Essen. Inklusives oder exklusives Wohnen – beim Investorenwettbewerb um den idyllischen Standort landen die letzten beiden Interessenten gleichauf.
Es fehlt nicht mehr viel, und der seit 20 Jahren schwelende Streit um die Kunstwerkerschule am Rande des malerischen Siepentals, er würde sich von allein erledigen: Das marode Gebäude, vom „echten Hausschwamm“ befallen und aufgeweicht durchs löchrige Dach, macht womöglich nicht mehr lange.
Doch jetzt bahnt sich in der schier unendlichen Geschichte des markanten, aber eben nicht denkmalgeschützten Baus in Bergerhausen das letzte Kapitel an. Zwei Investoren stehen parat, doch wer die Rettung der Wohnidylle nahe dem Ruhrufer auf seine Fahnen schreiben darf, bleibt offen – bis zuletzt.
Die Stadtverwaltung hält sich augenscheinlich lieber raus. Sie hatte die Suche nach Geldgebern für das rund 3300 Quadratmeter große parkähnliche Grundstück im Februar neu in Gang gesetzt, nachdem im vergangenen Herbst ein Gutachter den Hausschwamm und mit ihm neue Vermarktungsrisiken entdeckte. Ein Verfahren mit einigen Absonderlichkeiten, es gab Knatsch mit Interessenten, stiekum geänderte Kriterien, den Verdacht politischer Einflussnahme, verweigerte Besichtigungen.
Vermintes Gelände also.
„Architektonisch wie städtebaulich überzeugend“, findet die Stadt – in beiden Fällen
Und dann einen neuen Anlauf, Investoren zu suchen. Von dreien blieben zwei bei der Stange: hüben die Aktion Mensch, drüben die Schlun Projektentwicklung GmbH, die beide den gleichen Preis von 1,2 Millionen Euro fürs Areal berappen wollen, um dann allerdings zwei gänzlich unterschiedliche Konzepte zu entwickeln. Die Aktion Mensch plant ein inklusives Wohnquartier mit 14 Wohneinheiten und Platz für bis zu 45 Bewohner in vier Mehrfamilienhäusern, die sich um die alte Schule gruppieren., „ein sowohl architektonisch als auch städtebaulich überzeugendes Konzept“, findet die Stadt.
Aber sie findet eben auch, dass das klassische Wohnquartier der Schlun Projektentwicklung GmbH „durch seine architektonische und städtebauliche Qualität besticht“: 30 Wohneinheiten in acht Reihen- und drei Mehrfamilienhäusern.
Zugespitzt könnte man sagen, dass hier ein inklusives gegen ein exklusives Wohnprojekt antritt, denn die Firma Schlun hat schon an mehreren Stellen im Essener Stadtgebiet ihre Visitenkarte abgegeben, feine Wohngegenden allesamt: Kantorie am Schellenberger Wald, Marienkirche in Steele, Weg zur Platte in Bredeney. Ganz so exklusiv wäre das hier an der Kunstwerkerstraße 98 allerdings nicht, knapp ein Drittel der Wohnfläche ist 30 Jahre lang für öffentlich geförderten Wohnraum reserviert.
Um eine faire Bewertung zu organisieren, hatte die Stadt sich ein Punktesystem erdacht, das verschiedene Kriterien benotete, von der Farbgestaltung bis zum Wohnmix, vom Erhalt der Schulfassade (20 von 120 möglichen Punkten!) bis zur Energie-Effizienz, aber ach: Beide Vorhaben schließen unterm Strich mit der gleichen Punktzahl ab.
Beide Wohn-Varianten werden „dringend benötigt“, beide Entwürfe „gleich gut“
Achselzucken im Amt. Und eine Vorlage für Bezirksvertretung, Planungsausschuss und Stadtrat, die nun der örtlichen Politik die Last auferlegt zu entscheiden, wer den Zuschlag bekommen soll: Die Aktion Mensch, die das Schulgebäude gerne erhalten würde, dies aber nicht garantieren kann; der ein „besonders harmonischer“ Entwurf bescheinigt wird, auch wenn die oberirdische Stellplätze nerven und die Wohnungsbauförderung noch nicht feststeht?
Oder die Schlun Projektentwicklung GmbH, deren Entwurf nach Ansicht der Stadt „ein hohes Maß an Aufenthaltsqualität“ verspricht und eine unterirdische Tiefgarage, die oben mehr Grün ermöglicht? Beide Wohn-Entwürfe würden in Essen „dringend benötigt“, windet sich die Planungsverwaltung, beide Konzepte würden die nutzungsspezifische Qualität „gleich gut“ erfüllen. Tja. Schwarz-Grün hat dem Vernehmen nach schon ein Treffen anberaumt.
In der nächsten Sitzung des Rates am 26. Juni soll die Entscheidung fallen.