Neukirchen-Vluyn. Wegen ihrer Rollen in der NS-Zeit möchte die Stadt unter die Namen von fünf Straßen und Plätzen Indexschilder setzen. Umbenennung sei zu teuer.

Die Biografien dreier Namensgeber für Straßen und Plätze in Neukirchen-Vluyn stehen erneut zur Debatte. Weil eine Umbenennung zu teuer und zu aufwendig wäre, möchte die Verwaltung unter die Straßenschilder der Ina-Seidel-Straße, des Hindenburg-Platzes sowie der Weddigenstraße, Weddigenallee und des Weddigenplatzes Ergänzungstafeln schrauben, die die Rolle der Namensgebeber in der NS-Zeit richtig einordnen. Einen entsprechenden Beschlussvorschlag hat die Verwaltung für den Stadtentwicklungsausschuss am 15. September formuliert.

Den Ausschlag gaben Bürgeranträge aus Dezember vergangenen sowie April und Juni dieses Jahres. Darin wird eine Umbenennung der genannten Straßen gefordert und mit Hindenburgs Rolle bei der Machtergreifung Hitlers, der Gesinnung Ina Seidels, die sich mit der NS-Ideologie identifizierte und unter anderem das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Hitler unterschrieben hatte sowie mit dem Personenkult um den U-Boot-Kommandanten Otto Weddigen begründet, der im Ersten Weltkrieg gefallen war und von den Nazis zum Kriegshelden stilisiert wurde.

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Die Stadt stellt in ihrem Beschlussvorschlag klar, dass aus politischen und moralischen Gründen keine der drei Personen heute noch mit einer nach ihr benannten Straße geehrt werden würde. Das betont der Technische Beigeordnete, Ulrich Geilmann, auch im Gespräch mit der Redaktion. Der Hindenburgplatz wurde laut Stadt etwa Anfang der 30er-Jahre, der Weddigenplatz sowie -straße und -allee in den frühen 20er-Jahren eingerichtet. Dass die Ina-Seidel-Straße unterdessen erst 1994 zu ihrem Namen kann, wollte Geilmann, der 2015 Beigeordneter wurde, nicht bewerten, allerdings gehe man heute sensibler mit diesem Thema um.

Die Kosten und den Aufwand für eine Umbenennung, sowohl für Verwaltung als auch für Anwohner, Hauseigentümer und Vermieter, empfindet die Stadt aber als zu hoch. Sie gibt unter anderem die Anschaffung der neuen Schilder, den Erhalt und die Pflege der alten für ein Jahr sowie die kostenlose Änderung der Ausweispapiere für alle betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner an. Zudem müssten Stadtpläne und Karten erneuert werden. Bürgerinnen und Bürger müssten auf eigene Kosten Führerscheine und Fahrzeugpapiere erneuern. Den finanziellen Gesamtaufwand beziffert Geilmann auf einen „unteren sechsstelligen Betrag pro Straße“.

Um die belasteten Straßennamen dennoch zu kennzeichnen, schlägt sie nun vor, die Straßenschilder mit einem entsprechenden Zusatz zu ergänzen. So könnte unter der Ina-Seidel-Straße und den Schildern zum Hindenburgplatz stehen, dass beide wegen ihrer Haltung zum Nationalsozialismus und Otto Weddigen wegen seiner Glorifizierung als Kriegsheld „umstritten“ sind. Der Beigeordnete bezeichnet die Straßennamen als „ein Stück Stadtgeschichte, auf das man nicht stolz“ sein könne. „Es sind umstrittene Personen“, sagt Ulrich Geilmann, „aber es sind historische Personen.“ Insofern könnten die Schilder auch aufklären.

Ob diese Schilder ausreichen, damit muss sich nun der Stadtentwicklungsausschuss befassen.

>>> Keine neue Diskussion
Die Diskussion
um die Umbenennung ist nicht neu. 1985 brachten die Grünen einen Antrag in den Bau- und Umweltausschuss ein, um über neue Namen für Weddigenallee, Weddigenplatz und Weddigenstraße zu beraten. Anwohnerinnen und Anwohnern waren dagegen.

Von einer Umbenennung wären laut Stadt in der Ina-Seidel-Straße 33 Hausnummern und 123 gemeldete Personen, am Hindenburgplatz zwei Hausnummern und vier gemeldete Personen, in der Weddigenallee sieben Hausnummern und 28 gemeldete Personen, am Weddigenplatz 16 Hausnummern und 36 gemeldete Personen sowie in der Weddigenstraße 54 Hausnummern und 121 gemeldete Personen betroffen.