Aus den Niederlanden. Die Neuinfektionen und Krankenhausaufnahmen in den Niederlanden steigen wieder. Ist das der Beginn einer Sommerwelle mitten in der Ferienzeit?

Am Strand von Zandvoort, Bloemendaal oder Domburg liegend, scheint Corona ganz weit weg. Nicht alleine wegen des Blicks auf die schäumende Nordsee und der Füße im warmen Sand. Auch aus dem niederländischen Alltag scheint das lästige Virus verschwunden.

Coronaauflagen gibt es schon seit Monaten nicht mehr, „mondkapjes“ sucht man nahezu vergeblich. Doch die Zahlen legen anderes nahe: In den Niederlanden steigen die Neuinfektionen von der Sommersonne unbeeindruckt seit gut zwei Wochen. Zuvor war die Inzidenz kontinuierlich gesunken.

Niederlande: Neuinfektionen steigen inzwischen wieder an

So ist auch im Nachbarland wieder die Rede von einer anrollenden „Sommerwelle“, wie es unter anderem vom Gesundheitsinstitut RIVM oder die medienwirksamen Infektiologin Chantal Bleeker aus Nimwegen heißt. Ein schneller Blick auf die Coronazahlen lässt das zwar nicht vermuten: Mit 117 (Stand 20. Juni, Quelle: Johns-Hopkins-Universität) haben die Niederlande eigentlich eine deutlich geringere Inzidenz als NRW mit 475,5 (Stand 20. Juni, Quelle: RKI).

Doch die Aussagekraft der Sieben-Tage-Inzidenz im Nachbarland ist fraglich, da sich dort vergleichsweise wenig Menschen noch regelmäßig testen. Das mag auch daran liegen, dass es gar keine kostenlosen Bürgertests wie in Deutschland mehr gibt, ebenso wenig wie eine Quarantänepflicht. Die Dunkelziffer von Infizierten dürfte also wesentlich höher sein.

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Deutlich ist aber: Die Infektionsmeldungen nehmen schnell zu, die Reproduktionszahl liegt wieder über dem kritischen Wert von 1. Wie sich das auf die Krankenhäuser auswirkt, sei noch nicht absehbar, so Chantal Bleeker gegenüber dem niederländischen Rundfunk „Omroep Gelderland“. Derzeit steigen die Aufnahmen, die Lage ist aber noch unter Kontrolle. Das könne sich aber innerhalb von ein bis zwei Wochen ändern.

Generell bedeuteten mehr Neuinfektionen immer auch mehr Krankenhausaufnahmen und Todesfälle. „Wenn wir jetzt sinnvoll mit Maßnahmen eingreifen, haben wir eine größere Chance, einen Lockdown jetzt und im Herbst zu verhindern“, so die Nimweger Infektiologin.

Niederlande: Kommen die Corona-Maßnahmen im Sommer zurück?

Ob tatsächlich schon im Sommer die Maßnahmen in den Niederlanden zurückkommen? Aus Den Haag gibt es dazu noch keine Ankündigungen. Undenkbar ist das aber nicht, sollte die Lage in den Kliniken sich schell verschlechtern. Im vergangenen Jahr erlebte das Land bereits eine Sommerwelle mit sehr hohen Fallzahlen und Krankenhausaufnahmen, da die Regierung die Clubs und das Nachtleben vorzeitig öffneten.

Die Regierung dürfte Ähnliches für diesen Sommer vermeiden wollen. Eines gilt unterdessen in Deutschland wie in den Niederlanden als sicher: Spätestens im Herbst ist mehr Vorsicht angesagt. Die niederländische Regierung schätzt wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass nach den Sommermonaten wieder mit einem erhöhten Infektionsgeschehen zu rechnen ist.

Niederländischer Gesundheitsminister zeigt sich besorgt

Der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers sagte mit Blick auf den Herbst bereits vergangene Woche im Fernsehen, dass Prävention die Corona-Langzeitstrategie der Regierung sein müsse. In den vergangenen Monaten schien die offizielle Strategie aber genau umgekehrt zu funktionieren: Die Sieben-Tage-Inzidenz spielte keine Rolle mehr, man orientierte sich an der Lage in den Krankenhäusern und griff erst dann ein. Inwiefern das anders wird, ließ Kuipers offen.

Auch in Deutschland gibt es noch keinen klaren Kurs. Am Mittwoch treffen sich die Gesundheitsminister der Länder, einen Tag später die Kultusminister. In beiden Runden geht es um die Frage, wie sich Deutschland auf den dritten Corona-Herbst vorbereiten soll.