Kreis Wesel. Könnte der kommunale Landkauf zum Schutz von Kiesflächen strafbar sein? Ein Kurzgutachten kommt zu dem Schluss. Politik und Landrat sind gelassen.
Die Debatte um eine Erweiterung der Auskiesungsflächen im Kreis Wesel ist um eine Facette reicher. Eine Unternehmensgruppe hat ein juristisches Kurzgutachten in Auftrag gegeben, das sich unter anderem mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen auseinandersetzt, falls der Kreistag für den Ankauf von potenziellen Auskiesungsflächen stimmen sollte, um weiteren Kiesabbau zu verhindern. Darin kommt ein Rechtsprofessor zum Ergebnis, dass sich sowohl Kreis als auch Kreispolitik unter gewissen Umständen beim Ankauf der Flächen der Untreue strafbar machen könnten.
Hintergrund ist der im Dezember beschlossene Antrag von CDU, Grünen und Freien Wählern im Kreistag, prüfen zu lassen, ob die Flächen über das kommunale Vorkaufsrecht erworben und so vor dem Abbau geschützt werden können. Die Stadt Neukirchen-Vluyn hat bereits deutlich gemacht, dass sie sich solch einen Schritt vorstellen könnte. Auch Landrat Ingo Brohl hat sich in einem Interview mit dieser Redaktion mit der Möglichkeit befasst. Damit trafen sie bei der Kiesindustrie offenbar einen Nerv. Ein Unternehmen bringt sich demnach nun rechtlich in Stellung, für den Fall, dass die Kiesflächen nach der Offenlage tatsächlich im Regionalplan bleiben sollten.
Das Kurzgutachten kommt zu dem Schluss, dass sich ein kommunales Vorkaufsrecht mit dem Ziel der Verhinderung zukünftiger Kiesabgrabungen weder auf planungssichernde noch auf naturschutzrechtliche Gründe berufen könne. Außerdem soll es einen Verstoß gegen Grundsätze des kommunalen Haushaltsrechts darstellen, da es sich beim Erwerb dieser Grundstücke um eine unwirtschaftliche Ausgabe handele. Das Kurzgutachten leitet daraus einen bewussten und gewollten Einsatz öffentlicher Mittel ab, durch den sich Landrat und Kreistagsmitglieder der Untreue strafbar machen könnten.
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Das Gutachten soll am Donnerstag den Kreistagsfraktionen und Landrat Ingo Brohl zugegangen sein. CDU-Fraktionschef Frank Berger nahm den Vorstoß gelassen. Dass man seinen Standpunkt rechtlich überprüfen lasse, sei absolut legitim. Immerhin zeige dieses Vorgehen auch, „dass wir ernst genommen werden“. Grünen-Fraktionschef Hubert Kück sieht das Gutachten als weiteren Beweis für mangelndes Problembewusstsein der Kiesindustrie an, die „die Mentalität der Kiesbarone von vor 100 Jahren“ an den Tag lege, denen egal sei, wie der Niederrhein aussehe. Linken-Fraktionsvorsitzender Sascha H. Wagner macht sich unterdessen lustig: „Ich weiß noch nicht, was lächerlicher ist. Das Kurzgutachten selbst oder die Tatsache“, dass es auch noch verschickt worden sei.
Landrat Ingo Brohl meldete sich auf Anfrage aus dem Urlaub zu Wort. Er teile die Zielrichtung des politischen Auftrags, die Möglichkeiten eines Landkaufs für den Schutz von landwirtschaftlichen Flächen und der niederrheinischen Kulturlandschaft durch den Kreis zu prüfen. Er bezieht sich insbesondere auf den Klima- und Umweltschutz sowie der vom Land NRW geförderten „Ökomodellregion Niederrhein“ zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft. Allein vor diesem Hintergrund, so der Landrat weiter, „erscheint schon die Eingangsthese des Kurzgutachtens, dass eine mögliche Ausübung des Vorkaufsrechtes eine reine ‚Verhinderungs-Ausübung‘ darstelle, mindestens fraglich“. Bei der Erstellung des Berichts zum Vorkaufsrecht werde man eine Bewertung des Kurzgutachtens vornehmen. „Der Kreisverwaltung sind mögliche Grenzen des Vorkaufsrechts bekannt.“