Kreis Wesel. Viele Kinder im Kreis Wesel sind bei Pflegefamilien zu Hause. Die Zahlen steigen in diesem Jahr weiter. Auch die besonderen Bedürfnisse nehmen zu.
Wenn Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern bleiben können, springen Pflegefamilien ein. Und der Bedarf im Kreis Wesel wächst. Das zeigte der Pflegekinderdienst des Kreises jetzt im Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe. Demnach hat es im vergangenen Jahr 296 betreute Pflegeverhältnisse in 219 betreuten Pflegefamilien gegeben. Und die Tendenz für das laufende Jahr zeigt nicht nach unten. Die Zahlen nähmen „auf jeden Fall“ zu, sagte Koordinationsbereichsleiterin Sandra Kelbing, „wir haben viel zu tun“.
Es habe in diesem Jahr bereits Zeiten gegeben, „in denen wir keine Pflegefamilien freihatten“, ergänzte Fachbereichsleiterin Doris Christ. In diesen Fällen greife man auf langjährig bekannte Dauerpflegeeltern zurück, sagt der Kreis auf Nachfrage. Im äußersten Notfall würden Kinder in einem der elf Kinderheime im Zuständigkeitsbereich des Kreises untergebracht. Das sei aber noch nicht vorgekommen.
Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen Kreis und Pflegefamilien eng und von großem Vertrauen geprägt. Man sei „Tag und Nacht für die Pflegefamilien erreichbar“, sagte Doris Christ im Ausschuss. Dafür gebe es viele Familien, die für eine 24/7-Unterbringung bereit sind, also Kinder an jedem beliebigen Tag und zu jeder Uhrzeit aufnehmen.
Wer sich ins Pflegeelternregister des Kreises aufnehmen lassen möchte, muss ein mehrstufiges Programm durchlaufen, in dem der Pflegekinderdienst die Eignung überprüft. Bei einem ersten Hausbesuch geht es um den ersten Eindruck. Im zweiten Schritt müssen die Bewerbenden notwendige Unterlagen erbringen, zum Beispiel ein Führungszeugnis. Bei einem internen Bewerbertag bekommen die potenziellen Pflegeeltern dann erste Schulungen und sollen für die Aufgabe grundsätzlich sensibilisiert werden. Als vierter Schritt stehen Vorbereitungsseminare an mehreren Wochenenden bei einem freien Träger der Jugendhilfe an.
„Bei den Gesprächen bekommt man schon ein gutes Gefühl, ob es passt oder nicht“
Bei einem zweiten Hausbesuch mit einer zusätzlichen Kollegin oder einem Kollegen werden die Bewerbenden erneut auf ihre Eignung als Pflegeeltern geprüft. Anschließend macht sich der Pflegekinderdienst an die Auswertung des Bewerberverfahrens und verkündet am Ende das Beratungsergebnis. Das nicht immer zugunsten der Bewerbenden ausfällt. „Ja, manche fallen durch“, sagte Sandra Kelbing auf Nachfrage der CDU. Bei den Gesprächen bekomme man schon ein gutes Gefühl, „ob es passt oder nicht“, so die Koordinationsbereichsleiterin weiter, ohne aber konkrete Zahlen nennen zu können.
Wer auf der Liste der Pflegefamilien im Kreis Wesel steht, kommt für die Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen aufgrund einer Krisensituation infrage, entweder zeitlich befristet oder als eine auf Dauer angelegte Lebensform für das Kind, gemäß Paragraf 33 des SGB VIII. Als Grundlage liegt eine Hilfeplanung oder ein Gerichtsbeschluss vor.
Vor allem das Feld der Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen und Beeinträchtigungen sei größer geworden, sagte Fachbereichsleiterin Doris Christ im Ausschuss, „das wird uns in Zukunft weiter begleiten“. Gerade für diese Gruppe gelte es, geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen, heißt es dazu in der Präsentation des Pflegekinderdienstes.
Muss ein Kind, eine Jugendliche oder ein Jugendlicher untergebracht werden, beginnt der Pflegekinderdienst mit dem Abgleich des Profils der Pflegefamilie mit den Bedarfen des Kindes. Nach der Auswahl beginnt der Anbahnungsprozess. Anschließend wird ein Hilfeplan erstellt, in den auch die Herkunftsfamilien einbezogen werden. Unter anderem geht es dort um die Gestaltung und Beteiligung von Umgangskontakten. Die Betreuung der Pflegefamilien ist eng. Regelmäßige Hilfeplangespräche würden je nach Bedarf mehrfach, mindestens aber zweimal im Jahr geführt, so der Kreis.
Eine größere Herausforderung ist die Betreuung und Unterbringung von Jugendlichen, die an der Schwelle zur Volljährigkeit stehen. Sandra Kelbing machte deutlich, dass ein familiärer Wechsel für diese Altersgruppen schwierig sei. Im besten Fall, so Kelbing, „werden die Kinder in der Pflegefamilie groß“. Gerade deshalb sei eine frühe Einbindung der Pflegefamilien und weiterer Beratungsstellen wichtig, um den Verselbstständigungsprozess zu unterstützen. Wichtig sei auch, den Hilfeplan zu festigen und mit einer genauen Zielsetzung zu verbinden. „Die Unterbringung sollte am besten schon mit einer Perspektive starten“, so Kelbing.