Kleve. Vier Jahre lang war Regierungsdirektor Udo Gansweidt Leiter der JVA Kleve. Nun geht er nach bewegten Zeiten in den verdienten Ruhestand.
Der Abgang war wie immer, mit einem kleinen Unterschied. Als Udo Gansweidt die Tür der JVA Kleve diesmal hinter sich ins Schloss hatte fallen lassen und seine BMW K 1300 S bestieg, um den 107 Kilometer langen Heimweg nach Heinsberg anzutreten, hatte er vorher an der Pforte seinen Schlüssel abgegeben – das Ende einer langen Beamtenlaufbahn, deren letzte, vier Jahre währende Etappe für den 63 Jahre alten Regierungsdirektor der Chefposten im Klever Gefängnis war.
Das wurde 1915, noch zu Zeiten des Kaisers, errichtet, und auch unter Gansweidts Leitung ging es natürlich darum, diesen auf 234 Insassen ausgelegten Bau in den modernen Strafvollzug zu überführen. Gansweidt leitete in die Wege, dass die beiden Torhäuser komplett für die JVA-Verwaltung genutzt werden, es kamen neue Sportmöglichkeiten für die Gefangenen, und die Eigenbetriebe, insbesondere die Schlosserei, wurden umstrukturiert. „Klever Gitter waren schon immer ein Top-Produkt“, berichtet Gansweidt. Künftig wird auch die Videoüberwachung der 14 Beobachtungshafträume eingeführt – sie ersetzt den Blick durch die Klappe.
Zwei einschneidende Ereignisse in seiner Amtszeit
Zwei Ereignisse führten dazu, dass die Modernisierung noch umfassender ausfiel, als sie vielleicht vor vier Jahren vorstellbar. Zum einen der Feuertod des Insassen Ahmed A., der aufgrund einer Verwechslung fälschlicherweise inhaftiert war. Nun werden auf Geheiß des Ministeriums allen Insassen zu Beginn ihrer Haftzeit Fingerabdrücke abgenommen, vorher ging das aus Gründen des Datenschutzes nicht. Außerdem erhielten alle Zellen feuerhemmende Matratzen, und schließlich wurden auch alle Hafträume mit Fernsehen ausgestattet.
Das Fernsehen war wichtig, als es um das zweite große Thema ging: Corona. Die Berichterstattung im TV machte den Insassen klar, dass es sich tatsächlich um ein ernstzunehmendes Geschehen handelte und nicht nur um eine Laune des Justizvollzugs. Gansweidt weiß noch genau, wie er den Gefangenen per Durchsage erklären musste, dass aufgrund der Pandemie alle Urlaube und Besuche erst einmal gestrichen seien. „Da war eine große Unruhe“, so Gansweidt.
Früher mehr „gestandene Gangster“ im Gefängnis
Dafür kam dann die Elektronik: Persönliche Besuche wurden durch Skype-Sitzungen ersetzt, was für manche Gefangene, die aus fernen Ländern stammten, sogar eine Verbesserung darstellte. Ohne Skype hätten überhaupt keinen Kontakt zu Verwandten aufnehmen können. In der Klever JVA sind mehr als die Hälfte der Insassen nicht aus Deutschland, und ebenfalls mehr als die Hälfte der Insassen sitzen wegen Drogendelikten (oder Beschaffungskriminalität) ein. „Das war früher ganz anders“, erinnert sich Gansweidt.
Da gab es höchstens mal ein paar straffällig gewordene Gastarbeiter, die übrigen Häftlinge waren „gestandene Gangster“. Gestanden, das soll heißen, dass sie immer noch eine gewisse Ganovenehre hatten. „Sie waren absprachefähiger“, so Gansweidt. „Heute geht das nicht mehr.“ Gleichwohl ist der scheidende Chef überzeugt, dass Kleve, eine eher kleine JVA, den Gefangenen noch eine eher familiäre Atmosphäre bieten kann – ganz im Gegensatz zu großen Gefängnissen wie in Köln oder Werl. Gansweidt berichtet, dass ihm Gefangene schon des Öfteren versichert haben, sie seien froh, nach Kleve zurückzukommen. Das muss man auch erst einmal schaffen.
Ein Wiederkommen kann auch bedeuten, dass es einen Rückfall in die Kriminalität gegeben hat. Erreichen Freiheitsstrafen überhaupt ihr Ziel? Gansweidt: „Zu einer Freiheitsstrafe gibt es in unserem Rechtssystem keine Alternative. Ich glaube, dass es am ehesten abschreckt, wenn man für eine Straftat einen hohen Preis bezahlen muss.“ Die Freiheit ist das höchste Gut, und Gansweidt freut sich darüber, in Zukunft frei über seine Zeit verfügen zu können – um entweder mit seiner Frau auf dem E-Bike den deutschen Flüssen entlang zu radeln, oder aber mit seinen Freunden auf dem Motorrad das Land zu erkunden.