Neukirchen-Vluyn. Eine neue App unterstützt die Pflegekräfte in der Einrichtung „Carpe diem“ bei der Arbeit. Warum dadurch mehr Zeit für die Bewohner bleibt.
Wundversorgung, Blutzuckerkontrolle, Arztvisiten oder Trinkprotokoll: Wenn Pflegekräfte bei den Bewohnerinnen und Bewohnern im Zimmer sind, haben sie meist viel zu tun. Vieles muss gemessen, überprüft und eingetragen werden, damit der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen genau protokolliert werden kann. Im Senioren-Park Carpe Diem in Neukirchen-Vluyn geschieht das jetzt mithilfe einer neuen App namens „Voize“. Sie unterstützt die Pflegekräfte seit Mitte Juni maßgeblich bei der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentation. Alle haben nun ein Smartphone bei sich, wenn sie bei den 85 stationären Bewohnerinnen und Bewohnern vorbeischauen und können alle Infos ins Handy sprechen.
„Es ist auch gar nicht notwendig, irgendetwas zu tippen, man braucht wirklich nur sein Passwort eingeben und auf den Mikro-Button drücken“, erklärt Einrichtungsleiterin Annabel Richter. Die App speichert die entsprechenden Infos sofort unter dem richtigen Reiter, versteht, ob es um ein Schmerzprotokoll geht oder darum, ob der Bewohner sich heute schon bewegt hat. 35 Smartphones sind in dem Senioren-Park an der Gartenstraße vorhanden, sie werden alle an einem zentralen Ort geladen und desinfiziert, bevor eine Pflegekraft sie zur nächsten Schicht wieder mitnimmt.
„Ich dachte erst, dafür bin ich zu alt“
„Wir haben direkt zu Beginn alle Angestellten, die damit arbeiten sollen, geschult und sehen jetzt an den Nutzungsdaten, dass die neue Arbeitsweise wirklich sehr, sehr gut angenommen wird“, sagt Richter, die seit Ende 2022 Leiterin des Pflegeheims ist. Sie ist begeistert davon, wie viele Möglichkeiten „Voize“ bietet und wie einfach die App zu handhaben ist. „Selbst Mitarbeiter, die privat gar kein Smartphone haben, sind schnell gut damit klargekommen“, erzählt Richter.
Aber klar, anfangs habe es noch bei dem ein oder anderen geruckelt. „Ich dachte erst, dafür bin ich zu alt“, gibt Pflegeassistentin Elke Gentsch lachend zu. Doch jetzt will sie die App nicht mehr missen. „Die Zeitersparnis ist schon enorm“, sagt sie. Bis zu 45 Minuten pro Schicht spart sie mittlerweile durch die digitale Dokumentation ein. Zeit, die sie so mehr mit den Bewohnerinnen und Bewohnern verbringen kann, bei einem Spaziergang oder „Mensch ärger dich nicht“.
Früher gab es nur die Zettelwirtschaft
Zuvor hatten die Pflegekräfte es wie in vielen anderen Jobs mit einer wahren Zettelwirtschaft zu tun, die wesentlich aufwendiger und zeitraubender gewesen sei. „Dann hat man sich die Flüssigkeitsbilanz notiert und darunter die Blutwerte und dann ging es ins nächste Zimmer, bis man irgendwann dazu kam, das Ganze im Büro in den PC einzutippen“, erklärt Gentsch, die seit 14 Jahren im Carpe Diem arbeitet. Natürlich sei da zwangsläufig auch schon mal etwas durcheinander gekommen oder man sei eben erst Stunden später zur Dokumentation am PC gekommen, weil immer wieder etwas dazwischen kam.
Jetzt lasse sich alles sofort protokollieren, was die gesamte Dokumentation auch für die Angehörigen deutlich aktueller und umfangreicher mache. „Wenn sie zu Besuch sind, brauchen wir nur kurz aufs Smartphone schauen, um die gewünschten Infos abzurufen“, sagt Gentsch. Bei der Spracherkennung wird die App durch KI unterstützt, erkennt dadurch auch verschiedene Akzente und Dialekte und korrigiert Rechtschreibung und Grammatik. Künftig, erklärt Annabel Richter, sollen so auch das Erstgespräch und die Pflegeplanung aufgezeichnet werden, zwei Arbeitsschritte, die in der Dokumentation bislang noch besonders viel Zeit kosten. Auch eine Patientenverfügung solle bald sofort einsehbar sein.
Datenschutzrechtlich eine sichere Sache
Angehörige und Bewohner zeigten sich von dem digitalen Sprachassistenten direkt begeistert - wohl auch, weil es datenschutzrechtlich keinerlei Bedenken gibt. „Die Smartphones sind nur hier im WLAN nutzbar“, so Richter. Von 35 Einrichtungen, die zu den Carpe Diem-Gesellschaften gehören, sind fast 20 mit „Voize“ ausgestattet, bis Jahresende sollen alle darüber verfügen. Die App gibt es seit vier Jahren, Marcel Schmidtberger hat sie gemeinsam mit seinem Bruder und einem anderen Freund entwickelt. 400 Einrichtungen deutschlandweit nutzen sie mittlerweile.
„Für uns ist das nicht selbstverständlich, denn bei der Digitalisierung in der Pflege gibt es noch viel Aufholbedarf“, weiß Richter. Daher sei sie besonders begeistert gewesen, dass Carpe Diem diesen Weg gegangen ist.