Essen. Schon bald sollen Abbiegezwänge und „unechte Einbahnstraßen“ in Rüttenscheid eingerichtet werden. Das ist der Zeitplan der Stadt Essen.
Eine Weile war es ruhig an der Rüttenscheider Straße, viel diskutiert wurde nicht mehr, nachdem der Stadtrat die Pläne zur weiteren Verdrängung des Autoverkehrs im November 2023 trotz teils erbitterter Widerstände abgesegnet hatte. Jetzt aber wird es langsam ernst, denn zumindest für einige Maßnahmen sind die konkreten Vorbereitungen bei der Stadtverwaltung nunmehr abgeschlossen, bestätigt Verkehrs- und Umweltdezernentin Simone Raskob auf Anfrage. Noch im September sollen als erstes die Abbiegezwänge scharf geschaltet werden, die Teile der Rü in eine so genannte „unechte Einbahnstraße“ verwandeln.
Dazu würden - laut Raskob ungefähr Mitte des Monats - entsprechende Verkehrsschilder und Bodenmarkierungen angebracht, mit denen Autofahrer auf die neuen Gegebenheiten hingewiesen werden. „Wir werden die Maßnahmen außerdem zuvor ausführlich kommunizieren und die Umsetzung in den ersten Tagen begleiten“, verspricht die Dezernentin. Die Sperren und Abbiegezwänge gelten nicht für Fahrradfahrer, vielmehr sollen diese weiter privilegiert werden, wie es mit der Ausweisung der „Rü“ im Jahr 2020 als Fahrradstraße seinen Anfang nahm.
Rüttenscheider Straße: Diese Maßnahmen sind auf der Fahrradstraße geplant
Ziel ist es, neben dem Durchgangsverkehr generell den Autoverkehr auf der Rü zu erschweren und als Folge möglichst zu reduzieren. Der demnächst umzusetzende erste Schritt sieht konkret folgendes vor:
Erstens: Im zentralen Bereich der Rüttenscheider Straße von Martinstraße/Franziskastraße bis zum „Stern“ (Zweigertstraße/Klarastraße), wo es besonders viele Geschäfte gibt, soll die Rü in eine „unechte Einbahnstraße“ umgewandelt werden. Künftig können Autos und der Lkw-Anlieferverkehr nur noch von Süd nach Nord, also Richtung Innenstadt, direkt in die Rüttenscheider Straße einfahren, nicht aber in die umgekehrte Richtung Wer von Nord nach Süd will, muss entweder auf die Zweigert- oder auf die Klarastraße abbiegen. „Wer aus den Nebenstraßen kommt, kann aber weiter in beide Richtungen auf die Rü fahren“, betont Raskob. Es kann und wird also weiter in beiden Richtungen Autoverkehr auf diesem Abschnitt der Rü geben, daher spricht man von „unechter“ Einbahnstraße.
Zweitens: Sowohl von der Huyssenallee nördlich der Rü, als auch von der Bredeneyer Straße im Süden darf man auf direktem Wege nicht mehr die Rüttenscheider Straße befahren. Das Muster ist das gleiche: An der Huyssenallee wird es Abbiegezwänge in Richtung Hohenzollernstraße oder Friedrichstraße geben, von der Bredeneyer Straße aus wird die Rü knapp nördlich der Manfredstraße geschlossen. Autofahrer, die auf die Rü wollen, müssen sich dann über Wohnnebenstraßen oder über die Alfredstraße einen Weg suchen. Die bereits vorhandene Wendeschleife an der U-Bahnrampe in Höhe Manfredstraße dient als Möglichkeit einen U-Turn einzulegen.
OB Kufen behält sich vor, Raskobs Zeitplan noch einmal umzuwerfen
Kurios: Während sich Simone Raskob unserer Redaktion gegenüber klar festlegte, dass noch im September diese Maßnahmen in Kraft treten, erklärte die Sprecherin von Oberbürgermeister Thomas Kufen, der OB habe sich das letzte Wort über den Startzeitpunkt vorbehalten und werde sich noch einmal über die Pläne beugen. „Möglicherweise wird es auch später“, so Silke Lenz.
