Essen. Die Essener Tafel verlässt im August den Wasserturm an der Steeler Straße. Tafel-Chef Jörg Sartor gewährte Einblicke in die neue Immobilie.
Die rotbraunen Ziegelsteine. Sie sind das einzige, was an den Huttroper Wasserturm erinnert. Sonst hat die neue Bleibe der Essener Tafel nichts mit ihrem alten Domizil gemein. Seit Jahrzehnten ist der markante Turmbau an der Steeler Straße der Sitz der sozialen Einrichtung. Im August zieht die Tafel um in eine alte Fabrikhalle im Westviertel. Tafel-Chef Jörg Sartor öffnete dort schon einmal die Türen und gewährte einen Blick hinein.
Noch vor einigen Jahren wurden an der Frohnhauser Straße/Ecke Westendhof Kostüme und Anzüge hergestellt von Canda, einer Modefirma aus dem Reich von C&A. Übrig geblieben sind davon nur ein paar Schilder mit dem Namen des früheren Mieters, draußen am Parkplatz. Die weiträumige Halle im Erdgeschoss dagegen ist leer.
Am neuen Standort im Westviertel wird sich die Essener Tafel deutlich vergrößern
1150 Quadratmeter wird die Essener Tafel hier nutzen. „Soviel Platz haben wir uns immer gewünscht“, sagt Jörg Sartor und zeigt in die weite Leere. Das lässt sich bereits sagen: In der künftigen Ausgabestelle geht es großzügiger zu. Anders als im Wasserturm, wo sich die Ausgabe auf 200 Quadratmeter im Erdgeschoss beschränkt. Bedürftige werden dort deshalb nur in kleinen Gruppen hineingelassen. Wer sich vor der Tür zu spät in die Schlange der Wartenden einreiht, steht im Zweifel buchstäblich im Regen. All das soll sich mit dem Umzug ins Westviertel zum Besseren ändern.
Ursprünglich hatte die Tafel ein ganz anderes Gebäude im Blick. Ja, der Umzug in das ehemalige Leihhaus der Stadt Essen an der Söllingstraße im Ostviertel schien eine ausgemachte Sache. Doch der fällige Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes zieht sich hin. Sartor sah sich deshalb nach einer Alternative um und wurde im Westviertel fündig.
Den Innenausbau stemmt die Essener Tafel durch Spendengelder aus eigener Kraft
Die Eigentümer der Immobilie, Erben einer Essener Unternehmerfamilie, seien der Tafel bei der Miete sehr weit entgegen gekommen, berichtet Sartor. So zahlt der neue Mieter nicht mehr als an der Steeler Straße, kaum eine Handvoll Euro pro Quadratmeter. Und dann wären da noch großzügige Spender, die zugesagt hätten, den Innenausbau finanziell zu unterstützen. Denn den stemmt die Tafel selbst. 600.000 Euro seien dafür veranschlagt.
Auf dem frisch verlegten Estrich zeigen rote Markierungen, was wo hin soll. Kühllager, Waschräume und Toiletten wird es geben, auch für die Kunden, berichtet Jörg Sartor. Niemand soll sich mehr in die Büsche schlagen müssen, was am Wasserturm immer wieder vorkomme. Auch soll niemand mehr draußen auf der Straße auf Einlass warten müssen. Ein großzügiges Foyer wird es geben mit Sitzgelegenheiten und Stehtischen, groß genug für bis zu 100 Personen. Auch Sartors Büro fällt größer aus, das heutige gleicht einer Rumpelkammer, in der auch schon mal Bananenkisten lagern.
Hinein ins Gebäude geht es von der Frohnhauser Straße aus, durch einen neuen Eingang, für den noch Fenster weichen müssen. Durch die Lebensmittelausgabe geht es dann nur in eine Richtung in Schleifen bis zum Ausgang. „Dadurch können wir in der gleichen Zeit 25 bis 30 Prozent mehr Leute durchschleusen als heute“, ist sich Sartor sicher.
Bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle sind es etwa 400 Meter
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Einen Nachteil zum Standort an der Steeler Straße gibt es aber: die Verkehrsanbindung. „Die ist am Wasserturm natürlich ideal“, sagt Bernd Jungk, Sartors Stellvertreter. Hält die Straßenbahn doch praktisch direkt vor der Tür. Zur Frohnhauser Straße ist die Anreise weniger bequem. Ein Bus hält jenseits der Kreuzung zur Hans-Böckler-Straße, bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle sind es etwa 400 Meter zu Fuß.
Bis zum 1. August soll alles fertig sein. „Wir wollen freitags am Wasserturm abschließen, und am nächsten Montagmorgen hier aufschließen“, sagt Sartor. Und was wird aus dem Wasserturm? Die Immobilie gehört den Stadtwerken. Die „Fair-Sorger“ hätten Interessen angemeldet. Die Initiative unterstützt Obdachlose mit Essen, Getränken und Kleidung.
Mehrere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Tafel hatten angekündigt, dass sie nicht mit umziehen werden. Nicht wenige sind wie Sartor im Rentenalter. Der will bis zum 12. Juni 2026 als Chef der Tafel weitermachen. „Dann werde ich 70 und schmeiß die Schlüssel weg“, sagt er in der für ihn typischen Art. Bis es soweit ist, gibt es noch genug zu tun.
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