Essen-Stoppenberg. 25 Jugendliche aus Essen sorgen im Auftrag der Allbau GmbH für Sauberkeit im Quartier. Warum das so ist – und wieso beide Seiten profitieren.
Müll im Wohnumfeld: Die einen interessiert er nicht, für die anderen ist er ein Problem und Ärgernis. Das ist nicht nur in Essen so, aber eben oft dort, wo viele Menschen zusammenleben. Beispielsweise am Nothofsbusch in Stoppenberg. Dort und in drei anderen Quartieren der städtischen Wohnungsgesellschaft Allbau läuft seit mehr als zehn Jahren das „Taschengeld-Projekt“. Erreichen will der Allbau über das Vorhaben die Jugendlichen vor Ort. Profitieren sollen alle, auch das Viertel selbst.
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15 große Häuser, drei Spielplätze, 1000 Menschen: Am Nothofsbusch kommt, wie man so schön sagt, die ganze Welt zusammen. Ein Großteil der Bewohner hat eine Migrationsgeschichte, und auch der Anteil an Kindern und Jugendlichen ist mit 33 Prozent gut doppelt so hoch wie im städtischen Durchschnitt. Auch Milad Hashoorzada (21), Martin Ballo (17) und Maiwand Popal (14) wohnen im Allbau-Quartier in Stoppenberg. Alle drei haben einen Fluchthintergrund, alle drei gehören zum „Taschengeld-Projekt“, das Milad Hashoorzada als Vorarbeiter koordiniert. Das Konzept: Die Jugendlichen sind zweimal wöchentlich für jeweils eine Stunde im Wohngebiet unterwegs. Sie sammeln Müll ein und erhalten im Gegenzug – angelehnt an den Mindestlohn – bis zu 100 Euro pro Monat.
Weniger Müll für mehr Wohnqualität in Essener Quartieren
Die Gleichung selbst ist einfach: Weniger Müll steht für mehr Aufenthalts- und Wohnqualität. Doch dem Allbau geht es durchaus um mehr. Sozialmanager Michael Minuth: „Ein gepflegtes Wohnumfeld ist nur ein Aspekt. Wir haben aber auch einen pädagogischen Anspruch, das heißt, wir wollen den Jugendlichen aus den Quartieren die Gelegenheit geben, etwas für ihr Viertel zu tun – gegen eine Entlohnung. Die ist natürlich ein wichtiger Anreiz. Allerdings ist es nicht selbstverständlich, beim Projekt anfangen zu können. Die Jugendlichen müssen sich bei uns bewerben, mit einem Anschreiben und einem Lebenslauf.“
Auch ein Bewerbungsgespräch ist Pflicht. In Stoppenberg führt Minuth das gemeinsam mit der Jugendhilfe Essen. „Da gibt es Experten für Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgespräche. Und mit denen gestalten wir als erste Vorbereitung auf das spätere Berufsleben so ein Gespräch.“
Eine Rückmeldung darüber, wie sich die Jugendlichen geschlagen haben, gibt es sofort. Und auch, ob es für einen Platz im Team gereicht hat, erfahren die Bewerber relativ schnell. Gymnasiast Maiwand zumindest hat „schon nach ein paar Tagen erfahren, dass ich einsteigen kann“. Warum er mitmacht? „Weil ich morgens auf dem Weg zur Schule gesehen habe, dass hier viel Müll auf dem Boden liegt. Das fand ich nicht besonders gut. Deshalb habe ich mir, als ich 14 geworden bin, gedacht, dass ich daran etwas ändere.“ Sein Kollege Martin ist seit drei Jahren dabei. „Ich bin über meinen Bruder zum Projekt gekommen, der hat das vorher gemacht, und dann habe ich mich auch beworben.“
Sieben Plätze für Projekt am Essener Nothofsbusch
