Rees-Haldern. Die NRZ setzt die Serie der Haldern Pop Band-Porträts für das Festival in 2022 fort. Diesmal mit den Beatsteaks, Husten, 1000 Robota und mehr.

Die NRZ präsentiert das 39. Haldern Pop Festival vom 11. bis zum 13. August. Und damit die Vorfreude auf die Musik etwas angefeuert werden kann, setzen wir unsere Serie der Bandvorstellungen mit dem dritten von vier Teilen fort. Zum Start der am wenigsten geheime Überraschungsauftritt der Haldern Pop Geschichte:

Donnerstag, Hauptbühne, 0.30-2 Uhr: Mit den Beatsteaks kommt eine sehr namhafte deutsche Alternative-Rock-Band zum Festival, die seit den frühen 2000er-Jahren auf keiner Rock-Playlist fehlen darf. Hits wie „Hand in Hand“, „Hallo Joe“, „Cut off the Top“ oder „I Don’t Care as Long as You Sing“ begeistern die Massen; die Stimme von Arnim Teutoburg-Weiß erkennt man schnell wieder.

Zugegeben, die größten Hits liegen viele Jahre zurück. Die jüngeren Alben waren zwar auch immer noch Charterfolge, aber der Erfolg war nicht so durchdringend wie bei „Smack Smash“ (2004), „Limbo Missiah“ (2007) oder auch noch „Boombox“ (2011). Eines dürfte aber sicher sein: Live rocken die Beatsteaks nach wie vor richtig ab. Musik für: die gemeinschaftliche Extase. Erlebnispotenzial: 5/5 Sterne.

Weitere Hörproben: „40 Degrees“, „Jane Became Insane“.

Husten sind beim Haldern Pop Festival dabei. Sänger Gisbert zu Knyphausen (li.) ist schon häufiger dabei gewesen.
Husten sind beim Haldern Pop Festival dabei. Sänger Gisbert zu Knyphausen (li.) ist schon häufiger dabei gewesen. © Haldern Pop | Husten

Radiotaugliche Poesie mit Gisbert zu Knyphausen

Donnerstag, Marktplatz, 14-15 Uhr: Husten sollten 2020 zum abgesagten Haldern Pop kommen. Diesmal klappt es mit der deutschen Band, deren Sänger Gisbert zu Knyphausen schon als Stammgast bezeichnet werden kann. Im Vergleich zum Solo-Künstler kommen Husten etwas radiotauglicher daher. Der Pop-Rock kann die Massen mitreißen, ist musikalisch leichter zugänglich, und trotzdem streut der Poet zu Knyphausen seine wunderschönen Worte ein. In diesem Jahr ist mit „Dasein“ eine Single erschienen, auf der ein anderer gern gesehener Gast beim Haldern Pop zu hören ist: Sophie Hunger… Musik für: Dich und alle die, die neben Dir stehen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Liebe kaputt“, „Maria“.

Donnerstag, Kirche, 16.45-17.30 Uhr: Die schottische Pianistin und Liedermacherin Kathryn Joseph kommt mit einer besonderen Stimme daher. Ultrazart, zerbrechlich, mit ganz feinem Vibrato und sehr viel Gefühl. In diesem Jahr ist ihr drittes Album „For You Who Are the Wronged“ erschienen. Ihre reduzierten Synthie-Stücke sind gespickt mit Melancholie. Eine Musik die Aufmerksamkeit und Ruhe braucht. Wer sich einlässt und das mag, wird es lieben. Umgekehrt gilt für die Lieder dieses Albums aber auch: Kennste eines, kennste alle. Musik für: feinsinnige Melancholiker. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „What Is Keeping You Alive Makes Me Want to Kill them for“, „From When I Wake the Want Is“.

