Rees. Die Entscheidung für den Korridor auf Reeser Stadtgebiet ist gefallen. Bürgermeister Gerwers sieht viel Arbeit auf die Verwaltung zu kommen.
Seit Montag steht fest, dass der Übertragungsnetzbetreiber Amprion den Rhein bei Rees kreuzt. Bürgermeister Christoph Gerwers sieht „wieder einmal“ viel Arbeit auf seine Verwaltung zukommen. Die Entscheidung, den Erdkabel-Strom-Korridor über Rees zu führen, fiel knapp aus. Natürlich hätte sich der Reeser Bürgermeister die Variante für den Verlauf mit Rheinunterquerung zwischen Voerde und Rheinberg gewünscht, aber er ist auch Realist: „Wenn man den Kohleausstieg will, dann muss der Strom auch transportiert werden. Und da kann nicht jeder sagen ‘Gerne, aber nicht bei mir’.“
Amprion will die Belastung für Rees so gering wie möglich halten
Über 600 Seiten umfasst die Festlegung der Bundesnetzagentur zum Trassenkorridor. „Sie hat die Argumente sauber abgewogen, auch wenn unsere Argumente nicht den Ausschlag gegeben haben“, bedauert Gerwers. „Wir sind enttäuscht, aber die Entscheidung ist vertretbar. Amprion hat zugesagt, für die Stadt Rees die Belastung so gering wie möglich zu halten, insbesondere den Halderner Wald so wenig wie möglich zu tangieren.“ Das war bei der Hochleitungstrasse anders, als eine 35 Meter breite Schneise durch den Wald geschlagen wurde.
Der Wasserversorgungsverband Wittenhorst hatte argumentiert, dass es besser sei, die Trasse nicht durch, sondern am Rand des Wasserschutzgebietes verlaufen zu lassen, was entweder den Hamminkelner oder den Halderner Wald getroffen hätte. Dem kam die Bundesnetzagentur in der Abwägung nach. Das Erdkabel durchquert nicht das Wasserschutzgebiet, liegt an dessen Rand auf Reeser Gebiet.
Wo der geplante Trassenkorridor verläuft
Wie genau die Trasse verläuft, das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Geplant ist der Verlauf des Erdkabels von Loikum über Wertherbruch, ein Stück durch den Wald in Schledenhorst, weiter am südlichen Rand des Halderner Waldes unter dem Hagener Meer, südlich des Reeser Meeres weiter in Richtung Haffen, wo der Rhein unterquert wird. Aber zuerst einmal wird mit den betroffenen Grundstücksbesitzern gesprochen.
Jetzt geht es an die konkrete Planung. Aktuell lief am Dienstag schon die erste Videokonferenz, an der Bauamtsleiterin Elke Strede teilnahm. Christoph Gerwers weiß, lamentieren hilft nicht, jetzt müssen die Vorbereitungen für das Planfeststellungsverfahren getroffen werden. „Schließlich geht auch WLAN nicht ohne Strom.“
Hintergrund: Was man zum Stromkorridor wissen muss
Wie kommen Wind- und Sonnenenergie in die Steckdosen im Kreis Kleve? Natürlich durch Leitungen, die sich mit Windrädern im Norden und Photovoltaik im Süden sowie konventionellen Stahlhütten und Kohlekraftwerken im Westen verbinden. Es sind besondere Kabel für schnellen Durchfluss nötig, die nun extra verlegt werden – mit gesetzlichem Auftrag. Eine Trasse wird auch den Kreis Kleve berühren.
Die Bundesfachplanung legt den „Korridor“ fest, in dem die tatsächliche Trasse liegen wird. Das Planfeststellungsverfahren wird ab September 2021 wohl zwei Jahre dauern. Die Bauzeit wird ab 2024 drei Jahre betragen.
Auf dem festgelegten Korridor wird die beste Route für die Trasse gesucht
Der „Korridor“ ist rund 1000 Meter breit. In ihm wird die beste Route für die Trasse gesucht, die 24 Meter breit ist. Darin werden in zwei Metern Tiefe zwei mal drei Schutzrohre verlegt, durch die die Stromautobahn jagen wird. Wo die Tiefbauunternehmen graben, darf künftig nicht bebaut werden. Deshalb liegen die Rohre „größtenteils auf freier Fläche, unter Feldern und Wiesen“, beschreibt Projektleiter Jonas Knoop im Gespräch mit der NRZ.
Die betreffenden Landwirte könnten auch in der Bauzeit links und rechts der Grube ihr Flurstück weiter bearbeiten. Wenn aber ein Jahr lang die Ernte entfällt, erhalten die Bauern Entschädigung. Über der Baustelle wird danach mindestens 1,20 Meter Erde verfüllt. Selbst mit Tiefpflügen gebe es da keine Probleme, sagt Knoop.
Die Landwirte sind nicht erfreut
Falls auch im zweiten und dritten Jahr die Fläche wegen zu hoher Bodenverdichtung aus der Bewirtschaftung heraus falle, gibt’s auch dafür Entschädigungsgeld. Außerdem zahlen die Netzbetreiber den Landwirten 35 Prozent des Bodenrichtpreises dafür, dass sie theoretisch jederzeit an die Rohre dran kommen müssten. Insgesamt stehen zwei Milliarden Euro für Bau und Entschädigungen bereit. Dennoch waren die Landwirte nicht erfreut über die Pläne.
Die Hauptschlagader im deutschen Übertragungsnetz
Laut Jonas Knoop sind Erdkabel in der Bevölkerung besser akzeptiert als Strommasten. Die ganze Strecke nennt sich „Gleichstromverbindung A-Nord“ und ist Teil des „Korridor A“ und im Bundesbedarfsplan gesetzlich verankert (BBPlG). Korridor A soll künftig eine der Hauptschlagadern im deutschen Übertragungsnetz darstellen. Eine Gleichstromverbindung transportiert verlustarm große Mengen Energie über weite Strecken. 380.000 Volt werden über Umspannanlagen nach und nach auf 230 Volt in der Steckdose reduziert, erklärt Jonas Knoop.