Mülheim. Das Festival „Rausch 2“ startet am 3. November im Theater an der Ruhr in Mülheim mit einer Performance. Worum es in „Shağaf/Singing Hearts“ geht.
„Shağaf/Singing Hearts“ (Versuch über rituelle Tranceerfahrungen der Liebe) lautet der Titel der Uraufführung, die am Freitag, 3. November, um 19.30 Uhr im Theater an der Ruhr zu erleben ist. Die international bekannte syrische Schauspielerin und Regisseurin Amal Omran und Rupert Seidl, Schauspieler vom Theater an der Ruhr, nehmen die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine Hadra, eine rituelle Handlung aus dem Sufismus.
Was ist, kurz gesagt, der Sufismus?
Seidl:Der Sufismus ist eine sehr alte religiöse Bewegung innerhalb des Islams. Es gibt aber auch Sufis aus anderen Religionen – zum Beispiel aus dem Hinduismus und dem Christentum. Sufisten lösen den spirituellen Inhalt aus der Religion heraus. Es geht nicht darum, eine Rechtsprechung wie etwa in der Scharia oder eine Gesellschaftsordnung zu etablieren. Die Sufis suchen nach einem persönlichen Weg, sich mit dem Spirituellen wieder zu vereinen. Es geht ihnen um das Loslassen von ideologischen Strukturen, von Orthodoxie und Dogmatismus. Der Sufismus basiert auf dem Affekt der Liebe, der Liebe zu Gott – und die Sufis sind die Verliebten.
Renommierte Künstler aus Syrien auf Mülheimer Bühne
Und was genau ist eine Hadra?
Eine Hadra zählt zu den religiösen Formen des Sufismus, die zum Beispiel in alevitischen Gottesdiensten zelebriert werden. Dort geht es weniger um das Formulieren von Glaubenssätzen als um das direkte und kollektive Erleben, das Einswerden der Menschen mit sich und mit Gott. Musik, Gesang und Tanz und auch das Atmen spielen dabei eine große Rolle. Wir führen eine moderne Hadra vor, eine Performance, die das Gedankengut des Sufismus lebendig werden lässt.
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Sie sind bei der Performance zu viert...
Ja, neben uns beiden sind auch Noma Omran, eine international renommierte Opernsängerin, Vokalistin und Darstellerin sowie der bekannte Musiker und Tänzer Muhammad Tamim an der Performance beteiligt. Die Inszenierung stammt von Amal Omran, aber der angesehene syrische Filmregisseur Ossama Mohammed, der sich mit Sufismus und dem Alevitentum sehr gut auskennt, fungierte als Supervisor bei der Produktion.
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Haben Sie selbst Erfahrungen mit Sufismus, Hadra und Trance gemacht?
Amal Omran stammt aus einer alevitischen Familie, ihr Großvater und ihr Großonkel waren Sufi-Geistliche, diese liebevollen Männer haben sie geprägt. Für sie selbst ist der Sufismus heute der Weg, um sich als Mensch und Künstlerin zu emanzipieren und ihre eigene Spiritualität zu finden. Wir Performer treten, sobald wir die Bühne betreten, aus uns – aus unserem Ich – heraus, erschaffen eine andere Person und eine andere Realität, sind so etwas wie Schamanen und befinden uns in einem besonderen Zustand.