Essen. Der Abriss der Orangerie ist beschlossen, der Entwurf des Nachfolgegebäudes wurde jetzt vorgestellt. Geplant ist ein Öko-Haus aus Holz und Lehm.

Die Orangerie im Grugapark wird abgerissen, das ist schon länger klar. Was dort stattdessen konkret entstehen soll, hat die Stadt Essen am Mittwoch (10.7.) erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der nun feststehende Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs zeigt ein neues Eingangs- und Gastronomiegebäude, das sich luftig und leicht in die Grugapark-Landschaft einfügen will und das dabei auf Geheiß des städtischen Bauherrn in ökologischer Hinsicht besonders hohe bauliche Standards erfüllen soll.

Orangerie-Ersatz: Ältere Kostenschätzung beläuft sich auf 15 Millionen Euro

Das macht sich bei den Baukosten des - laut Stadt - „Prestige-Projekts“ bemerkbar: Zum Zeitpunkt der Wettbewerbsausschreibung rechnete man bei der Gruga-Verwaltung mit stolzen 15,1 Millionen Euro. Dass es am Ende noch bedeutend teurer wird, wäre keine allzu große Überraschung.

Dass das Projekt gerade jetzt und durchaus mit Priorität verfolgt wird, hängt nicht nur mit dem maroden Zustand der Orangerie zusammen, sondern auch mit einem wichtigen Datum: Im Jahr 2029 feiert der Grugapark seinen 100. Geburtstag, der neue Gebäudekomplex soll dann möglichst schon ein Jahr fertig sein, der Betrieb sich eingespielt haben.

Die marode und als unzeitgemäß empfundene Orangerie wird spätestens 2026 abgerissen. Erhalten bleibt das frühere Terrarium am linken Bildrand (rosa Wandfarbe), das modernisiert und mit einer Holzfassade optisch an den Neubau angepasst wird.
Die marode und als unzeitgemäß empfundene Orangerie wird spätestens 2026 abgerissen. Erhalten bleibt das frühere Terrarium am linken Bildrand (rosa Wandfarbe), das modernisiert und mit einer Holzfassade optisch an den Neubau angepasst wird. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Der Orangerie-Bereich soll so etwas wie der heimliche Haupteingang werden

Noch stärker als bisher, soll das jetzige Orangerie-Areal dann so etwas wie der bauliche Mittelpunkt des Parks sein, wenn man so will: der heimliche Haupteingang. Neben dem Kassenbereich wird es hier nach den vorgelegten Plänen einen neuartigen Grugapark-Shop, ein Restaurant mit Innen-und Außenplätzen, einen Kiosk für den kleinen Durst und Hunger - und nicht zuletzt eine große Toilettenanlage geben.

Während früher eine Güterzugtrasse die Orangerie nach hinten abschottete und hier deshalb ursprünglich auch gar kein Park-Eingang war, hat sich dies seit dem Umbau zum Rad- und Gehweg „Grugatrasse“ geändert. Zumindest Radfahrer und Fußgänger aus der Umgebung nutzen diesen Zugang recht intensiv, während autofahrende Besucher überwiegend andere Eingänge mit besserem Parkplatzangebot wählen.

Betrachten das Modell des Neubaus (v.l.): Andreas Kipar (Jury-Mitglied), Oberbürgermeister Thomas Kufen, Melanie Ihlenfeld, Leiterin Grün und Gruga, Architekt Martin Bez und Umweltdezernentin Simone Raskob.
Betrachten das Modell des Neubaus (v.l.): Andreas Kipar (Jury-Mitglied), Oberbürgermeister Thomas Kufen, Melanie Ihlenfeld, Leiterin Grün und Gruga, Architekt Martin Bez und Umweltdezernentin Simone Raskob. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Wegen der zentralen Lage im Park und der Bedeutung des Standorts lobte die Stadt einen Architektenwettbewerb aus, der zwar kostspielig und aufwendig ist, aber in der Regel auch bessere Ergebnisse erbringt. Elf Büros reichen Entwürfe ein, durchgesetzt hat sich das Stuttgarter Büro „bez+kock“, das bereits den Wettbewerb um den Neubau der Frida-Levy-Gesamtschule gewonnen hatte. „In Essen haben wir gerade einen guten Lauf“, kommentiert dies Mitinhaber Martin Bez, der die Gruga-Pläne am Mittwoch in Essen vorstellte. Diese Pläne wie auch die nachrangig prämierten Entwürfe können noch bis 15. August täglich von 9 bis 18 Uhr im Eingangsbereich der Orangerie angesehen werden.

Im früheren Terrarium soll nach der Sanierung auch Platz für Vereine sein

Zur Architektenaufgabe zählt auch die Modernisierung und bauliche Integration eines links neben der Orangerie stehenden rosafarbenen Altbaus aus den 1950er Jahren, der erhalten bleibt. Ältere Gruga-Gänger kennen das Gebäude noch als „Terrarium“, vor Jahrzehnten waren hier Schlangen und Krokodile zu besichtigen. In diesem Haus wird das Umweltbildungszentrum Schule Natur erweiterte Räumlichkeiten erhalten, auch Büroflächen für die Grugapark-Verwaltung bleiben erhalten, und schließlich sollen Rüttenscheider Vereinen, Parteien und Instititutionen hier als Ersatz für die Orangerie Versammlungsräume geboten werden.

