Moers/Neukirchen-Vluyn/Krefeld. Die SPD muss bei der Bundestagswahl auch in Moers und Neukirchen-Vluyn Verluste hinnehmen. Freude herrscht beim AfD-Kandidaten. Die Details.

Es gibt eine große Gewinnerin der Wahl: Das ist die Wahlbeteiligung. Deutschlandweit lag die bei rund 84 Prozent. Und auch im Wahlkreis Krefeld II - Wesel II haben 80,89 Prozent der Wählerinnen und Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht.

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Im Wahlkreis Wesel II – Krefeld II lieferten sich die beiden Direktkandidaten Kerstin Radomski (CDU) und Jan Dieren (SPD) ein enges Rennen. Am Ende erhielt Radomski mit 31,91 Prozent die meisten Stimmen, Dieren bekam 30,29 Prozent. Hauke Finger, der Kandidat der AfD, erhielt 16,8 Prozent, Ulle Schauws (Grüne) 8,68. Bei den Zweitstimmen lag die CDU am Ende vorn (28,86), vor der SPD (22,38) und der AfD (16,6 Prozent).

Bundestagswahl in Moers: SPD mit herben Verlusten

Am längsten zählten die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Krefelder Norden die Stimmen aus. Um 23.30 Uhr waren hier die letzten zwei verbleibenden Wahlkreise ausgezählt. In Moers und Neukirchen-Vluyn dagegen stand gegen 21 Uhr fest, wie die Wähler votiert hatten. In der Grafenstadt mussten die Sozialdemokraten richtig Federn lassen; im Vergleich zur letzten Bundestagswahl im Jahr 2021 verloren sie 11,19 Prozent der Zweitstimmen und müssen sich nun mit 24,93 Prozent als zweitstärkste Kraft hinter der CDU (26,6) sehen. Die AfD hat mehr als zehn Prozent gewonnen und liegt in Moers auf dem dritten Platz in der Wählergunst mit 18,11 Prozent. Und auch die Linke hat in der Grafenstadt zugelegt, sie konnte ihr Ergebnis gar fast verdoppeln auf 8,05 Prozent. Die Grünen erhielten am Ende 9,39 Prozent.

In Neukirchen-Vluyn büßten die Sozialdemokraten ebenfalls ihre Führungsposition ein; sie verloren zehn Prozent im Vergleich zur Wahl 2021 und erzielten nun 24,74 Prozent, die CDU gewann leicht und erzielte 28,88 Prozent. Drittstärkste Kraft ist auch hier die AfD, die sogar rund elf Prozent mehr Stimmen bekam als bei der letzten Bundestagswahl. Die Grünen erhielten 10,39 Prozent.

Die Moerser Christdemokraten hatten sich auf einen langen Abend eingestellt

Die beiden Direktkandidaten lieferten sich insbesondere in Neukirchen-Vluyn ein Kopf-an-Kopf-Rennen, am Ende behielt hier Jan Dieren (SPD) mit 32,12 Prozent leicht die Nase vorn vor Kerstin Radomski (CDU) mit 32 Prozent. In Moers erhielt Dieren 34,54 und Radomski 28,66 Prozent. Mithin wurde klar, dass sich das Rennen der beiden um das Direktmandat in Krefeld entscheiden würde, wo Kerstin Radomski mit Abstand vorne lag.

Jan Dieren (SPD) muss um den Einzug in den Bundestag bangen.
Jan Dieren (SPD) muss um den Einzug in den Bundestag bangen. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Bei den Moerser Christdemokraten hatte man sich schon auf einen langen Abend eingestellt. Die CDU-Kandidatin Kerstin Radomski muss das Direktmandat bekommen, ihr Listenplatz reicht nicht für den Wiedereinzug in den Bundestag. Sie sprach von einer zuletzt guten Stimmung an den Wahlständen. Und so zeichnete sich auch ab, dass es für die Krefelderin am Ende reichen wird. „Ich freue mich, dass ich es mit Vorsprung geschafft habe“, sagte Radomski im Gespräch mit der Redaktion. Fraglich sei noch, ob sie zu jenen gehören würde, deren Direktmandat bedingt durch das neue Wahlrecht gestrichen würde. Hier zeigte sie sich aber zuversichtlich, dass es für sie reichen wird.