Das lange Warten auf 1000 Robota

Donnerstag, Marktplatz, 16-16.45 Uhr; sowie Freitag, Kirche, 16-16.45 Uhr mit Stargaze: Warten auf das Comeback: Eigentlich sollte die Hamburger Band 1000 Robota schon 2021 beim Haldern Pop auftreten. Nun soll es so weit sein. Die Single „Ende“ war 2021 lange der einzige Appetithappen nach zehn Jahren. Nun sollen ihren Post-Punk und Kraut-Rock wieder aufleben? Deutschlands wahrhaftigste Enttäuscher, wie sie sich selbst bezeichneten, lassen sich schwer festnageln. Mal sehen, ob sie weiter so polarisieren, wie früher. Wer diese Stilrichtung leicht zugänglich komponieren kann, der hat was auf dem Kasten. Musik für: die 2.0-Punks. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Ich blicke an dir vorbei“, „Hamburg brennt“.

Donnerstag, Kirche, 13.30-14 Uhr: Etaoin: Die irische Liedermacherin bringt gesanglich eine schöne Bandbreite mit – von kraftvoll poppig bis sanft-zurückgenommen. Ihre Lieder bringen eine Menge Herzschmerz mit, aber auch Hoffnung. Das erste Album dürfte in 2022 erscheinen. Ist sie eher was für indie-affine Festivals oder für Mainstream-Acts? Also eher Indie-Folk voller Emotionen oder poppige Chartjägerin. Das muss sich noch zeigen. Musik für: kleinbühnentaugliche Pop-Momente. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Cold Blood“, „I Dare You“.

Die Band Sports Team könnte in Haldern sicherlich auch reichlich Rasen mähen. Aber Musik machen wird bevorzugt.
Die Band Sports Team könnte in Haldern sicherlich auch reichlich Rasen mähen. Aber Musik machen wird bevorzugt. © Haldern Pop | Unbekannt

Mid City überzeugten auf der Fröhling-Tour

Donnerstag, Spiegelzelt, 20.15-21 Uhr: Die Londoner Band Sports Team soll angeblich nach Konzerten schon alle Fans in den Pub eingeladen haben. Na, vielleicht ergibt sich ja in Haldern auch noch ein geselliges Zusammenkommen mit der Indie-Rock-Gruppe. Im Juli ist ihr zweites Album „Gulp“ erschienen. Sie bleiben sich treu: Ihre Gitarrenmusik ist von einer fröhlichen Leichtigkeit geprägt, geht mit reichlich Tempo voran. Man sieht sich schon im Spiegelzelt herumtollen. Musik um: den Kopf frei zu kriegen und sein Lächeln zu finden. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „R Entertainment“, „Here’s the Thing“.

Freitag, Hauptbühne, 16.15-17 Uhr: Der eingängige Indie-Rock von Mid City überzeugte schon bei der Fröhling-Tour von Haldern Pop. Wer satte Gitarrenriffs mit schönen Melodien und Harmonien mag, ist bei den Australiern richtig. Mitunter bieten sie das, was The Killers verloren haben. Sänger Joel D’Griff hat die passende Stimme für mitreißende Hymnen. Ihr Stil ist in dem Genre durchaus facettenreich. Absolut tanzbar und die Seele frei pusten, das passt hier. Musik für: den Rock’n’Roll-Konsens. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Choc Mint“, „Forget it“.

Wu-Lu – sein Sound klingt nach Untergrund-Musik.
Wu-Lu – sein Sound klingt nach Untergrund-Musik. © Haldern Pop | Unbekannt

Donnerstag, Hauptbühne, 17.45-18.30 Uhr: Der Londoner Miles Romans-Hopcraft, als Künstler Wu-Lu genannt, wandelt zwischen den Stilen: Lo-Fi, etwas Jazz, Soul und Hip Hop, Indie-Rock, teils brachialer Rock… geht alles. Auch miteinander. Klingt alles ein bisschen nach Musik aus dem Untergrund. In diesem Jahr ist das Album „Loggerhead“ erschienen. Unter anderem geht’s um das Ende der Kommunikation zwischen der inneren und der äußeren Stimme. Zweifelsohne ein denkender Künstler. Musik für: das untergründige Haldern Pop. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörprobe: „Blame“, „Times“.