Im Mittelpunkt steht aber natürlich der Neubau mit seinem filigranen Holzdach und den kubischen Gebäudeteilen, die sich laut Martin Bez an der Form der bepflanzten „Farbenterrassen“ aus den 1960er Jahren orientieren wollen, die gleich nebenan den breiten Gruga-Hauptweg säumen. Selbstredend werden die Dächer teils üppig begrünt, teils mit Photovoltaik-Elementen zur Stromerzeugung versehen.

OB schwärmt von „neuen Maßstäben“ beim ökologisschen Baustandard

So sah dieser Teil des Grugaparks einmal aus, bevor die Orangerie gebaut wurde: Links die vier Pflanzenschauhäuser, rechts der Gebäude-Kubus des Aquariums, in dem Fische gehalten wurden und besichtigt werden konnten.
So sah dieser Teil des Grugaparks einmal aus, bevor die Orangerie gebaut wurde: Links die vier Pflanzenschauhäuser, rechts der Gebäude-Kubus des Aquariums, in dem Fische gehalten wurden und besichtigt werden konnten. © Hartung

Das ökologisch Musterhafte, das auch OB Thomas Kufen sehr wichtig gewesen sein soll, ergibt sich aber vor allem aus den Grundstoffen Holz und Lehm. Der Lehm werde laut Martin Bez nach alter Väter Sitte in hölzerne Wandformen gegossen, gepresst und getrocknet und soll dann hohe Stabilität mit guter Dämmung und großer Nachhaltigkeit verbinden. Lehm gebe es überall, „und wenn ich das Haus nicht mehr brauche, wird es wieder zu Erde“, so der Architekt. Dank solcher Extras werde das Haus „neue Maßstäbe setzen“, schwärmte Kufen.

Den Siegerentwürf gekürt hat eine Fachjury, ihr Sprecher, der Landschaftsplaner Andreas Kipar, attestierte dem Entwurf, er zeige „Haltung“ und sei eben mehr als ein „Kleid ohne Körper und Seele“. Das habe man gewürdigt. Die Stärke des neuen Gebäudekomplexes sei ferner, dass er anders als die jetzige Orangerie zu allen Seiten offen ist. „Es gibt keine Rückseite“, so Kipar.

Der Neubau wird bedeutend weiter in den Park hineinragen

Der Preis ist allerdings, dass der Baukomplex weiter in den Park hineinragt und die jetzige große Asphaltfläche zwischen der Kranichwiese und dem Beginn der Gebäude ungefähr halbiert wird. Auch ein Teich muss dann weichen, sodass insgesamt eine völlig neue räumliche Situation entsteht. Dieses Hineinrücken habe man bewusst gewollt, betont Architekt Martin Bez. „Die Gastronomie ist dann nicht mehr am Rand, sondern zentral.“

Es gab indes zum Siegerentwurf auch andere Meinungen. Beim Rundgang und bei der Würdigung der nächstplazierten Entwürfe monierten Kritiker, dass man für das gleiche Geld womöglich mehr Nutzfläche hätte erhalten können. So orientierte sich beispielsweise das Berliner Büro, das den dritten Preis erhielt, stärker an der klassischen Architektursprache im Grugapark, verzichtete auf eine besonders gefällige Rückseite, ging mehr in die Länge statt in die Breite des Parks. Juror Andreas Kipar sah darin aber zu wenig „Haltung“ in Richtung neuartiger Gestaltungsideen.

Bis 2028, spätestens aber zum 100-Jahr-Jubiläum der Gruga soll alles fertig sein

Wie geht es nun weiter? Nach Angaben von Umweltdezernentin Simone Raskob soll nach ausgiebiger Detailplanung im Jahr 2026 der Abriss der Orangerie erfolgen, zur Gartenausstellung IGA im Jahr 2027 soll dann möglichst schon einiges vom Neubau zu sehen sein, auch im Sinne einer „Schaubaustelle“, die zeigen werde, wie Essen hier ökologisch musterhaft vorgehe. 2028 stünde nach diesem Zeitplan die Fertigstellung. Für die jetzt bestehende Gastronomie sind in der Bauzeit Provisorien geplant.

Klar ist: Dem während seiner gesamten Existenz ständig gewandeltem Grugapark steht der größte Umbau ins Haus, seit er in den frühen 1980er Jahren unter Raskobs fernem Vorgänger Karl Gabriel baulich auf Postmodern getrimmt wurde. Damals entstand nach Abriss der historischen Pflanzenschauhäuser, des Aquariums und des Seehundbeckens unter anderem der Orangerie-Komplex. Der ist heute nicht nur veraltet und marode, auch die Architekturqualität gilt als bestenfalls mäßig. Bleibt zu hoffen, dass dem neuerlichen Neubau mehr Dauer beschert ist als gerade mal gut vier Jahrzehnte.

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