Essen-Schonnebeck. Auch wer sich nicht fürs Lesen interessiert, soll sich in den Stadtteilbibliotheken wohlfühlen. Wie das gelingen kann, zeigt Schonnebeck.

Ein großer Bildschirm, Spielekonsolen, Sitzsäcke: Eine „Gaming-Zone“ in einer Bücherei? Doch, richtig gesehen. Regale voller Bücher gibt es natürlich auch, jede Menge. Aber wie passt das zusammen?

Die Essener Stadtteilbüchereien sind dabei, sich neu zu erfinden: „Das klassische Angebot ist nur noch ein Bestandteil dessen, wie es sein soll“, sagt Anja Flicker, Direktorin der Stadtbibliothek. „Eine Bücherei bedeutet nicht mehr nur Bücher, sondern ist ein Ort zum Ausprobieren.“ Dieses neue Selbstverständnis kam nicht von heute auf morgen, eigentlich ist es immer noch dabei, sich zu entwickeln. In einigen Büchereien ist, zumindest auf den ersten Blick, alles noch beim alten, in anderen ist die Aufbruchstimmung deutlich spürbar. Ein Paradebeispiel für die Bücherei als Ort des Austauschs, des Lernens, natürlich auch des Lesens, des Spielens und Tüftelns ist die Bücherei in der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck.

Essener Stadtteilbüchereien stellen ihr Angebot auf Märkten und in Elterncafés vor

Unfreiwillig kommen derzeit auch die Stoppenberger Büchereinutzer in den Genuss des umfangreichen Angebotes. Denn ihre eigene Zweigstelle ist seit einer ganzen Weile geschlossen – der Personalmangel macht sich auch in Bibliotheken bemerkbar, dagegen können Enthusiasmus und neue Ideen nicht viel ausrichten. Zumindest fürs Erste. Langfristig sollen die Stadtteilbüchereien und auch deren Personal neu organisiert werden. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Leiterin der Stadtteilbibliothek Schonnebeck, Jasmin Dehl, möchte in ihrer Bibliothek Angebote für viele verschiedene Interessen machen.
Die Leiterin der Stadtteilbibliothek Schonnebeck, Jasmin Dehl, möchte in ihrer Bibliothek Angebote für viele verschiedene Interessen machen. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Die Stoppenberger jedenfalls, die zu Besuch nach Schonnebeck kommen, seien positiv überrascht, wie eine Bücherei auch sein könne, sagt die Leiterin Jasmin Dehl. Während die Stoppenberger Zweigstelle in einer ehemaligen Sparkassenfiliale sehr dunkel sei, relativ klein, und auch nicht barrierefrei, kann Dehls Zweigstelle im Gesamtschul-Neubau alles anbieten, was zum modernen Bücherei-Selbstverständnis gehört: Neben der Gaming-Zone sind das zum Beispiel ein Maker-Space, ein 3D-Drucker, ein Bereich zum Lernen, ein Mini-Café, die von Ehrenamtlichen organisierte internationale Bücherei und viel Platz zum gemütlichen Schmökern und Spielen.

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Damit nicht immer der Zufall oder gar eine Schließung wegen Personalmangels vonnöten ist, um Menschen auf das Angebot aufmerksam werden zu lassen, gehen die Büchereimitarbeiterinnen immer öfter auch selbst raus in die Stadtteile. „Wir wollen nicht nur auf die Leute warten“, sagt Anja Flicker. Also nehmen sie ihr Lastenfahrrad und bepacken es mit Büchern, besuchen Märkte, Elterncafés, Kitas und Schulen, und laden die Leute bei dieser Gelegenheit direkt zu sich ein: zu einer der vielen Veranstaltungen, zu Aktionen und Workshops. Alle zwei Wochen etwa kommt der Imker in die Gustav-Heinemann-Bibliothek und erklärt Kindern und Erwachsenen seine Arbeit. Es gibt Robotik-Workshops, Buch-Upcycling und andere DIY-Angebote, Bilderbuchkino und Kreativlabore.

