Kleve. Das Umweltbüro Essen hat seinen Abschlussbericht über das massive Wachstum der Algen im Klever Spoykanal vorgestellt. Das sind die Ergebnisse.
Mit wissenschaftlicher Unterstützung ist die Stadt Kleve der Algenproblematik im Spoykanal und Kermisdahl im wörtlichen und übertragenen Sinne auf den Grund gegangen. Martina Stengert vom Umweltbüro Essen stellte nun den Abschlussbericht im Ausschuss für Klima-, Umwelt- und Naturschutz vor und skizzierte Ursachen zur Algenmassenentwicklung sowie nachhaltige Lösungsansätze. Zentrale Ergebnisse der Untersuchung: Die Sicherungsbauarbeiten nach dem Hangrutsch an der Kaskade im Jahr 2017 dürften ebenso wie die Entschlammung des Kermisdahls von 2008 bis 2010 zur massiven Ausbreitung der Pflanzen geführt haben. Einen Einfluss der Schließung der Schleuse Brienen auf die Algenentwicklung verneinte die Expertin dagegen deutlich.
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Zwischen Frühjahr und Herbst des vergangenen Jahres setzte das Umweltbüro Essen ein umfangreiches Algen-Monitoring in Kleve auf, sammelte an vier Messstellen (kurz oberhalb der Schleuse, an der Hochschule, nahe der Stadthalle und vor dem Zulauf der Wetering in den Kermisdahl) detaillierte Daten und befuhr die Gewässer. Dabei stellten die Fachleute deutlich steigende Wassertemperaturen (maximal mehr als 24 Grad Celsius) sowohl im Verlauf der Strecke als auch über einen längeren Zeitraum fest.
Geringe Fließgeschwindigkeit
„Der Spoykanal ist ein breites, nicht beschattetes Gewässer mit einer geringen Fließgeschwindigkeit“, stellte Martina Stengert fest, die auf Grundlage von Langzeitwetterdaten der vergangenen 30 Jahre zudem die höchsten Niederschlagssummen in den Sommermonaten aufzeigte. Die Starkregenereignisse haben Einfluss auf die Wassertemperatur und erhöhen damit das Risiko für das extreme Pflanzenwachstum. „Wenn an einem heißen Sommertag Gewitterregen auf den heißen Asphalt fällt, erwärmt sich das Wasser sofort und kommt durch die Trennkanalisation ins Gewässer“, erläuterte Stengert.
Sie analysierte mit ihren Kollegen genau die Nährstoffparameter, die das Wachstum der Algen begünstigen, und zeigte sich „erstaunt“ ob der im vergangenen Jahr gesammelten Daten: „Wir haben keinen übermäßigen Nährstoff-Eintrag über die Wetering und die Einleitungsstellen und können deshalb nicht sagen, dass sehr viel Phosphor über die dort intensiv arbeitende Landwirtschaft ins Gewässer kommt.“ Auch die Sedimentanalyse ergab keine Hinweise auf ein größeres Nährstoffdepot. Die Algen wachsen im Spoykanal im eutrophen (mittelnährstoffreichen) Bereich – ganz normal für einen „Flusssee“ (siehe Box).
Ein „Flusssee“
Martina Stengert vom Umweltbüro Essen ordnete den Spoykanal fachlich als „Flusssee“ ein. Vergleichbar sei das „mehr oder weniger stehende Gewässer“ mit der Havel bei Berlin.Vom Hafen Kleve bis zur Schleuse in Brienen erstreckt sich der Bereich des Spoykanals, der als Bundeswasserstraße 1 gilt.
Kein Zusammenhang mit Schließung der Schleuse
Die Ursachenforschung für die erhöhten Nährstoffe ging für das Umweltbüro also weiter und führte die Wissenschaftler zu zwei wohl mitentscheidenden Ereignissen in die jüngere Vergangenheit. Auf den ersten Blick paradoxerweise bezeichnete Martina Stengert zum einen die Entschlammung des Kermisdahls zwischen 2008 und 2010 als „einen sehr wahrscheinlichen Auslöser“. Dabei wurde nämlich zwar nährstoffhaltiger Schlamm entnommen, aber Aufwirbelungen und die Lagerung des Spülschlamms in Absetzbecken gleich nebenan hatten nachteilige Effekte: Das Versickerungswasser, das viele Nährstoffe transportiert, gelangte wieder in den Spoykanal.
Zum anderen wurden bei der notfallmäßigen Sicherung der Böschung nach dem Hangrutsch an der Kaskade 2017 viele Nährstoffe freigesetzt. Ein enger kausaler Zusammenhang zum Algenwachstum sei sehr plausibel, meinte Stengert, zumal die „Extra-Dünung“ zum ungünstigen Zeitpunkt im Frühjahr passierte.
Einen anderen Grund schloss sie aus: „Ein Zusammenhang mit der Schließung der Schleuse besteht nicht, weil die Wasserabgabe in Brienen trotzdem mehr oder weniger kontinuierlich gegeben ist“, so die Gewässerökologin.
Reinigung des Spoykanals
Positiv sieht sie die Reinigungsarbeiten der Umweltbetriebe der Stadt Kleve (USK), die seit 2019 im Spoykanal zusätzlich zu einem Boot das Amphibien-Kettenfahrzeug Truxor DM 5045 einsetzen, regte aber eine Dokumentation der entnommenen Biomasse an. Weitere nachhaltige Maßnahmen, um ein massives Algenwachstum zu verhindern, seien Nährstoffausfällung bei Bauarbeiten oder Entschlammungen, Flächenentsiegelung und Regenwasserversickerung sowie die Uferbeschattung mit Bäumen. Auch Flachwasserbereiche mit Schilfzonen bzw. schwimmende Schilfinseln sind hilfreich. Dazu gibt es ein aktuelles Projekt vom Nabu und der Hochschule Rhein-Waal, bei dem laut Hannes Jaschinski (HSRW/Grüne) im zweiten Wendebecken eine rund zehn Quadratmeter große Fläche mit Schilf und Blattpflanzen im Wasser schwimmen soll.
„Es gibt nicht die eine kurzfristige Allzwecklösung, sondern wir stehen vor einer konzeptionellen Aufgabe“, sagte Bernhard Klockhaus. Der Leiter des Fachbereichs Tiefbau betonte, dass die Verwaltung an einer Beschattung durch Bäume, aber auch an technischen Möglichkeiten arbeite. Der derzeitige Zustand der Kaskade sei nur eine Interimslösung. „Wir prüfen die Schilfbepflanzung am Ufer und werden wahrscheinlich noch in diesem Monat dazu einen Förderantrag stellen“, kündigte Jürgen Rauer an. „Wir sind an vielen Stellen tätig. Es ist ein Paket von verschiedenen Maßnahmen“, so der Technische Beigeordnete, der konkret Regenrückhaltung und Versickerungsmulden in den Baugebieten An den vier Winden und Bresserberg sowie verpflichtende Gründächer in Neubaugebieten benannte.