Kreis Kleve. Aktuell stünden viele landwirtschaftliche Bereiche unter einem enormen Kostendruck. 30 Prozent der Kollegen würden bald aufhören.
Michael Seegers läutet die Alarmglocke. Der Sprecher der Kreis Klever Landwirte warnt eindringlich vor der aktuellen Situation der hiesigen Bauern: „Was im Moment passiert ist dramatisch. Egal welches Produkt sie nehmen, überall ist die Stimmung schlecht. Ich gehe fest davon aus, dass in anderthalb Jahren gut 30 Prozent der Kollegen aufgeben werden“, sagt Seegers im Gespräch mit der NRZ. „Jeden Tag kommen neue Hiobsbotschaften.“
Hohe Verluste für Schweinezüchter
Das Hauptaugenmerk liege zurzeit bei den Schweinezüchtern. Diese müssten zurzeit einen Verlust von 30 bis 40 Euro pro Ferkel hinnehmen und im Durchschnitt erwartet ein Züchter 33 Ferkel pro Sau im Jahr. Diese Situation sei nicht lange durchzuhalten. „Natürlich kann man sich fragen, warum machen die Bauern das überhaupt noch. Aber wir kämpfen für unseren Beruf. Und wir hoffen einfach darauf, dass der Lebensmitteleinzelhandel erkennt, dass es ohne eine gesunde Landwirtschaft nicht geht.“
Die Forderung nach 5D in der Schweinehaltung werde dazu führen, dass weitere Bauern aufgeben müssen. 5D stehe für: Geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet in Deutschland. „Diese Voraussetzungen gibt es in Deutschland zurzeit gar nicht“, sagt Seegers und entsprechend müsse wieder investiert werden. Aber genau hier liege ein Hauptproblem: Viele Landwirte können nicht weiter investieren, wenn ihnen die wirtschaftliche Perspektive fehlt. „Alle Kosten steigen: für Futter, für Energie, für die Arbeitskräfte. Und es kommen immer neue Vorgaben hinzu.“ Der Lebensmitteleinzelhandel fordere 5D, aber bald seien gar keine Schweinemäster mehr da.
Kostenintensive Vorgaben für Landwirte
Seegers nennt als Beispiel die Lagerung von Silage. Diese müsse jetzt so aufbewahrt werden, dass nach Regenfällen kein Schmutzwasser in den Boden eindringen kann, um Belastungen des Erdreichs zu vermeiden. „Für meinen Hof müsste ich jetzt entweder eine aufwendige Auffanglösung schaffen oder ein Dach errichten. Beides ist richtig teuer und bringt meinen Betrieb nicht weiter“, so Seegers, der über eine Silage-Fläche von 4000 Quadratmeter verfügt. Eine Überdachung für die Silage und ein Auffang für das Regenwasser würde 400.000 Euro kosten.
Bei den Milchkühen hätten sich die Kosten um fünf Cent je Liter erhöht. Allein das Kraftfutter koste jetzt gut 30 Euro je Doppelzentner. Im vergangenen Jahr seien es noch 19 bis 20 Euro gewesen. Auch das Eiweißfutter sei von 25 auf 40 Euro je Doppelzentner gestiegen. Gentechnikfreie Futtermittel seien nur schlecht zu bekommen und werden mit 70 Euro gehandelt. Viele Milchviehbauern wollen daher auf Soja verzichten und Raps anbauen. „Aber für den Raps benötigt man mehr Phosphor.“ Auch das sei nicht gut für die Böden. Die Tiere benötigten Eiweißträger, um sie gesund zu ernähren: „Daher gucken wir auch nach industriellen Nebenprodukten wie Möhren oder Kartoffeln, um die Futterrationen wirtschaftlich zu machen.
Hohe Energiekosten
Der Diesel sei von einem Euro auf 1,60 Euro gestiegen. „Und unser Schlepper schluckt 300 Liter. Wenn der den ganzen Tag im Einsatz ist, dann ist der Tank auch wieder leer“, sagt der Landwirt.
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Seegers sieht für seine Berufssparte vor allem in der Energieerzeugung eine Möglichkeit, die steigenden Kosten wieder aufzufangen. Vor allem die Errichtung von Windkraftanlagen sei sinnvoll. Aber an dieser Stelle werde man mit viel zu viel Bürokratie belastet. Das müsse alles einfacher gehen.
Mindestpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gefordert
Der Kreislandwirt ist sich sicher, dass die Branche Mindestpreise einführen müsse. „Aldi muss einfach höhere Preise veranschlagen“, sagt Seegers. „Wir Landwirte können 30 Prozent mehr Bio-Produkte produzieren, aber wir brauchen Kunden, die das bezahlen.“
Neben den produktionsbedingten Schwierigkeiten sieht Seegers auch im Bereich der Verordnungen drohendes Unheil auf die Kollegen zukommen. Im Kreis Kleve gebe es bereits viele Naturschutzflächen und diese sollen nun im Landschaftsplan Emmerich - Kleve noch einmal ausgeweitet werden. „Da werden wertvolle Ackerflächen für den Naturschutz aus der Produktion genommen. Schauen Sie sich mal die Naturschutzflächen auf Salmorth in Kleve an. Da lebt kein Hase mehr. Da gibt es nur noch Steppe und Jakobskreuzkraut“, ärgert er sich. Für die Landwirte seien weitere Naturschutzflächen existenzbedrohend.
Auch mehr Tierschutz kostet viel Geld
Eine zunehmende Regelungswut stelle er auch beim Thema Tierschutz fest. „Wir Landwirte sind für Naturschutz und auch für mehr Tierwohl, aber dann muss man uns beständige Vorgaben machen.“ Es gebe bereits heute gute Standards. Ein moderner Boxenlaufstall sei mit Ventilatoren versehen, die automatisch bei 25 Grad angehen und eine Sprühkühlung, die bei 26 Grad aktiviert wird. Seegers berichtet davon, dass ein Kollege vor fünf Jahren seinen Stall nach den damals gültigen Vorgaben für mehr Tierwohl umgebaut habe. Jetzt werde über die nächste Verschärfung diskutiert. „Das sind jedes Mal sechsstellige Investitionen, die getätigt werden müssen. Und an denen stottert man 20 Jahre ab. Wer soll das denn alles bezahlen?“