Kreis Kleve. Ein 325-seitiges Konzept rät dem Kreis zu interkommunaler Zusammenarbeit, zum Ausbau von Tagespflege und Unterstützung der Angehörigen.
Den Demografischen Wandel und den Pflegebedarf der Zukunft sollte das Institut für Wohnen und Stadtentwicklung, alp, für den Kreis Kleve untersuchen. Man müsse so viele junge Fachkräfte wie möglich im ländlichen Kreis Kleve halten, war ein Rat vom alp-Geschäftsführer Felix Arnold, geborener Gocher, der in Kleve zur Schule ging und nun in Hamburg lebt. Er hat eine 325-seitige Bestandsaufnahme geliefert, von deren Datenvielfalt sich allerdings der Ausschuss erst mal überfordert sah.
Arnold gab im Schnelldurchlauf einen Überblick. Seine Vorschläge, was der Kreis tun solle, blieben aber natürlich in Allgemeinplätzen stecken. Norbert Killewald, SPD: „Ich hätte mir gewünscht, wir hätten mehr Geld ausgegeben für mehr Anregungen“.
Arnold resümierte: „Der Kreis ist schon gut aufgestellt“ und habe die Probleme erkannt, bescheinigte er. Doch viele Bereiche würden wegen des demografischen Wandels noch stärker unter Druck geraten. Denn immer weniger Berufstätige müssen für immer mehr Rentner und Rentnerinnen aufkommen. Von 2020 bis 2040 wächst die Zahl der Menschen über 65 Jahre im Kreis Kleve um 42 Prozent auf 27.800. Mehr Pflegebedürftigen stehen potenziell aber weniger Pflegende gegenüber. Mehr Fach- und Führungskräfte und auch Ärzte aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen selbst in Rente. Die Zahl der Arztbesuche, so errechnete Arnold statistisch, werde bis 2040 um sechs Prozent steigen.
In Zukunft verdoppelt sich die Zahl der Pflegebedürftigen
In dem Zeitraum wachse die Zahl der ambulant Gepflegten um 48 Prozent. Und 52 Prozent mehr Personen hätten stationäre Pflege nötig. Denn bei den Hoch-Alten seien rund 75 Prozent dementiell erkrankt. Parallel nehme das Pflegegeld nur um 36 Prozent zu.
„Die Personalsituation wird sich weiter verschärfen“. Der Gutachter sah, dass sich gut Situierte eine Pflegekraft meist aus osteuropäischen Ländern leisten können werde, „doch Ärmere gucken in die Röhre“.
„Wenn der Leitsatz ‘ambulant vor stationär’ umgesetzt werden soll, dann kommen wir um einen Ausbau von Pflegestrukturen nicht drum herum,“ so Arnold. Er verwies auf altersgerechtes Wohnen, Tagespflege, Kurzzeitpflege, Beratung und verlässliche Unterstützung von pflegenden Angehörigen, Qualifizierung von Ehrenamtlichen, professionelle und informelle Strukturen. Das könne der Kreis steuern und auch Vorsorge stärken.
„Die große Herausforderung wird sein, trotz eines rückläufigen Arbeitskräftepotenzials mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Hierzu müssen die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver werden.“ (Lesen Sie dazu auch dieses Interview).
Die Nachfrage nach Betreuungsangeboten bleibe auch in Zukunft hoch, auch wenn die geburtenstarken Jahrgänge gestorben sind. Weil die Lebenserwartung zunehme.
Für die Erhebung wurden alle Pflegediensteinrichtungen befragt, nur die Hälfte, 60, hatte geantwortet. 30 Prozent Rücklauf gab es aus 4000 Haushalts- und 4000 Fragebogen-Anfragen. Ältere Menschen nannten bezahlbaren und altersgerechten Wohnraum als wichtigste Themen der Zukunft, noch vor der Pflege.
Weniger einzelne Häuser bauen, man braucht bezahlbaren Wohnraum
Der Wohnungsbestand entspreche nicht den zukünftigen Bedarfen, weiß Arnold so gut wie die Politiker im Kreis Kleve. Der junge Gutachter mahnte, da seien dicke Bretter zu bohren, solange jede Kommune nur auf Neubaugebiete schiele. Einfamilienhaus-Bau müsse zurück gefahren werden – Herbert Looschelders, Grüne: „Das wird eine Revolution im Kreis auslösen“ –, es brauche bezahlbaren Wohnraum in Mehrfamilienhäusern, so der Mann aus Hamburg. Der sah auch im Wettlauf der Kommunen „insgesamt keine Gewinner.“ Es brauche gemeinschaftliche und generationsübergreifende Wohnangebote und vor allem interkommunale Abstimmung der wohnbaulichen Entwicklung. „Was wirklich weiterhilft, ist, Akteure zusammenzutrommeln und Prioritäten zu setzen“. Das gelte auch für die anderen untersuchten Bereiche Kinder-Jugend-Familie, Arbeit-Beruf, Mobilität, Teilhabe-bürgerschaftliches Engagement (die NRZ wird berichten).
Pragmatische Lösung zur Abstimmung
Das Pflegekonzept muss noch in 2020 verabschiedet werden. Problematisch schien, dass der nächste Kreisgesundheits-Ausschuss am 8. November terminiert ist, die „Kommunale Konferenz Alter, Pflege und Gesundheit“ aber, die Mitwirkungsrechte an der Pflegeplanung hat, erst am 24. November. Man müsse sie wohl vorher nur um schriftliche Stellung bitten, so der Vorschlag.
Auf Anregung der Vereinigten Wählergemeinschaften sollen nun aber pragmatisch die Termine getauscht werden, sofern die Mitglieder der Konferenz dies zeitlich schaffen. Aus jener Konferenz heraus habe Sascha Sartor, Geschäftsführer der Katholischen Karl-Leisner-Kliniken, bereits mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit kritisiert, hieß es.
Die Fortschreibung des Demografiekonzepts – unter Beteiligung von Seniorenvertretung und Kommunaler Konferenz – hat bis zum nächsten Jahr Zeit.