Essen. Nach viel Vorab-Ärger zieht sich der Verein aus dem Vorzeigeprojekt für inklusives Wohnen zurück. Zurück bleibt ein Investor – und viel Enttäuschung.
Manche Probleme erledigen sich schlicht durch Liegenlassen, und vielleicht ist das die simpelste Erklärung dafür, dass der Stadt Essen und der lokalen Politik die heikle Entscheidung erspart bleibt, was aus der idyllisch gelegenen Kunstwerkerschule in Bergerhausen wird. Inklusives oder exklusives Wohnen? Die Frage hat sich erledigt, denn die „Aktion Mensch“, die aus der brachliegenden Immobilie in der Nähe des Ruhrufers ein beispielgebendes Wohnquartier für Menschen mit und ohne Behinderung formen wollte, hat das Vorhaben aufgegeben. Zurück bleibt nur noch ein Bieter. Und Enttäuschung auf vielen Seiten.
Enttäuschung etwa über die Essener Planungsverwaltung. Denn die „Aktion Mensch“, eine vor 60 Jahren gegründete Sozialorganisation, die sich der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft verschrieben hat und ihre Projekte aus Lotterieeinnahmen finanziert, sie lässt mehr als nur durch die Blume durchblicken, dass der Rückzug erfolgt, weil man jeglichen Rückenwind der Stadt für das Vorhaben vermisst hatte.
Immer neue Verzögerungen, ein über Monate offensichtlich wenig kooperatives Miteinander und dazu Änderungen im Bieterverfahren, als es mit Blick auf entdeckten Hausschwamm um den Erhalt der maroden Schulgebäudes ging – all dies ließ die Beteiligten offenbar fürchten, dass das Vorhaben auch nach einem möglichen Zuschlag weiter nur ausgesprochen zäh vonstatten gehen würde. Das aber wollten sich weder die „Aktion Mensch“ noch der Bergerhauser Unternehmer und Mit-Investor Dieter Ochel zumuten – immerhin, so heißt es, geht es um eine unternehmerische Entscheidung mit einem beachtlichen Investitions-Volumen. Die Rede war stets von knapp zwölf Millionen Euro.
„Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass unser inklusives Wohnprojekt einen enormen Mehrwert nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für die Nachbarschaft und die gesamte Stadt geboten hätte“, sagt Christina Marx, Sprecherin der „Aktion Mensch“: „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen und wir bedauern den Rückzug sehr.“
Die Erfahrung zeige aber, dass andere Kommunen derlei Vorhaben mehr Rückenwind bescheren. Eine unüberhörbare Kritik an den Partnern auf städtischer Seite, die sich im Investorenwettbewerb nicht einmal trauten, sich für eines der beiden Projekte zu entschieden. Stattdessen wurden beide Pläne mit der exakt gleichen Punktzahl versehen. Sollte doch die Politik einen der Teilnehmer vergrätzen.
Das ist nun nicht mehr nötig. Statt eines inklusiven Wohnquartiers mit 14 Wohneinheiten und Platz für bis zu 45 Bewohner in vier Mehrfamilienhäusern dürfte der Zuschlag damit an die Schlun Projektentwicklung GmbH gehen, die auf dem gut 3300 Quadratmeter großen Areal 30 Wohneinheiten in acht Reihen- und drei Mehrfamilienhäusern plant. Auch damit wird fraglos eine Nachfrage-Lücke auf dem Essener Wohnungsmarkt gefüllt.
Enttäuschung dürfte der Rückzug aber auch bei jenen Initiativen und Organisationen, Anwohnern und Vor-Ort-Politikern auslösen, die das Vorhaben über Monate und Jahre begleitet und sich entschieden für den Erhalt der Kunstwerkerschule eingesetzt hatten, allen voran die Stiftung „Emma und Wir“. Sie hatte mit einer Machbarkeitsstudie das Projekt erst losgetreten. Von der „Aktion Mensch“ gab es dafür am Mittwoch Dankesworte im Überschwang. Die Frage, ob die Organisation ihren Rückzug womöglich noch einmal überdenken werde, beantwortete Sprecherin Marx aber mit einem klaren Nein.