Neukirchen-Vluyn. Monica Hill betreibt ehrenamtlich den Verein „Wilde-Igel-Hilfe“. Was sie täglich erlebt, geht unter die Haut. Ans Aufgeben denkt sie aber nicht.
Monica Hill hat alle Hände voll zu tun. 30 Igel beherbergt die Neukirchen-Vluynerin derzeit in ihrer Auffangstation. Und was sich dort abspielt, ist oft herzzerreißend. „Die meisten kommen komplett ausgehungert oder schwer verletzt durch Mähroboter hier an“, schildert Hill. Gartenbesitzer oder Spaziergänger finden die kleinen stacheligen Tiere und bringen sie zu der Expertin, die die Igel mit ganz viel Fürsorge und Pflege wieder versucht aufzupäppeln. Nicht immer gelingt das. „Ich sehe eigentlich sofort, ob der Igel es schaffen wird“, sagt Hill, die den Verein Wilde-Igel-Hilfe seit 2019 betreibt. „75 Prozent kommen durch, ich kämpfe um jeden einzelnen.“
Und das ist ein Vollzeitjob: Hill erhält täglich zehn Anrufe von Findern und ist der Igel einmal bei ihr, braucht er viel Aufmerksamkeit. Wenn die Tiere bei ihr ankommen, sind sie meist in einem schlechten Zustand, dann läuft die Zeit. Hill entfernt als erstes mit einer Pinzette oder einer Zahnbürste Fliegeneier, da diese sich sehr schnell in Maden wandeln können. Danach geht es darum, den Igel zu wärmen. Alle Tiere haben eine fliegensichere Plastikbox, unter der eine Heizdecke liegt und die mit einem Handtuch oder einer Decke ausgelegt wird. 25 bis 26 Grad sind es in den Boxen, bei den ganz Schwachen und Kleinen bis zu 29 Grad.
Monica Hill über Igel: „Das sind richtige Gourmets“
Danach gibt es Wasser und Futter. „Fast alle sind völlig verhungert“, sagt Hill. Das sehe man direkt am sogenannten Hungerknick, der Fettreserve im Nacken, die fehle. „Wenn die nicht da ist, sind oft schon die Organe betroffen.“ Der Igel isst längst nicht alles, kein Obst, kein Gemüse, kein Getreide. „Das sind richtige Gourmets, noch spezieller als Katzen“, erklärt Hill. Hauptsächlich brauchen die Stacheltiere Fleisch, deswegen hat die Expertin ganze Schränke voll stehen mit Katzenfutter, auch Rührei, Hähnchenflügel oder Rinderhackfleisch gekocht mögen die Igel. Für die Babys gibt es besondere Milch, für die ganz Schwachen ein hochkalorisches Tonikum.
Alleine könnte die Neukirchen-Vluynerin die Arbeit nicht bewältigen, mittlerweile hat sie sechs Helferinnen und Helfer. Tagsüber werden die Igel in Ruhe gelassen, da sie nachtaktiv sind, aber abends wird es in dem kleinen Raum richtig geschäftig. „Alle Boxen müssen gereinigt werden, dann werden die Igel gewogen und Näpfe wieder aufgefüllt, die Verletzten gebadet, untersucht und mit neuen Medikamenten versorgt“, erklärt Hill. Die Tierliebhaberin ist fast schon ausgestattet wie eine kleine Klinik, Arzneien, medizinische Geräte, Salben und vieles mehr stapeln sich in den Regalen.
700 Kotproben jährlich kommen in der Auffangsstation zusammen
„Ich mikroskopiere auch selbst täglich den Kot, das habe ich mir alles über den Verein Pro Igel angelesen“, so Hill. 700 Kotproben jährlich nimmt sie mittlerweile, um zu schauen, ob Würmer, Darmparasiten oder ähnliches vorhanden sind. „Das Problem ist, dass die Igel aufgrund der hohen Insektensterblichkeit keine geeignete Nahrung mehr finden und dann Schnecken essen. Davon bekommen sie aber Lungenwürmer, die sie abhusten müssen.“ So wie bei Mel, die sich in ihrer Tagruhe etwas gestört fühlt, aus ihrem Kuschelsack herauskommt und hustend in ihrer Box umhertapst. „Sie wurde vom Mähroboter erwischt, genau wie Scholzi“, erzählt Hill und zeigt auf einen einjährigen Igel, der bereits als Baby das erste Mal bei ihr war. „Dann wurde er ausgewildert und einige Zeit später total zerfetzt zu mir zurückgebracht. Er hat wochenlang nicht gefressen, ich habe sehr um ihn gekämpft.“
Der Lebensraum der Igel, erklärt die Expertin, werde immer kleiner, gefährdet sei er vor allem durch Gartengeräte und das fehlende Futter. „Mittlerweile ist er das ganze Jahr vom Aussterben bedroht“, sagt Hill. Es sei ein Kampf gegen Windmühlen, da immer mehr Wiesen abgemäht würden, vor allem in den Städten kaum noch Lebensraum bestehe. Sie rät, für den Igel immer genügend Laub liegenzulassen, Totholzecken zu schaffen und Wasser hinzustellen. „Wir versuchen als Verein ein Bewusstsein für den Igel zu schaffen“, so die ehemalige Erzieherin. Sie geht regelmäßig in Kindergärten und Schulen, um spielerisch aufzuklären.
2023 hat Hill 340 Igel aufgenommen
Zu der praktischen Arbeit kommt bei Hill noch alles administrative. „Der größte Teil meiner Arbeit ist Finderaufklärung, dazu kommt die Beschaffung aller Materialien sowie Futter“, sagt Hill. Drei Maschinen Wäsche pro Tag hat sie durch die vielen Handtücher und Decken. Der Verein finanziert sich komplett über Spenden. „Ohne die ginge es nicht, alleine die spezielle Nahrung ist unfassbar teuer.“ 340 Tiere hatte Hill 2023 in ihrer Auffangstation, davon 58 Babys. „Wenn ich Videos bekomme, wie die Igel sich irgendwann wieder in Freiheit bewegen, ist das die schönste Belohnung“, sagt Hill, die auch andere Igel-Freunde ausbildet. „Pflegestellen gibt es leider viel zu wenige, in Moers und Rheinberg zum Beispiel gar keine mehr. Und in der Tierklinik werden sie meist sofort eingeschläfert.“
Wer einen Igel findet, der tagsüber unterwegs ist, oder in Not geraten ist, kontaktiert am besten immer sofort eine Pflegestelle und macht sich parallel an die oben beschriebene Erstversorgung. Wer die Igel-Hilfe unterstützen möchte, kann das auf verschiedene Art und Weise machen. Es ist möglich Fördermitglied zu werden, Infos und Anträge gibt es auf der Homepage. Dort findet sich auch die Paypal-Adresse und die Bankverbindung des Vereins, der von Spenden lebt. Ebenfalls auf der Homepage ist die Amazon-Wunschliste mit Dingen, die benötigt werden, zu finden. Am 26. Oktober findet im DRK Klingerhuf eine Spenden-Lesung der Autorin Moe Teratos statt, der Eintritt geht komplett an den Verein. Los geht es um 19 Uhr an der Wilhelm-Reuter-Allee 1. Um Voranmeldung unter moe-teratos@gmx.de wird gebeten.