Essen. An den Neubau auf dem Weberplatz in der nördlichen Innenstadt knüpft die Stadt hohe Erwartungen. Publikum in Partylaune dürfte sicher sein.

Christoph Kerscht ist jenseits der 60 und damit lange raus aus dem Alter, in dem jungen Leute im Bochumer Bermudadreieck verloren gehen. Von einem solchen Ausgehviertel träumten sie schon in Essen, da war Christoph Kerscht noch Student. Der hält bis heute an diesem Traum fest. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die nördliche Innenstadt eines Tages dem Bermudadreieck Konkurrenz macht“, sagte der Ratsherr und Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Immobiliengesellschaft IME am Freitag (24.1.) bei der feierlichen Grundsteinlegung auf dem Weberplatz.

Dort, wo zu Kaisers Zeiten ein Ledigenwohnheim für junge Männer stand, aus dem das „Haus der Begegnung“ werden sollte, baut der Allbau unter dem Dach der IME ein Wohn- und Geschäftshaus mit dem Namen „Weber 1“. Die 55 Millionen Euro schwere Investition ist die größte des Allbaus in ein einzelnes Gebäude. Sie reiht sich ein in den Bau der Kastanienhöfe an der Rottstraße, wo der Allbau 2016 seine Zentrale bezogen hat, und in die Sanierung der Evangelischen Kreuzeskirche.

Mit dem Abriss und Neubau am Weberplatz bricht die Stadt Essen mit einem Stück Vergangenheit

Oberbürgermeister Thomas Kufen (2.v.l.) legt gemeinsam mit Christoph Kerscht, Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen IME, und Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski (r.) den Grundstein für „Weber 1“.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (2.v.l.) legt gemeinsam mit Christoph Kerscht, Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen IME, und Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski (r.) den Grundstein für „Weber 1“. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Einmal mehr erwarten die Initiatoren des Projektes auf Seiten der Stadt und des Allbau, dass der Neubau zu einem positiven Wandel des Quartiers beiträgt. „Hier entsteht eine neue Vorzeigeadresse“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen und legte die Messlatte hoch.

Durch Abriss und Neubau am Weberplatz bricht die Stadt mit einem Stück Vergangenheit. Das „Haus der Begegnung“ stand unter Denkmalschutz, die Bausubstanz aber war in weiten Teilen marode. „Wir hätten es uns anders gewünscht“, sagte Allbau-Chef Dirk Miklikowski, aber maximal ein Viertel des Altbaus wäre seinen Worten nach zu erhalten gewesen. Aus wirtschaftlichen Gründen habe man sich dagegen entschieden. Immerhin: Die Architektur von „Weber 1“ soll an das „Haus der Begegnung“ erinnern, das gilt für die Fassade und das imposante Dach, das im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen war.

Das Standesamt zieht um von der Hollestraße am Essener Hauptbahnhof in die nördliche Innenstadt

So soll das neue Wohn- und Geschäftshaus am Weberplatz einziehen. Größter Mieter wird das Standesamt.
So soll das neue Wohn- und Geschäftshaus am Weberplatz einziehen. Größter Mieter wird das Standesamt. © Allbau
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Das neue Gebäude dürfte ein Publikum in Partylaune anziehen, denn Mieter wird das Standesamt, das seine Zelte im Gildehofcenter abbricht. 4000 Quadratmeter wird es nutzen. Dazu kommen Gastronomie, Büroflächen und 51 öffentlich geförderte Mietwohnungen. Die Stadt nutzt zudem die Gelegenheit, um auch den Weberplatz neu zu gestalten. Von einer blau-grünen Oase ist die Rede. Man darf gespannt sein. Das alles entsteht fast in Sichtweite der Universität Duisburg-Essen. Einmal mehr ist von einem Brückenschlag die Rede.

Archäologische Funde bremsten die Bauarbeiten, rund 300 Grabstätten wurden freigelegt

Das ehemalige „Haus der Begegnung“ am Weberplatz stand unter Denkmalschutz, war nach Angaben der Stadt aufgrund der maroden Bausubstanz aber nicht zu retten.
Das ehemalige „Haus der Begegnung“ am Weberplatz stand unter Denkmalschutz, war nach Angaben der Stadt aufgrund der maroden Bausubstanz aber nicht zu retten. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Archäologische Funde bremsten die Bauarbeiten zeitweise aus. Von 1623 bis 1830 wurde das Gelände des Weberplatzes als Friedhof genutzt, rund 300 Grabstätten aus dieser Zeit konnten dokumentiert werden. Auch ein kapitaler Blindgänger wurde freigelegt. Für die Entschärfung der Weltkriegsbombe mussten im Umfeld 3000 Bewohner ihre Wohnungen verlassen.

Baukräne werden in Szene gesetzt

Der Allbau will die Baustelle am Weberplatz während der Bauarbeiten in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. So sollen die Baukräne an einem der kommenden Wochenenden mit Scheinwerfern angestrahlt werden. Geplant sind nach Angaben des Bauherrn in den nächsten Monaten zudem Vorlesungen und ein Poetry-Slam auf der Baustelle. Bereits den Neubau der Kastanienhöfe an der Rottstraße hat der Allbau mit einem Kulturprogramm begleitet.

Ob „Weber 1“ alle Hoffnungen erfüllt, wird man sehen. Zur Belebung der nördlichen Innenstadt dürfte die neue Adresse beitragen. Inzwischen bekommen Zaungäste auch einen Eindruck von Ausmaßen. Die mit Holz verschalte Baugrube ist zwar nicht so groß wie das Bermudadreieck, aber verloren kann man sich dort unten sicher vorkommen. Die 2300 Quadratmeter große Bodenplatte ist bereits gegossen. Nun geht es in die Höhe. Anfang 2027 soll alles fertig sein.

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