Kleve. 150 Steine an 45 Stellen: Gunter Demnig kommt am 20. April zur vorerst letzten Stolpersteinverlegung nach Kleve. Das ist zum Abschluss geplant.

Auf dem Foto sind sie noch alle beisammen, die Oma im Schatten, der Großvater schaut ernst, die Mutter lächelt, die beiden Kinder blicken ein bisschen skeptisch in die Kamera. 1930 war die Welt für Familie Jacobsohn noch in Ordnung, da war die Tochter mit Ehemann und Kindern zu Besuch bei Opa und Oma an der heutigen Ringstraße. Die Nazizeit überlebten nur die Kinder, versteckt von einer Untergrundorganisation in den Niederlanden. Die Eltern und die Großmutter wurden deportiert, der Großvater starb 1938 eines natürlichen Todes.

Am Donnerstag, 20. April, ab 12 Uhr wird Gunter Demnig die vorerst letzten 14 Stolpersteine in Kleve verlegen. Insgesamt werden es dann 150 Steine an 45 Stellen in Kleve sein, die an die ehemaligen jüdischen Mitbürger erinnern. „Es gab wohl noch weitere, aber zu denen ließ sich nichts herausfinden“, sagt Helga Ullrich-Scheyda, die die maßgebliche Forschungsarbeit in den Archiven des Landes leistete. Sie hat auch zahlreiche Kontakte zu Nachfahren der Opfer geknüpft, mehrere werden zur Stolpersteinverlegung auch anreisen.

Einzelne Schicksale sollen berühren

Als im November 2016 die ersten Steine verlegt wurden, war dem einige Überzeugungsarbeit im Rat vorangegangen. „Der Kulturausschuss war damals der Meinung, man habe mit dem Synagogenplatz eine Erinnerungskultur und brauche nichts zusätzlich“, erinnert sich Edmund Verbeet von der AG Erinnern im Haus Mifgash. „Dabei geht es bei den Stolpersteinen ja nicht um das Gedenken im Ganzen, sondern darum, durch einzelne Schicksale zu berühren.“

Nützlich ist in diesem Zusammenhang der Stolperstein-Guide im Internet oder als App auf dem Handy. Hier hat man Zugriff auf biografische Details. Zum Beispiel auf die von Mathilde Hille, die mit ihrem Mann an der Hagschen Straße wohnte. Sich selbst empfand Mathilde Hille nicht als jüdisch, 1898 war sie zum katholischen Glauben konvertiert. „Durch die Nürnberger Rassegesetze war sie dann aber doch jüdisch“, sagt Helga Ullrich-Scheyda. Als ihr nicht-jüdischer Mann 1942 starb, fiel auch noch der Status der „privilegierten Schutzehe“ weg. 1942 starb sie in Theresienstadt.

Abschlussveranstaltung im Kolpinghaus

Die Verlegung am 20. April beginnt um 12 Uhr an der Nassauer Allee 28-30, sie führt dann durch die Kapitelstraße und die Hagsche Straße zum Kolpinghaus, wo um 13.30 Uhr die Abschlussveranstaltung geplant ist. Mit dabei sein wird ein Projektkurs der Gesamtschule am Forstgarten, Bürgermeister Wolfgang Gebing und Landrat Christoph Gerwers.

Einer seiner Vorgänger, Friedrich Neven, hatte im August 1938 verfügt, dass das Wohnhaus der Familie Haas an der Nassauer Allee unter Wert an den Kreis verkauft wird, damit er eine repräsentative Dienstwohnung bekäme. Das Kapitel Neven ist überhaupt noch weitgehend unbearbeitet – der NS-Landrat lebte nach seiner erfolgreichen Entnazifizierung weiter mit seiner Familie am Niederrhein. Hermann Haas jedenfalls nahm sich 1942 aus Verzweiflung das Leben, seine „arische“ Frau Emmy lebte zunächst weiter in Kleve, während den beiden Kindern die Emigration nach Südamerika gelang. Nach dem Krieg zog auch Emmy nach Venezuela.

Bürgerschaft trägt das Projekt

Die 120 Euro für jeden der 150 Steine haben Klever Privatpersonen, Kirchengemeinden und Schulen zusammengebracht. „Das zeigt, dass das Projekt von der Bürgerschaft getragen wird und nicht nur von einer kleinen Gruppe“, freut sich Verbeet. Falls in Zukunft noch weitere jüdische Personen und Schicksale bekannt werden, die sich nicht in den Akten finden, die Helga Ullrich-Scheyda einsehen konnte, würden hier noch Stolpersteine folgen.