Kleve/Bedburg-Hau. Die Angeklagte hatte im Januar eine Mitpatientin in der LVR-Klinik Bedburg-Hau erstickt. Pflegerin beschreibt vor Gericht die schockierende Tatnacht.

Was im einzelnen am 20. Januar 2024 in den 32 Minuten zwischen 22.30 Uhr und 23.02 Uhr in Zimmer 2064 der Station 56.3 der LVR-Klinik in Bedburg-Hau geschah, kann die Verhandlung vor dem Landgericht Kleve immerhin noch in groben Zügen klären, doch die Antwort auf die Frage nach dem Warum wird für immer im Kopf der 56 Jahre alten Angeklagten bleiben, und womöglich ist sie nicht einmal mehr dort präsent.

Die aus Kleve stammende Frau, frühverrentet und zuletzt als Küchenhilfe beschäftigt, wird beschuldigt, in dieser Winternacht eine 84 Jahre alte Mitpatientin umgebracht zu haben. Doch sie macht weder zu ihrer Person noch zur Sache irgendwelche Angaben – es drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass ein fatales Missverständnis vorgelegen haben könnte.

Beide Patientinnen wirkten ruhig und unauffällig

Richter Gerhard van Gemmeren, der dem Schwurgericht vorsteht, versuchte in den Prozess, der am Montag begann, die Geschehnisse, die zum Tode der Seniorin führten, so genau wie möglich zu rekonstruieren. Beide Frauen hatten sich zur Jahreswende in die Hände der psychiatrischen Klinik begeben, die spätere Angeklagte aufgrund von Depressionen, das spätere Opfer, weil sie Stimmen gehört haben soll. Zeugen, die in der Klinik arbeiten, schilderten beide Patientinnen als ruhig und unauffällig. Die ältere sei „eine nette alte Dame, eine süße Oma“ gewesen, so beschrieb es eine Krankenpflegerin.

„Da ist was Schlimmes passiert. Ich habe sie umgebracht“

Soll die Angeklagte gesagt haben
berichtet die Nachtschwester

In der fraglichen Nacht kam es gegen 22.30 Uhr zur ersten Begegnung zwischen der diensthabenden Krankenpflegerin und der jüngeren Frau, weil diese noch ihre Nachtmedikamente einnehmen musste. Bei dieser Gelegenheit stellte sie auch fest, dass die Zimmergenossin bereits schlief. Dann wandte sich die Mitarbeiterin anderen Aufgaben zu, unter anderem einem psychiatrischen Notfall, um einige Minuten später auf dem Weg zu einem Krankenzimmer die jüngere Patientin auf den Flur treten zu sehen. Die Patientin sagte, so erinnerte sich die Nachtschwester: „Da ist was Schlimmes passiert. Ich habe sie umgebracht.“

Stechender Essiggeruch fiel auf

Die Krankenpflegerin versuchte sofort, das Opfer wiederzubeleben – und sie löste um 23.02 Uhr den Alarm aus. Wer immer von Hilfs- und Einsatzkräften in den folgenden Minuten in das Krankenzimmer kam, bemerkte sofort einen stechenden Essiggeruch. Offenbar hatte die Täterin ihrem Opfer zunächst den Großteil einer Flasche Essigessenz eingeflößt und die Frau dann mit einem Kissen erstickt. „Alles kam hoch und brodelte“, so schilderte die Krankenpflegerin die ersten Momente der Reanimation. Während dieser Augenblicke saß die Mitpatientin apathisch auf ihrem Krankenbett. Um 23.42 Uhr stellte der mittlerweile eingetroffene Notarzt den Tod der Patientin fest.

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Inzwischen war die 56 Jahre alte Kleverin in das Zimmer der Stationsleitung umquartiert worden. Auch der Stationspfleger war noch in der Nacht eingetroffen. Gemeinsam mit einem anwesenden Polizisten gelang es ihm, der Frau einige Worte zum Geschehen zu entlocken. Demnach sei jemand in ihrem Kopf gewesen, und diese Stimme habe ihr die Tat befohlen. Die Sache sei seit Tagen in ihrem Kopf gewesen, denn die Frau habe nicht nach Hause gewollt, sondern zu ihrem Mann. Der war sechs Monate zuvor gestorben. Möglich also, dass die Angeklagte in ihrer wahnhaften Vorstellungswelt davon ausging, dem Opfer einen Dienst zu erweisen.

Opfer hätte am nächsten Tag verlegt werden sollen

Die Faktenlage allerdings war eine ganz andere, wie sich vor Gericht herausstellte. Demnach hatte das spätere Opfer zwar zu Beginn der Behandlung durchaus Suizidgedanken geäußert, war aber nach Ansicht der Ärzte bereits auf dem Wege der Besserung. Besonders tragisch: Die Verlegung in die Tagesklinik, in der die Behandlung hätte fortgesetzt werden sollen, war für den nächsten Tag geplant gewesen.

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Die Angeklagte selbst erschien vor dem Gericht wie offenbar auch in der Zeit ihres Klinikaufenthalts. Sie blickte die ganze Zeit starr und ohne Regung vor sich hin. Aktuell sitzt sie in der JVA Dinslaken ein. Wie das Gericht das Tötungsdelikt wertet, hängt insbesondere vom Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Jack Kreutz ab. Die Verhandlung wird am 22. August fortgesetzt.