Moers. Der eine kam als Flüchtling, der andere wechselte von der Realschule: Wie Dlovan Ferman und Ali Hamdan der Bildungsaufstieg mit Traum-Abi gelang.

Auf den ersten Blick sind Dlovan Ferman und Ali Abou Hamdan ganz normale Abiturienten. Zwei von insgesamt 83 Schülerinnen und Schülern am Grafschafter Gymnasium (GGM). Doch welche Leistungen hinter ihren Abschlüssen stecken, zeigt ein Blick auf ihre Lebensgeschichten. Der eine flieht mit seiner Familie aus Syrien, lernt innerhalb kürzester Zeit eine fremde Sprache und macht vier Jahre später sein Abitur. Der andere wechselt von der Realschule aufs Gymnasium, wird Schülersprecher und baut sein Abitur mit der höchsten Punktzahl, die je am Grafschafter Gymnasium erzielt wurde.

„Wir sind unglaublich stolz auf die beiden“, sagt Schulleiterin Dr. Astrid Czubayko-Reiß, die sich an ähnliche Fälle nicht erinnern kann. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Dlovan Ferman flieht Ende 2014 mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern aus seinem Heimatland Syrien. Drei Monate sind sie auf der Balkanroute unterwegs, ehe sie in Deutschland ankommen - über die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Serbien, Ungarn und Österreich. Nach einer Schulplatzanfrage beim Kreis Wesel kommt der damals 16-Jährige zum Grafschafter Gymnasium. Zu diesem Zeitpunkt spricht er kein Wort Deutsch.

Nur vier Jahre später besteht Dlovan Ferman am Grafschafter Gymnasium sein Abitur - Durchschnitt 2,2. In kurzer Zeit erlernt er eine fremde Sprache, findet sich in einem neuen Schulsystem zurecht und seinen Platz in einer fremden Gesellschaft, einem fremden Kulturkreis.

Vom Realschüler zum Schulsprecher mit 875 von 900 Punkten im Abitur


Ali Abou Hamdans schulische Laufbahn verläuft beinahe parallel. Er wechselt nach seinem Realschulabschluss mit 18 weiteren Realschülern in die Oberstufe des GGM. Kein leichter Schritt. „Am Anfang war die Unsicherheit groß“, sagt er. Empfangen werden sie in der Aula. „Man wusste nicht, wo man hinschauen sollte“, erinnert er sich. Man habe sich ausgegrenzt gefühlt, eine rein subjektive Sichtweise, das weiß Ali Abou Hamdans heute.

Und die Unsicherheit hielt nicht lange. Bereits „nach zwei Tagen“ habe er sich akzeptiert gefühlt. Die Gruppe wächst zusammen, eine Gemeinschaft entsteht. Er wird zum Jahrgangsstufensprecher und danach auch zum Schülersprecher gewählt. Schließlich besteht Ali sein Abitur am Grafschafter Gymnasium, und das mit Bestleistung: 1,0. Er erreichte 875 von 900 möglichen Punkten.

„Wenn man wirklich etwas erreichen möchte, dann findet man immer einen Weg“, sagt Ali, der schon einen genauen Plan hat, wie seine Zukunft aussehen soll. Er möchte Medizin studieren und dann in die Politik gehen. Seine Bewerbung für einen Studienplatz an der Heinrich-Heine-Uni in Düsseldorf läuft bereits, im August soll die Antwort kommen. „Ich möchte Menschen helfen.“ In beiden Berufen könne er das tun, wenn auch in unterschiedlichen Weisen. „Als Arzt kann ich Menschen direkt helfen, in der Politik möchte mich für eine offene und tolerante Gesellschaft einsetzen“, Werte, die er auch am Grafschafter Gymnasium selbst erfahren habe.

Schulleiterin bemüht sich um Stipendien

Abgesehen von ihren schulischen Erfolgen schließen Dlovan und Ali am GGM Freundschaften, die die Schulzeit überdauern werden. Und der Ehrgeiz der beiden jungen Männer, gepaart mit dem Einsatz der gesamten Schulgemeinschaft zeigt, welche integrative Kraft Bildung entfalten kann.

Für die Schulleiterin ist bereits klar, dass sie Dlovan und Ali auch nach ihrer Schulzeit begleiten und unterstützen möchte. Derzeit sucht Astrid Czubayko-Reiß nach einer Möglichkeit, dass Dlovan seinen großen Traum doch noch erreicht: Zahnmedizin zu studieren. So gut sein Abi-Schnitt von 2,2 auch ist - für einen Studienplatz in diesem Fach reicht es leider nicht. Darum telefoniert die Schulleiterin Stiftungen ab und sucht nach möglichen Stipendien.

In der Zwischenzeit macht Dlovan ein Praktikum in einem Dentallabor und lässt sich nicht entmutigen. Sein eigener Weg habe ihm schließlich gezeigt: „Du kannst alles schaffen, was du willst!“