Die rotzigen Filous von The Lounge Society

Samstag, Pop Bar, 14-14.45 Uhr: Die nordenglische Post-Punk-Formation The Lounge Society bringt ihre politische Wut zu Gehör. Ungewöhnlich muten Einflüsse aus Funk und Disco an; das sorgt aber für einen gewissen Wiedererkennungswert. Das rotzige Filou-Quartett wird sicherlich Energie auf die Bühne bringen. Mal hören, wie sie ihren durchaus detailverliebten Stil live zu Gehör bringen; es sollte nicht breiig werden. Musik für: den Dialog zwischen erhobenem Zeige- und Mittelfinger. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Last Breath“, „Burn The Heather“.

Ghum – vier Frauen, dunkle Kleidung, auch ihre Musik kommt etwas düsterer daher.
Ghum – vier Frauen, dunkle Kleidung, auch ihre Musik kommt etwas düsterer daher. © Unbekannt | Haldern Pop

Freitag, Spiegelzelt, 15.15-16 Uhr: Ghum haben in diesem Jahr ihr Debütalbum „Bitter“ veröffentlicht. Vier Frauen, die ihre dunkle Seite in der Musik ausdrücken. Ihr Post-Punk hält Gothic- und Grunge-Einflüsse vor und mäandert zwischen Wut und Unheimlichkeit. Sogar The Cure-Einflüsse lassen sich heraus hören, aber eben brachialer verpackt. Der Stimme von Laura Guerrero Lora kann man einiges zutrauen. Die Texte verarbeiten auch die Traurigkeit und Wut, die während der Corona-Pandemie entstanden sind. Musik für: die Kanalisierung der Wut. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Bitter“, „California“.

Freitag, Marktplatz, 12-12.45 Uhr: Aus Hawaii zog es Eli Smart nach Liverpool, aber den Insel-Sonnenschein hat er in seiner Musik bewahrt. Sein Aloha-Soul ist gewürzt mit 60er-Rock, Jazz und Tropicana. Und das alles mit Dauer-Gute-Laune. Das Gitarrenspiel kommt wahrlich beseelt daher. Die musikalische Seele steht hier absolut unter Sonnenbrandgefahr. Aus Haldern Pop-Sicht eine erfrischend andere Farbe im Gesamtaufgebot. Musik um: den Sandstrand unter den Füßen zu wähnen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Every Flavour“, „Highschool Steady“.

Freitag, Kirche, 12.45-13.15 Uhr: Die in London residierende Japanerin Hatis Noit war 2018 schon mal in Haldern. Sie wird in der Kirche ihren ganz eigenen Stil zu Gehör bringen, der durch die klassisch japanische Musik, Gagaku, und Opern-Musik inspiriert ist. Auch gregorianische Gesänge und Avantgarde fließen mit ein. Zweifelsohne eine seltene Klangfarbe, die jenseits populärer Musik zu sehen ist. Musik zur: Erweiterung des Kulturbegriffes. Erlebnispotenzial: 2/5 Sterne.

Hörproben: „Angelus Novus“, „Aura“.

Cantus Domus möchte man beim Haldern Pop nicht mehr missen

Samstag, Marktplatz, 11-11.45 Uhr: Das schwedisch-kanadische Duo Thus Owls haben in 2022 ihr sechstes Album „Who Would Hold You If the Sky Betrayed Us“ veröffentlicht. Ihr experimenteller Sound wird geprägt durch die beeindruckende Stimme von Erika Angell auf der einen Seite und durch ungewöhnliche Kompositionen auf der anderen Seite. Die Instrumentierung ist breit gefächert von jazzigen Bläsern bis sanft-rockigen Gitarren. Kommt reichlich melancholisch daher. Musik für: anspruchsvolle Musikfreunde. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „I Forget What I Remembered“, „Perfectly Younger“.

