Kleve. Ingo Frommhold ist neuer Vizepräsident des Landgerichts Kleve. Er hat die Justiz aus ganz verschiedenen Blickwinkeln kennengelernt. Ein Portrait.
Jemand zielt mit der Pistole auf jemanden, drückt ab, aber der Lauf verrutscht und die Kugel trifft den Nebenstehenden tödlich. Nicht schön für das Opfer, aber auch nicht schön für die armen Jurastudenten, die sich diesem Fall widmen müssen. Noch dazu, wenn man einer von 1000 ist, die in der Vorlesung herumwuseln. „Ich bin in einem Jahr an die Uni gekommen, als es eine Panne bei der ZVS gab“, erinnert sich Ingo Frommhold. Er wollte ins beschauliche Bielefeld, wo normalerweise 300 Erstsemester Jura beginnen. Nun waren Universität und Professoren gleichermaßen völlig überfordert.
Das war dann aber auch der einzige Zeitpunkt, an dem Frommhold Zweifel an seiner Studienwahl kamen. Medizin hätte ihn auch interessiert, aber da, fürchtete er, macht man dann sein Leben lang dasselbe. „Als Jurist kann man so viel machen, als Richter, Anwalt, Notar oder angestellt in einem Unternehmen.“ Und man kann über seinen konkreten Berufswunsch erst später entscheiden, nach Studium und Referendariat. Außerdem kann man sogar zwischen den einzelnen Disziplinen wechseln. Hierfür ist Ingo Frommhold das beste Beispiel. Seit einigen Wochen ist der promovierte Jurist Vizepräsident des Landgerichts Kleve.
Start der Berufslaufbahn in einer Düsseldorfer Kanzlei
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Angefangen hat er seine Berufslaufbahn aber als Anwalt in einer großen internationalen Kanzlei in Düsseldorf. Hier hat er während seines Referendariats gearbeitet, und man bot ihm auch gleich einen Arbeitsvertrag an. Eine Sozietät mit über 100 Anwälten, Geschäftsreisen, Arbeit mit großen Firmen: „Wenn da einer mit einem Rechtsstreit von 500.000 Euro kommt, winkt man ab, weil das uninteressant ist.“
Frommhold erzählt durchaus schmunzelnd von dieser Zeit: „Ich habe viel gelernt und interessante Leute getroffen, aber das ist ja schon eine eigene Welt.“ Und weil ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf auch gerne als Richter haben wollte, kündigte er schließlich und trat 2006 eine Stelle am Land- und Amtsgericht Krefeld an. Ein bisschen Lebens- und Berufserfahrung, bevor man Richter wird – das empfiehlt er jedem jungen Menschen, der diesen Beruf anstrebt.
Wie vielfältig die Aufgaben als Richter sein können, hat der 48-jährige Frommhold dann schnell erfahren. Er war in Zivil- und Strafsachen tätig und arbeitete in Krefeld als Personaldezernent, Pressesprecher und Ausbildungsleiter. Einige Jahre später wechselte er ins Justizministerium NRW nach Düsseldorf. „Das war die Phase, als man erkannte, dass der demographische Wandel auch in der Justiz ankommt“, erzählt er. Sprich: Bislang musste sich der Nachwuchs um eine Stelle bewerben, jetzt muss sich die Stelle um Nachwuchs bewerben. „Das war Neuland für die Justiz und auch für mich.“ Und eine spannende Aufgabe: „Das war so ähnlich, als müsse man jetzt ein weißes Blatt beschreiben.“
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Die E-Akte als Herausforderung
Als schließlich alles soweit war, dass man professionelle Marketingexperten ins Boot holte, war Frommhold schon mit der nächsten Baustelle beschäftigt. Er wechselte ans OLG Düsseldorf, wo er dann neben seiner normalen richterlichen Tätigkeit die Leitung der Informationstechnik übernahm. Von Null auf 100 sozusagen. „Als ich Referendar war, habe ich ehrfürchtig in die Amtsstuben geschaut, in denen alles voller Akten lag.“ Jetzt ging es darum, alle Gerichte im Land elektronisch empfangsbereit zu machen.
„Kaum war das erledigt, kümmerten wir uns um die elektronische Akte.“ Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die E-Akte brachte erhebliche Änderungen in die eingeübten Arbeitsabläufe der Justizmitarbeiter. „Ich war dann eine Zeitlang der reisende Dozent“, sagt Frommhold: Erklären, Zeigen, Angst nehmen.
Familie ist von der Schwanenburg begeistert
Als dann die Stelle als Vizepräsident des Landgerichts Kleve frei wurde, bewarb er sich erfolgreich. „Diese Position knüpft an das an, was ich bisher gemacht habe, und führt es fort.“ Außerdem arbeite er jetzt am vielleicht schönsten Gericht im Land: „Kein anderes Gericht in NRW ist in einer Burg untergebracht.“
Mit seiner Familie wohnt er in Essen, wo seine drei Kinder weiterführende Schulen besuchen. In seiner Freizeit spielt er gerne Klarinette und unternimmt längere Fahrradtouren mit der Familie. Die hat auch schon seinen neuen Arbeitsplatz begutachtet: „Die haben alle gesagt, wie schön es hier ist.“