Mülheim. Der Notruf war überlastet, es fehlten Kräfte und Fahrzeuge. Die Feuerwehr bewältigte die Sturmfolgen trotzdem - auch dank liebevoller Gesten.
Es gibt Ereignisse, die vergisst man nicht: Auch mit Orkan Ela, der Mülheim am 9. Juni 2014 heimgesucht hat, ist das so. Fast egal, wen man darauf anspricht: Die Geschichten dieses Pfingstmontagabends haben die meisten Leute sofort parat und es sprudelt nur so aus ihnen heraus. Auch Michael Lülf, stellvertretender Leiter der Mülheimer Feuerwehr, weiß noch genau, wie sich die Lage damals von jetzt auf gleich zuspitzte und die Einsatzkräfte ab dann über Tage rund um die Uhr beschäftigt waren.
„Ich hatte keinen Dienst mehr, aber der Dienstwagen stand noch vor der Tür“, erzählt der 46-Jährige. Als ihn eine Unwetterwarnung erreichte und auch der Blick aus dem Fenster nichts Gutes ahnen ließ, war er innerlich schon auf dem Sprung zurück in die Wache. Die Ereignisse überschlugen sich: „Es fing heftig an zu stürmen, in unserem Garten sind erste Bäume umgefallen und es goss wie aus Kübeln. Mit einem Mal hatten wir ganz viel Wasser im Keller.“ Darum aber konnte er sich jetzt nicht kümmern - denn von der Leitstelle wurde Lülf nur noch bestätigt: Komm sofort her, hieß es am Telefon. „Ich habe meiner Frau noch zugerufen, ,pass auf die Kinder auf‘, dann bin ich los.“
Der Weg von Mülheim-Saarn nach Broich dauerte im Unwetter viel, viel länger als für gewöhnlich
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Leider ging es keineswegs so schnell von Saarn zur Broicher Wache wie erhofft: „Sonst brauche ich für die Strecke fünf Minuten, diesmal war es eine Dreiviertelstunde.“ Die Straßburger Allee war unpassierbar wegen umgestürzter Bäume, das Dorf Saarn auf Höhe der Evangelischen Kirche überflutet. Über Markenstraße und Nachbarsweg kam Lülf schließlich durch, „dabei habe ich noch selbst einen Baum abgekriegt“. Er konnte weiterfahren, „aber das hat mich schon beunruhigt“. Probleme durchzukommen, hatten auch andere Kollegen. „Ich war noch einer der ersten auf der Wache.“
Was er dort erlebte, habe er sich vorher kaum vorstellen können, sagt der 46-Jährige. Es gingen derart viele Notrufe gleichzeitig ein, dass alle 40 Plätze in der Warteschlange permanent belegt waren, und zwar weit bis in den kommenden Tag hinein. Man habe nicht gewusst, wie viele Menschen tatsächlich anrufen, „und ob die echten Notfälle durchdringen“. Auch an anderer Stelle reichten die Kapazitäten nicht mehr: „Es gingen viele Brandmeldeanlagen gleichzeitig los, in der U-Bahn, in Altenheimen, in Firmen. Und es war klar, dass wir nicht genug Fahrzeuge für alles haben.“ Konzentriert habe man sich deshalb auf Orte, an denen viele Personen in Gefahr waren oder an denen die Lage brenzlig war. Beispiel? „Ein Baum ist auf eine Gasverteilerstation gestürzt und Gas ist ausgetreten.“
Zunächst wurden alle Mülheimer Kräfte alarmiert, dann noch überörtliche im großen Stil angefordert
Zunächst wurden alle Kräfte vor Ort alarmiert, dann überörtliche angefordert. Bei dem Chaos in der Stadt habe man Sorge gehabt, im Notfall nicht schnell genug zu sein. Wer Leben retten will, muss fix sein - oder kurze Wege haben. „Wir haben deshalb überall Kräfte des Rettungsdienstes und Ärzte verteilt.“ Geschont habe sich damals niemand, „wir waren quasi zwei Wochen im Dauereinsatz, das war kräftezehrend“. Zumal man in einer solchen Situation und „unter Adrenalin“ auch in der Pause kaum zur Ruhe finde. „Man weiß ja, dass die Kollegen weiter an der Schüppe sind und will sie ablösen.“
Feuerwehrchef Sven Werner spricht von „einem der größten und vor allem langwierigsten Einsätzen seit dem Zweiten Weltkrieg“, über zwei Wochen seien täglich bis zu 600 Einsatzkräfte in Mülheim zugange gewesen. „Es war das einzige Mal, dass so viele Externe zur Unterstützung kamen, sogar aus Niedersachsen.“ Es war herausfordernd, sie zu koordinieren und zu versorgen, mit Essen, Trinken, Kraftstoff. Insgesamt, so Werner, wurden damals „gut 3000 Einsätze abgearbeitet“.
Feuerwehrchef: „Wir haben durch Ela einiges gelernt und Abläufe hinterher verändert“
Auf ein derartiges Unwetter und seine Folgen könne man sich „nur bedingt vorbereiten“. Wichtig sei, immer die passende Ausrüstung vorzuhalten, etwa ausreichend Motorsägen. „Da haben wir durch Ela noch einiges gelernt“, so Werner. Auch interne Abläufe seien im Nachgang optimiert worden. „Und wir haben zusätzliche Ausrüstung angeschafft wie Tankanlagen für Dieselkraftstoff, damit Fahrzeuge auch während des Einsatzes vor Ort betankt werden können.“
Laut Werner wird Ela für die Feuerwehr Mülheim „eines der größten Ereignisse in der Geschichte“ bleiben. Stellvertreter Michael Lülf erinnert sich an 28 Drehleiterfahrzeuge, die im Stadtgebiet unterwegs waren, „dabei haben wir selbst nur drei“. Für ihn zählt rückblickend aber nicht nur das Engagement der Profis. Er schwärmt auch von der normalen Bevölkerung. „Die Hilfsbereitschaft vieler Mülheimer war einzigartig. Sie haben Kuchen vorbeigebracht oder einfach mal Danke gesagt. Das baut extrem auf und hilft, über Grenzen hinauszugehen.“
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