Essen. Nora Abdel-Maksouds Turbo-Komödie „Jeeps“ erlebt ihre Wiederaufnahme im Grillo-Theater. Das sagt Regisseur Rafael Sanchez über das Stück.

Drei junge Regie-Talente hat einst Intendant Anselm Weber in seiner Ära an das Schauspiel Essen verpflichtet. David Bösch, Roger Vontobel und Rafael Sanchez haben inzwischen Karriere gemacht, sind selbst Intendanten oder Schauspieldirektoren geworden. Rafael Sanchez, der eine Interimsintendanz am Schauspiel Köln übernommen hat, wechselt im kommenden Jahr an das renommierte Schauspielhaus Zürich. Mit der Inszenierung der begehrten Komödie „Jeeps“ kehrt er zu seinen Anfängen am Grillo-Theater zurück.

Anlässlich der Wiederaufnahme des Stücks ab 19. Oktober veröffentlichen wir den Artikel zur Premiere erneut.

Rafael Sanchez kehrt nach 15 Jahren zurück ans Essener Grillo-Theater

Die Situation ist für Rafael Sanchez damals wie heute ähnlich. 2008, kurz bevor er das innovative Theater Neumarkt in Zürich mitleiten sollte, brachte er Molières Tartuffe“ auf die Bühne. Der Hauptdarsteller erkrankte und musste ersetzt werden. 15 Jahre, zwei Kinder und viele Berufserfahrungen später ist es Nora Abdel-Maksouds „Jeeps“. Es fallen drei von vier Ensemblemitgliedern aus. Die Premiere ist nicht zu retten und wird drei Monate verschoben. Am 26. April soll es so weit sein.

Mit dabei sind erneut Schauspielerin Bettina Engelhardt, Musiker Cornelius Borgolte und Bühnenbildner Thomas Dreissigacker, der sehr fein um die Ecke gedacht hat und ein ehemaliges Casino in ein Jobcenter umbaut, wo man, wie ursprünglich, Geld gewinnen oder leer ausgehen kann. Hier spielt das Stück von 2021, das nach der Uraufführung nicht in den Schubladen der Theater liegengeblieben ist. Es wird von Hamburg bis München gespielt. Denn Nora Abdel-Maksouds „Jeeps“, das vor zwei Jahren den „Stücke“-Wettbewerb in Mülheim stark eröffnete, vereint Realsatire und Gesellschaftskritik. Das hat Seltenheitswert.

Regisseur Rafael Sanchez im Bühnenbild der bitterbösen Erbschaftskomödie „Jeeps“ im Grillo-Theater in Essen.
Regisseur Rafael Sanchez im Bühnenbild der bitterbösen Erbschaftskomödie „Jeeps“ im Grillo-Theater in Essen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auch Rafael Sanchez fährt fasziniert darauf ab. „Ein tolles Stück. Es hat ein Thema, das mich erbost und ist als Komödie geschrieben. Und nicht, um sich lustig zu machen, sondern um Argumente auszuhebeln“, erklärt der gebürtige Basler. Es geht ums liebe Geld, über das man nicht spricht, aber mit Zähnen und Klauen verteidigt. In einer nahen Zukunft hat die Politik das Erbrecht mit seinen Schlupflöchern reformiert und will so für eine gerechtere Verteilung des vermachten Vermögens sorgen.

Wie rasant und bitterböse es bei „Jeeps“ zugeht, sehen Sie in diesem Video

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„Die Erben werden enteignet. Das Geld geht an den Staat und wird vom Jobcenter per Lotterie vergeben. Jeder kann sich für ein Los bewerben“, so Rafael Sanchez über die radikale Idee der Autorin, die sie in bitterbösem Witz verpackt. „Man kann sie nicht umsetzen, weil Menschen, die das Geld haben, und Politiker wie Christian Lindner (Anm. d. Red.: Finanzminister, FDP) oder Beatrix von Storch (Anm. d. Red.: AfD-Politikerin) das verhindern würden.“

Ausgehend von einer Katastrophe erzählt Rafael Sanchez in schnellen Schnitten mit „Ruhrpottschmankerln“ und vier Figuren, wie es so weit kommen konnte. In ihnen spiegeln sich die gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie halten Rückschau oder treffen im Schlagabtausch aufeinander. Da sind die enterbte Silke, die ihr Erbe zurückhaben will, Bürgergeld-Empfängerin Maude, der das Flaschenpfand von der Grundsicherung abgezogen wird, sowie die Beamten Gabor, der unbestechlich ist und zwölf Jahre auf einen Jeep gespart hat, und Armin, der sein privates Vermögen in Menschen gesteckt hat. Gewinnen kann keine von den Figuren. Nur die Zuschauenden.

Regisseur wünscht sich, dass alle gerecht besteuert werden

„Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. Gleichzeitig werden 400 Milliarden Euro pro Jahr vererbt“, heißt es in der Komödie, die Anlass zum Nachdenken und nicht zum Abschalten gibt. Sanchez schätzt es mittlerweile auf 500 Milliarden. Wie viel Erbmasse das bezogen auf Essen ist, weiß er nicht. Die Dunkelziffer ist bundesweit hoch. Nur so viel hat das Schauspiel Essen herausgefunden: Rund 100.000 von 596.246 Essener Einwohnern sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Was wünscht Rafael Sanchez diesen Menschen? Er würde gar nicht mal zu solchen drastischen Mitteln greifen. „Ich wünschte, dass alle gerecht besteuert werden. Vor allem die, die ohne Arbeit an ihr Geld gekommen sind. Dann wäre das Problem gelöst“, meint er. Und seinen Kindern, die den 49-Jährigen irgendwann nach seiner Karriere beerben werden? Er lacht. „Das letzte Hemd hat keine Taschen. Ich werde mein Geld vorher ausgeben. Sie sollen arbeiten gehen.“

Besetzung und Termine von „Jeeps“

Die Komödie „Jeeps“ von Nora Abdel-Maksoud ist ab Samstag, 19. Oktober, um 19.30 Uhr wieder im Grillo-Theater zu sehen.

Zum Ensemble gehören neben Bettina Engelhardt, Floriane Kleinpaß, Mansur Ajang und Christopher Heisler.

Karten unter 0201 81 22 200 und online auf www.theater-essen.de. Weitere Termine: 26.10., 23.11.

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