Freitag, Kirche, 11-11.50 Uhr: Der Berliner Chor Cantus Domus ist seit Jahren Stammgast in Haldern, sorgt durch die Begleitung anderer Musiker für einmalige Konzerterlebnisse, kann aber auch alleine ein besonderes Chorerlebnis bieten. Zweifelsohne hat Haldern Pop durch diese langjährige Liaison ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Stimmlich lässt der von Ralf Sochaczewsky geleitete Chor nichts vermissen. Musik als: magische Veredlung (als Begleiter) oder die Einführung in Chormusik für Popohren (bei eigenen Auftritten). Erlebnispotenzial: sehr unterschiedlich je nach Auftrag, aber oft hoch.

Hörproben: „Clean Eyes“ (live) mit Syml in Haldern, „Long Shadows“ (live) mit Fabrizio Cammarata in Kaltern.

Samstag, Spiegelzelt, 14-14.45 Uhr: Die englische Band Charteuse hat 2021 ihre sechste EP „Is it Autumn Already?“ veröffentlicht. Ihre melancholischen Indie-Stücke bauen gekonnt Stimmungen auf. Der oft mehrstimmige Gesang, getragen von einem starken Mike Wagstaff, verbindet sich zu feinsinnigen Harmonien mit dem Spiel der Instrumente. Auffällig sind auch die oft dezent tippelnden Percussions. Musik für: den Geschmack an alternativen Balladen. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Feed Be Fed“, „Things Are Changing too Quickly“.

Donnerstag, Kirche, 11-12 Uhr; sowie Niederrhein-Zelt, 22-22.35 Uhr: Zu großen Erfolgen hat es für die ungarische Gruppe Terra Profonda bisher nicht gereicht. Aber Haldern Pop glaubt weiter an das Trio um Sänger Vincenzo Lo Buglio. Kein Wunder, allein seine raue Stimme ist ein Spektakel. Und er weiß diese auch inbrünstig zu präsentieren. Das Mikrofon könnte überflüssig sein. Die folkloristische Musik dazu – gerne auch mit seltener Instrumentierung – ist durch Jazz- und Blues-Einflüsse geprägt, aber hin und wieder erlauben sich die Ungarn auch etwas poppigere Stücke. In Haldern hat man Terra Profonda schon in diversen Rollen erleben dürfen. Sicherlich freuen sich einige auf ein Wiedersehen. Musik für: musikalische Reisen in wenig erschlossene Gebiete. Erlebnispotenzial: 4/5 Sterne.

Hörproben: „Buried Kingdom“, „The Garden of Woe“.

Sechs Menschen im Bild. Und trotzdem heißt die Band Robocobra Quartet.
Sechs Menschen im Bild. Und trotzdem heißt die Band Robocobra Quartet. © Haldern Pop | Unbekannt

Samstag, Spiegelzelt, 0-0.45 Uhr: Bei den Nordiren von Robocobra Quartet trifft Post-Punk auf Jazz. Und so kommen zwei Bässe und ein Schlagzeug mit drei Bläsern in einer ungewöhnlichen Welt zusammen. Dazu der charakteristische Sprechgesang von Chris W. Ryan. Es ist zwar ein experimenteller Sound, aber die Musik spricht Zuhörer in vielerlei Hinsicht an, versteckt sich so nicht nur in einer Nische. Musik für: forschungsfreudige Zuhörer. Erlebnispotenzial: 3/5 Sterne.

Hörproben: „Heaven“, „Wellness“.

>> Was es mit unseren Bewertungen auf sich hat

Zur Erklärung: Für jede Band haben wir ein Erlebnispotenzial bewertet. Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb versuchen wir gar nicht erst, die Qualität der Musik zu bewerten. Das soll jeder Zuhörer für sich selbst tun. Wir versuchen, mit dieser Wertung einzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Konzert für Sie zum Erlebnis werden kann.

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Ist die Musik leicht zugänglich? Gibt’s Ohrwürmer? Ist es eher eine Nischenband? Könnte der Spielort eine Rolle spielen? Wir haben es uns nicht leicht gemacht und trotzdem werden wir sicher nicht immer recht haben. Es ist eine bescheidene Entscheidungshilfe.