noch in der Nacht wurde Waage in den Krisenstab gerufen. „Wir mussten die Schäden begutachten, die Aufräumarbeiten organisieren.“ Der Verwaltung stellte sich eine immense Aufgabe, „die nur gelang, weil alle Mitarbeitenden hoch motiviert waren und mit Herzblut an die Sache gegangen sind“.
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Es dauerte Wochen, Monate, Jahre, bis die Schäden beseitigt waren und man sich an den Wiederaufbau der Grünanlagen machen konnte. Zehn Jahre nach Ela sind in Waages Zuständigkeitsbereich „keine Schäden mehr sichtbar“. Die zerstörten Bäume seien überall dort ersetzt worden, wo es möglich war, „und die Nachpflanzungen haben sich gut entwickelt“. An der Bismarckstraße etwa habe man die brutal zerstörten Pappeln gegen Säulen-Eichen ersetzt, „eine widerstandsfähigere Baumart“. Wegen des Klimawandels prüfe man ohnehin immer, welche Baumarten noch geeignet sind, leider müsse man ja jederzeit mit erneuten Sturmereignissen rechnen. Dass der Orkan damals so große Verwüstungen anrichten konnte, erklärt Waage auch so: „Ela hat die Bäume im voll-belaubten Zustand erwischt und hatte somit eine große Angriffsfläche.“
„Mächtige Eichen waren einfach in der Mitte abgerissen wie Zahnstocher“
Auch im Wald hat sich laut Amtsleiterin Ulrike Bresa im vergangenen Jahrzehnt viel getan. „Dort gab es erhebliche Schäden“, heute aber seien kaum noch Schneisen sichtbar. „Der Wald mit seinem alten Baumbestand im Witthausbusch war mit am stärksten betroffen. Teilweise waren mächtige Eichen, deren Wurzeln im Erdreich gehalten hatten, in der Mitte einfach abgerissen wie Zahnstocher.“ Auch nachdem man die gröbsten Schäden beseitigt hatte, waren da immer noch 125 Schadensmeldungen bei der Forstverwaltung, die es abzuarbeiten galt. Laut Bresa kam eigenes Personal zum Einsatz, „aber auch Unternehmer und Baumkletterer aus ganz Europa“.
Über Monate war es verboten, den Wald zu betreten. Man habe viele umgestürzte Bäume liegenlassen, „Totholz ist ja ein wichtiger Lebensraum“. Sehr bald wuchsen in den entstandenen Lücken Bäume nach. „Im Witthausbusch kann man zum Beispiel junge Ahorne sehen, die eine solche Lücke geschlossen haben.“ Die neue Waldgeneration sei nicht durch Aufforstung begründet worden. „In allen betroffenen Gebieten gab es ausreichendes Potenzial an Mutterbäumen, sodass natürliche Verjüngung stattgefunden hat.“ Es sei übrigens denkbar, dass Ela noch immer die Finger im Spiel hat, wenn heute Baumschäden auftreten: Wenn damals zum Beispiel Baumkronen leicht verletzt wurden, können sich durch Fäulnisprozesse über die Jahre schwerwiegende Schäden entwickelt haben. Zum Teil müssten Bäume deshalb gefällt werden. Wichtig sei die regelmäßige Kontrolle.
Amt für Umweltschutz kontrollierte damals auch die Bäche in der Stadt, weil Hochwasser drohte
So wie damals auch zahlreiche Bäche in der Stadt überprüft wurden, vor allen jenen in Bereichen mit Hochwasserrisiko. Dort mussten Stämme aus dem Wasser gezogen werden, um Überschwemmungen zu verhindern. „Im Oberlauf des Rumbachs fielen stattliche Buchen dem Sturm zum Opfer“, erinnert sich Bresa. „Sie stauten das Bachwasser zurück - und verhinderten so eine massive Überschwemmung in der Innenstadt.“
Die Schadholzmenge betrug stadtweit rund 4000 Festmeter, „das entspricht dem jährlichen Zuwachs an Holz und stellte somit keine besondere Bedrohung des Waldes dar“. Leider aber habe man an mehreren Stellen Bäume verloren, die 150 Jahren oder älter waren, „das hat das Landschafts- und Waldbild verändert“. Baumspenden hätten geholfen im Raffelbergpark, entlang der B1 und im Witthausbusch. „Unser artenreicher Mischwald“, so Bresas Fazit, „ist heute stabil und gut aufgestellt.“ Eigentlich, findet sie, hat nur der Mensch ein Problem mit Stürmen, „die Natur nicht“.
Für die Kommune war Ela auch finanziell eine große Herausforderung
Für Mülheim war Ela auch finanziell eine Herausforderung: Insgesamt sind der Stadt durch den Orkan mehr als 8,8 Millionen Euro Schaden entstanden. Es flossen zwar Landesmittel, zudem Spenden und Schadensersatzleistungen. Doch rund 6,2 Millionen Euro sind an der Stadt hängen geblieben, sagt Stadtsprecherin Tanja Schwarze. „Diese Summe musste die Stadt 2014 zur Schadenbeseitigung ausgeben.“ Laut Ulrike Bresa sind etwa für „Aufarbeitungskosten“ am Kahlenberg und im Witthausbusch bis 2016 rund 725.000 Euro investiert worden. Auch die Instandsetzung der Wege fiel ins Gewicht: Allein im Witthausbusch ging es um vier Kilometer Wanderweg, allein dafür lagen die Kosten bei etwa 90.000 Euro.
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