Jan Dieren (SPD) aus Moers: „Das Ergebnis ist Mist“

Jan Dieren fand schon mit Blick auf die Hochrechnungen deutliche Worte: „Das Ergebnis ist Mist“, sagte er im Gespräch mit der Redaktion. „Man muss klar sagen, dass das Ziel, stärkste Kraft zu bleiben, sowas von verfehlt wurde.“ Die SPD hätte es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, den Menschen zu vermitteln, dass die Partei für ihre Interessen kämpft, so Dieren. Mit Blick auf die Umfragen im Vorfeld betonte er: „Das war keine Überraschung.“ Bleibt die Frage, ob bei Jan Dieren die Liste zieht. Ob Dieren in den Bundestag zieht, hänge von zwei Faktoren ab, heißt es bei den Moerser Sozialdemokraten. Zum einen, ob das BSW den Einzug in den Bundestag schafft, zum anderen von der Tatsache, welche Wahlkreise in NRW von der SPD gewonnen werden. 

Ulle Schauws formulierte ihre Sicht der Dinge am Wahlabend sehr deutlich: „Ja, wir hätten uns einen Tick mehr erhofft“, sagte sie. Die grüne Bundestagsabgeordnete selbst dürfte dennoch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wieder in den Bundestag einziehen. Mit ihrem Listenplatz fünf sei sie „definitiv drin“, sagte sie. Und weiter freut sie sich über das große Vertrauen ihrer Partei in ihre Arbeit, die Rückendeckung und Solidarität.

AfD-Kandidat Hauke Finger ist optimistisch

Und das Ergebnis der AfD? „Das ist bitter“, betonte sie. „Um die 20 Prozent auch in unserer Region“ – dabei verweist sie auf die große Demo, bei der am Samstag noch mal Tausende in Krefeld auf die Straße gegangen sind. „Ein starkes Signal“, findet die Bundestagskandidatin der Grünen. Und Ulle Schauws blickt auch auf mögliche Gespräche. „Wir stehen in der Verantwortung für mögliche Gespräche bereit“, führte sie aus. Aber nur, wenn die Union bereit sei, an der Haltung von Friedrich Merz Änderungen vorzunehmen und es mithin einen Kanzler für alle gibt. Merz sei ein schwieriger Partner und habe nun „seine Maske fallengelassen“. Ulle Schauws ist entsetzt: „Das war so unfassbar.“ Der Kanzlerkandidat habe so viele Menschen beleidigt. Klare Worte: „Der steckt in irgendeiner Blase, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat.“

Hauke Finger (AfD) ist optimistisch, in den Bundestag zu ziehen.
Hauke Finger (AfD) ist optimistisch, in den Bundestag zu ziehen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Als „sehr erfreulich“ bewertet AfD-Kandidat Hauke Finger das Wahlergebnis am Sonntagabend. „Da können wir sehr zufrieden sein, vor allem, wenn man sieht, wo wir herkamen“, sagt er, und spielt auf die im Vergleich schlechteren Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen an. „Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Er habe viel Zuspruch aus der Bevölkerung erhalten, spricht von einem „tollen Wahlkampf“. Dass er in den Bundestag einzieht, davon geht er aus. Finger steht auf der Landesliste auf Platz 18. „Ich freue mich, die Interessen des Niederrheins vertreten zu können.“ Besonders in der Finanzpolitik möchte Finger, der als Koordinierungsreferent in der AfD-Bundestagsfraktion arbeitet, zukünftig Akzente setzen.

FDP-Kandidat: Partei könne mit Ergebnis nicht zufrieden sein

Angespannt, aber zuversichtlich – so beschrieb FDP-Kandidat Florian Philipp Ott die Stimmung nach den ersten Hochrechnungen. Diese sahen die Liberalen am Wahlabend bei 4,9 Prozent. „Wir bereiten uns alle auf eine längere Wahlnacht vor“, sagte Ott auf dem Weg zur Wahlparty in Moers gegenüber unserer Redaktion. Im Laufe des Wahlabends sanken die Zustimmungswerte der FDP auf 4,5 Prozent. Seine Partei könne mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein und müsse es mit Demut entgegen nehmen, meint Ott: „In den kommenden Wochen gilt es, das aufzuarbeiten und zu schauen, wie wir uns in Zukunft besser aufstellen können.“ In einem Scheitern seiner Partei an der Fünf-Prozent-Hürde sieht der 37-Jährige indes „nicht das Ende der FDP“.

Die Linken-Kandidatin Edith Bartelmus-Scholich ist sehr zufrieden. „Der hohe prozentuale Zuwachs gibt unserer konsequenten Haltung bei der Frage, ob man mit der AfD gemeinsam abstimmt und Verschärfungen bei der Migration bejaht, recht“, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Die Linke habe im Wahlkampf ausgezeichnet, dass sie die einzige Partei war, welche die soziale Frage in den Mittelpunkt gestellt hat, erklärt sie. Der Erfolg zeige sich auch an den zahlreichen Neumitgliedern.