Moers. Am Samstag hat Wolfgang Krebs im Hülsdonker Bahnhof in Moers die Abschluss-Biere ausgeschenkt. Der Wirt macht die Kneipe zu. Aber nicht so ganz.
Die Bude bebt. Abschied im „Hülsdonker Bahnhof“. Niemand weiß heute Abend, auf welcher Seite mehr Tränen fließen. „Ja, irgendwann muss ja Schluss sein“, sagt Wolfgang Krebs, den alle nur Krabbe nennen, ganz cool. Für den bitteren Schritt gibt es ja genügend nachvollziehbare Gründe in diesen Zeiten. Aber cool ist der Abschied nicht. Herzlich, warm, emotional und freundschaftlich eng verbandelt, geht es an diesem allerletzten Abend zu. Wo bleiben in Zukunft die Quätschchen an der Theke? Wo ist das offene Ohr, wenn man Liebeskummer hat? Wer hört zu, wenn mal wieder Knatsch im Job ist? Die Trauer ist groß. Eine Ära geht zu Ende.
Es sind auch für den beliebten Wirt keine einfachen Stunden. Aber Krabbe, die Institution, bleibt sich treu. Es wird gefeiert – wie so oft in den vergangenen fast 33 Jahren. Auch Erinnerungen bringen schöne Träume. Ein verrückter Lebensweg war es bisher, aber jede Station war passgenau, gerade richtig.
Auch Krabbes Vater war Gastronom
In Homberg-Hochheide ist das „Niederrhein-Kind“ aufgewachsen, hat Sozialwissenschaften studiert, eine Lehre als Bergmechaniker abgeschlossen, unter Tage gearbeitet, eine Lehre als Schreiner angefangen und dann den Hülsdonker Bahnhof übernommen. Erst gepachtet, später gekauft. „Ich habe schon als junger Mann gerne gekocht. Das hab’ ich im Blut, mein Vater war Gastronom“, verrät er. Und sagt ganz selbstbewusst: „Ich kann sehr viel.“
Aber trotz seines Könnens konnte er nicht verhindern, dass das Küchenpersonal in Coronazeiten abhanden kam. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Jetzt sind die tragenden Säulen nicht mehr da.
Verrückt ging es zu in den Jahrzehnten auf 1500 qm Grundstück einschließlich Biergarten und Bouleanlage. „Wir haben damals öfter Mottopartys gemacht. Für eine Beachparty hab’ ich eine Lkw-Ladung Sand herbringen lassen. Die passenden Palmen haben wir aus Pappe gebaut. Die Leute haben glücklich im Sand gesessen und es sich gut gehen lassen.“
Für ein gelungenes Oktoberfest hat Krabbe vor Jahrzehnten die normale Bestuhlung nach draußen geschleppt und die Biergarten-Garnituren ins Innere. Zünftig in blau-weiß ließen es die Gäste bei Weißwurst und Bier krachen. Auch hochkarätige Theatervorstellungen holte „die Institution“ nach Moers.
Einer, der wie kaum ein anderer Krabbe in den Jahrzehnten begleitet hat, ist Klaus Meyer-Böring. Der 65-Jährige sagt nur: „Ich war schon bei der Eröffnung mit dabei. Es ist traurig.“ Mit Freunden sitzt er an diesem letzten Abend in dem traumhaften Wintergarten unter Zelten bei gemütlicher Beleuchtung und schwärmt von der Vergangenheit. „Was haben wir hier für tolle, laue Sommernächte erlebt.“
Jetzt hofft er inständig, dass zumindest die Boule-Gruppe, die zweimal in der Woche die Kugeln wirft, weitermachen darf. Diese Hoffnung teilt genauso Peter Schüttler. Der 66-Jährige ist nicht von Anfang an mit dabei, aber auch er möchte im Hülsdonker Bahnhof weiter die „Kugeln stoßen“. Kleiner Hoffnungsschimmer: „Ich kann mich ja hier nicht einfach so losreißen“ räumt Krabbe ein. Ein ganz großes „Danke“ sagt er seinen treuen Gästen am heutigen Abend. Seiner Frau sowieso, aber auch beiden Töchtern. „Die haben mich bis zu letzten Sekunde unterstützt.“
>> Gesellschaften können weiter kommen <<
Noch einen Absacker mal eben bei Wolfgang Krebs im Hülsdonker Bahnhof schlürfen – das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Aber: Niemals geht man so ganz. Die „Institution“ wird weiter für Gesellschaften ab 20 Personen da sein. Wolfgang Krebs hat vor, Büfetts für Gruppen zu machen, das sei planbar.
Beim schmerzvollen Abschied mit dabei waren am Samstagabend die Samba-Marching-Band der Musikschule und der Posaunenchor Neukirchen. Darüber hat er sich riesig gefreut.
Als absolute Überraschung traten dann noch zwei Musikerinnen und ein Musiker auf – auf Klavier, Fagott und Geige spielten sie Schostakowitsch. „Es war überwältigend“, schwärmt der 68-Jährige.