Diese nicht alltägliche interne Fingerhakelei zeigt noch einmal, dass Teile der CDU und der OB nur mit einigen Bauchschmerzen die Auto-Verdrängung auf der Rü akzeptieren. Es gibt die Sorge, die unbestrittene Vitalität der Einkaufs- und Ausgehstraße könnte Schaden nehmen.
Anders die Grünen, denen Raskob angehört. Sie erzwangen als Partner der CDU dieses für sie auch symbolische Herzensprojekt, mussten dazu allerdings bis zur Drohung gehen, die Ratskoalition zu beenden. Der CDU erschien das als ein zu hoher Preis.
Ungeachtet dessen, lagen die Nerven in der CDU beim Rü-Verkehrsprojekt oftmals blank, zumal auch die mächtige Deutsche Umwelthilfe bei der Durchsetzung indirekt eine nicht unerhebliche Rolle spielte. CDU-Fraktionschef Fabian Schrumpf räumte bei Gelegenheit sogar offen ein, dass man inhaltlich nicht hinter den Plänen stehe.
Komplettsperrung der Rü an Wochenenden, um die Poser zu treffen, kommt erst 2025
Noch nicht in diesem Jahr umsetzungsreif ist laut Simone Raskob die Sperrung der Rü zwischen „Stern“ und der Bertoldstraße. Jeden Freitag und jeden Samstag zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens, ferner an den Abenden und Nächten vor gesetzlichen Feiertagen soll hier für den Kfz-Verkehr kein Durchkommen mehr sein, auch das ist bereits beschlossen. „Hier geht es darum, die Autoposer von der Rüttenscheider Straße fernzuhalten“, sagt Raskob.
Tatsächlich führen diese ihre großvolumigen und oft optisch sowie akustisch aufgebrezelten Karossen gerne an Wochenend-Abenden dem Rü-Publikum vor. Nach dem Motto „sehen und gesehen werden“ fahren die Piloten nicht selten mehrfach die gesamte Rüttenscheider Straße auf und ab, was ihnen durch die Sperren verleidet werden soll.
Dazu sollen digitale Anzeigesysteme installiert werden, die mal die Durchfahrt verbieten und an den anderen Tagen erlauben. Das ist laut Raskob erheblich aufwendiger als die Markierungen für die Abbiegegebote und erfordere außerdem eine Ausschreibung, die Zeit brauche. Irgendwann Mitte 2025 könne dann auch diese Maßnahme scharf geschaltet werden, prognostiziert die Verkehrsdezernentin.
Errichtung weiterer Ladezonen dürfte Pkw-Parkplätze kosten
Ebenfalls 2025 könnte die Einrichtung weiterer Ladezonen für den Anlieferungsverkehr erfolgen. An vielen Stellen an der Rüttenscheider Straße blockieren Lkws vormittags eine der zwei Fahrspuren, um Gastronomiebetriebe zu beliefern. Folge sind zwar kurze, aber lästige Staus, von denen Auto- und Radfahrer dann gemeinsam betroffen sind. Die Einrichtung neuer Ladezonen soll das verhindern, dürfte aber den Wegfall zahlreicher normaler Pkw-Stellplätze bedeuten. Manche sehen das als Problem, andere als weitere günstige Gelegenheit, den Autoverkehr zu verdrängen.
Zu all dem passt möglicherweise, dass die Stadtverwaltung das Parken in Rüttenscheid generell stärker auf Parkhäuser konzentrieren will. Dazu will man laut Simone Raskob das Leitsystem „optimieren“, gegebenenfalls auch ein neues Parkhaus bauen lassen. Wo, das sei aber noch ebenso unklar wie der Zeitplan.
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