Sechs der sieben Projekt-Plätze im Quartier Nothofsbusch sind derzeit besetzt. Minuth hat zudem vier weitere Bewerber „in der Warteschleife“, die bereits ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch absolviert haben. Stadtweit sind derzeit 25 Jugendliche für den Allbau im Einsatz. Mädchen und Jungen, sämtlich zwischen 14 und 18 Jahren alt, lediglich die Vorarbeiter dürfen älter sein. Milad Hashoorzada studiert eigentlich Maschinenbau und hat sich die Position als Koordinator der örtlichen Projektgruppe wortwörtlich erarbeitet. Seit acht Jahren gehört er zum „Taschengeld-Projekt“. „Als ich damals angefangen habe, war die Situation hier im Viertel deutlich schlimmer, wir mussten sehr viel Müll einsammeln.“
Mittlerweile, so der 21-Jährige, habe sich die Situation gebessert, seien die Bewohnerinnen und Bewohner sensibler, was das Thema Müll angehe – was nicht nur, aber auch am „Taschengeld-Projekt“ liege. „Denn die Jugendlichen“, ergänzt Minuth, „sind wichtige Ansprechpartner für die Menschen im Quartier“. Für Senioren beispielsweise, die manchmal darum bitten, dass der Sand vom Spielplatz zusammengefegt wird, damit die Gehwege nicht zu rutschig sind. „Zugleich geben die Jugendlichen an uns weiter, wenn es irgendwo Problem-Ecken gibt, bei denen sie an ihre Grenzen stoßen.“
Bei Sperrmüll auf Essener Garagendächern kommt der Quartiershausmeister zum Einsatz
Denn bei großflächig entsorgtem Sperrmüll oder Abfall auf den Garagendächern ist Schluss für das „Taschengeld-Team“. Hier kommt dann Quartiershausmeister Michael Brieger zum Einsatz. Sein Fazit: „Beim Thema Müll muss man immer dranbleiben. Man muss die Leute immer wieder ansprechen, aufklären und mitnehmen. Man darf da nicht nachlassen. Das ist zeitintensiv, aber es zeigt durchaus Erfolg.“
Minuth sieht das ähnlich: „In Quartieren, in denen es einen bestimmten, nicht unbedingt positiven sozialen Index gibt, überlagern Alltagsprobleme die Bereitschaft, sich mit dem Thema Müll im Wohnumfeld auseinanderzusetzen.“ Heißt: Die Menschen haben andere Sorgen. Weshalb auch der Sozialmanager die Bewohner regelmäßig anspricht und zu sensibilisieren versucht. Gemeinsame Quartiers-Aktionen wie der städtische „Sauber-Zauber“ oder auch das Angebot einer „Sperrmüll-Garage“ als zentralem Sammelplatz für alte Möbel und Co. zahlen gleichermaßen auf das Gemeinschaftsgefühl im Viertel wie auf eine Unterstützungskultur ein.
Umsetzung in vier Allbau-Quartieren
Das Taschengeld-Projekt läuft derzeit in vier Quartieren des Allbau: am Mitzmannweg in Bochold, am Hangetal und am Nothofsbusch in Stoppenberg sowie an der Vorrathstraße im Ostviertel.
Auch in Altendorf und in den Südosthöfen konnten sich Jugendliche lange Zeit einbringen.
Das Projekt im Südostviertel wurde nach der Komplettsanierung der Anlage zunächst nicht wieder aufgebaut, eine Fortsetzung in Zukunft ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen.
Mit Pickzange, Handschuhen und Müllbeuteln ziehen Milad, Martin und Maiwand auch an diesem Tag durchs Wohngebiet. Das Wetter ist gut, viele Menschen sind draußen, es gibt einiges zu tun. Der Umgang mit vollen Windeln und Essensresten ist nicht jedermanns Sache, aber das „Taschengeld-Team“ macht das Beste aus der Situation. „Wenn wir Pfandflaschen finden“, sagt Milad Hashoorzada, „gehen wir von dem Geld auch schon mal gemeinsam Pizza essen“.
Minuth holt zum Abschluss die Dankeskarte einer Teilnehmerin hervor. Die Jugendliche war drei Jahre beim „Taschengeld-Projekt“ dabei und startet jetzt in ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Beides, Karte und FSJ, sind alles andere als die Regel. Für Minuth jedoch sind sie ein Beleg dafür, dass die Idee greift. Und das über das Thema Sauberkeit hinaus.
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