Essen. Seit der Essener Klinikbetreiber 2020 seine ehrgeizigen Pläne vorstellte, explodierten Preise und Zinsen. Es gibt Abstriche, heißt es. Nur wo?
Baukonzerne, die nicht mehr bauen, und Projektentwickler, die nichts mehr entwickeln; geplatzte Träume und eine Insolvenz nach der anderen: Die drastisch gestiegenen Material- wie auch Personalkosten auf dem Bau sowie die rapide gestiegene Zinsen haben im Markt der kleinen wie auch der großen Vorhaben tiefe Spuren hinterlassen. Wie viele andere, so nimmt auch der Klinik-Betreiber Contilia seine ehrgeizigen Pläne fürs Philippusstift in Borbeck noch einmal unter die Lupe: Reicht das Geld?
Denn was da vor drei Jahren als neu gestaltete Krankenhaus-Landschaft im Essener Norden und Nordwesten skizziert wurde, jonglierte schon in den ersten Präsentationen mit schwindelerregenden Zahlen: Nicht weniger als 118 Millionen Euro soll der Umzug der Psychiatrie vom Philippusstift ins ehemalige Altenessener Marienhospital und hernach ein wuchtiger Neubau im Innenhof der Borbecker Klinik kosten. Oder müsste es nun heißen: sollte?
Fürs gleiche Geld „kriegen sie das heute definitiv nicht gebaut“, sagen Branchenkenner
Denn was damals, im Herbst 2020, für 118 Millionen Euro zu bauen war, „das kriegen sie heute dafür definitiv nicht gebaut“, sagt ein Essener Kenner der Projektentwickler-Materie, der seinen Namen als „Miesmacher“ großer Pläne lieber nicht in der Zeitung sehen will: Die Baukosten seien im Mittel um 18 bis 20 Prozent gestiegen, die Zinsen haben sich – verglichen mit damals – in etwa vervierfacht. „Sie bekommen vielleicht noch 80 Prozent der Bauleistung von damals.“
„Unser Ziel ist es, mit diesem Budget klarzukommen“, sagt Contilia-Geschäftsführer Dirk Albrecht dennoch in einer Mischung aus Zuversicht und Trotz – und spricht von einem laufenden Prozess der Optimierung: „Es wird Abstriche geben“, klar. Wo und in welchem Umfang, da mag sich Albrecht bis auf weiteres nicht festlegen. Er geht davon aus, dass es gelingt, „das bisherige Leistungsspektrum beizubehalten“.
Die hohe Fördersumme – „Belohnung“ dafür, dass Contilia zwei Kliniken dicht machte
Eine Illusion, sagen manche in der Branche. Es wäre keine, würden die Finanzquellen fürs „neue“ Philippusstift in einem ähnlichen Maße sprudeln wie die Zahlen auf der Kostenseite, doch genau das ist nicht der Fall: Die Summe von 94 Millionen Euro, die als Fördermittel aus dem sogenannten Infrastrukturfonds fließen, sie wird nicht aufgestockt. Die Summe ist fix, räumt Albrecht ein, eine Inflations-Automatik gibt es nicht.
Kritiker formulierten stets, die stattliche Summe, gespeist aus Töpfen von Land und Bund, sei wohl die „Belohnung“ dafür, dass Klinikbetreiber Contilia einst zwei Krankenhäuser, das Marienhospital in Altenessen und das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg, dicht machte. Dass das Geld in der Folge und nicht zuletzt durch Energiekrise und Ukraine-Krieg immer mehr an Wert verlor, verantwortet gleichwohl nicht der Gesundheitskonzern, denn mit Abgabe des Förderantrags war der dem Bearbeitungs-Tempo der Prüfer ausgeliefert.
Seit Jahren wird gebaut und renoviert – für bessere Optik und ein besseres Gefühl
Die signalisierten erst vor weniger Wochen, dass die Baupläne samt und sonders genehmigt sind und der Weg damit frei, den großen Umbau anzugehen. Bei Contilia betont man dabei, in der Zwischenzeit beileibe nicht untätig gewesen zu sein. Seit Jahr und Tag sind Bauteams im Haus, sie werkeln an der (Unfall-)Chirurgie und den Herzkatheter-Messplätze der Kardiologie, bei der Endoskopie wie der Radiologie, sie erweitern die Zentrale Notaufnahme, schaffen Räume in der Gastroenterologie, sanieren Badezimmer, renovieren die Aufwachstationen, kaufen neue Medizintechnik.
Teams wurden neu zusammengestellt, und die Technik modernisiert: „Es geht voran“, freut sich Carsten Preuß, Geschäftsführer der Contilia-Tochter Katholisches Klinikum Essen (KKE), „ein ganz anderes look and feel“, ergänzt Albrecht im besten Klinik-Denglisch. Sieht also besser aus und fühlt sich besser an als vorher. Es gebe weniger Beschwerden über lange Wartezeiten als früher, heißt es, und auch die Belegschaft zeige sich besser gelaunt: „Die merken das genauso wie die Patienten.“
Wann das neue Philippusstift steht? „Diese Jahreszahl muss ich einfach schuldig bleiben“
Es liegt auf der Hand, dass der Gesundheitskonzern Contilia sich bei alledem, was er in Borbeck und in die neue Psychiatrie am Standort des ehemaligen Marienhospitals in Altenessen investieren will, finanziell nicht verheben möchte. „Nur“ 24 Millionen Euro und damit nur ein Fünftel der geplanten Umbau-Kosten wollte Contilia für das Mammut-Projekt aus eigenen Töpfen investieren, indem es am Kapitalmarkt Kredite aufnimmt.
Doch die Zinsen hierfür haben sich vervierfacht. Wie das alles gehen soll, ohne massive Einschnitte in den Leistungs-Katalog, ist dem Laien schleierhaft, während der Gesundheitsprofi die Sorgen weglächelt. Nein, keine weiteren Details, signalisiert Albrecht, dessen Haus die überarbeiteten, in Teilen womöglich angepassten Pläne wiederum den Genehmigungsbehörden vorlegen muss, was die ganze Chose definitiv nicht beschleunigt.
Danach wird dann im Detail geplant, irgendwann europaweit ausgeschrieben und gebaut. Nein, den Umzug der Psychiatrie von Borbeck nach Altenessen vorzuziehen, ist nicht geplant. Wann alles fertig ist, das neue Philippusstift an den Start gehen kann? Bislang wurde stets das Jahr 2027 als Zielmarke genannt, das scheint kaum zu schaffen. Und auch Contilia-Chef Albrecht betont: „Diese Jahreszahl muss ich einfach schuldig bleiben.“