Bücherei in Stoppenberg weiterhin geschlossen

In einigen Stadtteilbüchereien kann der Personalmangel auch durch sogenannte „Selbstverbucher“ aufgefangen werden: Nutzer können die Bücher an einem Automaten in der Bücherei abgegeben und ausleihen. So muss nur Wachpersonal vor Ort sein. Allerdings gibt es in der Stoppenberger Bücherei die entsprechende Infrastruktur nicht, und der Automat müsste auch erst einmal finanziert werden. Wann die Zweigstelle in Stoppenberg wieder eröffnet, ist daher unklar.

„Wir überlegen, was wir neben der bibliothekarischen Arbeit noch tun können, was für die Leute gut ist“, sagt Jasmin Dehl. „Eine Bibliothek kann so viel anbieten und leisten, ein wichtiger Ort sein, ohne dass wir alles selbst können müssen.“ Deshalb kämen immer öfter auch Kooperationen mit Initiativen oder Einzelpersonen zustande. „Wer will, kann unsere Räume und die Infrastruktur nutzen. Wir unterstützen bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen.“

Thematisch sei man völlig offen, „nur zu unseren demokratischen Werten muss es passen“. Das Buch als solches müsse dabei gar keine Rolle spielen, und es gehe auch nicht darum, dass am Ende jemand ein Buch ausleihe. „Wir definieren uns nicht mehr über Ausleihzahlen. Wir sind ein Ort, an dem man einfach sein kann“, sagt Anja Flicker. Denn wer in einer der Büchereien lernen, spielen oder natürlich lesen will, braucht keinen Mitgliedsausweis. Was viele allerdings nicht wüssten. Noch nicht.

Über die neuen Angebote in den Essener Büchereien finden manche doch den Zugang zu Büchern

Bauarbeiten schränken Zugang ein

Aufgrund von Bauarbeiten an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule gibt es aktuell Einschränkungen beim Parken und beim Zugang der Bibliothek, meldet die Stadt: Der Zugang vom Parkplatz Nord-Ost-Bad zur Bibliothek sei momentan nicht möglich. Die Bibliothek sei nur von Straßenseite Schonnebeckhöfe erreichbar, da ein Großteil des Schulhofes durch Bauarbeiten gesperrt sei. Parkmöglichkeiten finden sich an den Straßen Riegelweg und Schonnebeckhöfe. Die Dauer der Einschränkungen beträgt laut Stadt voraussichtlich drei bis vier Wochen, also mindestens bis Ende Juli.

Die Stadtteilbibliothek Schonnebeck hat während der Ferien durchgehend mit einem Ferienprogramm geöffnet. Weitere Informationen zu den Öffnungszeiten finden Interessierte auf der Internetseite der Stadtbibliothek: stadtbibliothek-essen.de

Hannah Benz gehört zum Team der Stadtteilbücherei in Schonnebeck. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen kümmert sie sich um Workshops, Veranstaltungen und natürlich auch um Bücher.
Hannah Benz gehört zum Team der Stadtteilbücherei in Schonnebeck. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen kümmert sie sich um Workshops, Veranstaltungen und natürlich auch um Bücher. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Was aber bleibt für die Bibliothekarinnen zu tun, wenn ihre Kernkompetenz, die Bücher, nicht mehr die Hauptrolle spielen? Diese Frage müsse sie sich immer mal wieder stellen lassen, sagt Anja Flicker. Doch schließlich würden auf diese Weise zeitliche Kapazitäten frei, die man anders sinnvoll nutzen könne: um neue Formate zu entwickeln zum Beispiel, oder Veranstaltungen zu planen, um bei Recherchen oder Projekten zu unterstützen, für Menschen mit Redebedarf, die einsam seien – oder eben doch eine ausführliche Buch-Beratung wünschen. „Der menschliche Aspekt wird viel größer“, sagt Jasmin Dehl. „Wir haben hier auch eine soziale Funktion.“

Viele Kinder, die eigentlich zum Zocken kommen, geben am Ende übrigens auch den Büchern eine Chance, berichtet Jasmin Dehl. „Erst wird gespielt, und nach einer Weile haben oft alle ein Buch in der Hand. Es hat schon einen Grund, warum wir die Mangas genau dorthin gestellt haben.“

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