Aus der Grenzregion. In den Niederlanden sind die Proteste von Bauern gegen die Umweltschutzpläne der Regierung eskaliert. Was die Landwirtschaft in NRW dazu sagt.
Während diese Woche auf den Feldern am Niederrhein die Ernte begonnen hat, steckten Bauern in den Niederlanden aus Protest gegen angekündigte Umweltauflagen der Regierung Heuballen in Brand. Die Stimmung ist angeheizt, die geplante Stickstoffreduzierung im Nachbarland könnten das Aus von rund 30 Prozent der Viehbetreibe bedeuten.
Seit Tagen eskalieren Demonstrationen, am Dienstagabend durchbrachen Bauern mit Treckern eine Polizeisperre vor dem Haus der niederländischen Umweltministerin. Der niederländische Premier Mark Rutte verurteilte die Aktion scharf.
Auch die Landwirtschaft am Niederrhein lehnt jene Art der Proteste im Nachbarland ab. „Bei aller Emotion, die durch die schwerwiegenden Auswirkungen der neuen Gesetzgebung ausgelöst werden, darf dies nicht dazu führen, dass die Privatsphäre einer Ministerin missachtet wird und Sachschäden billigend in Kauf genommen werden“, so eine Sprecherin des Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV).
So sieht es auch Wilhelm Hellmanns, der einen Landwirtschaftsbetrieb bei Rheurdt hat, rund 15 Kilometer von der Grenze entfernt. „Die holländischen Kollegen haben schwere Geschütze aufgefahren, um ihrer Not Ausdruck zu verleihen“, so der Schweinebauer. Zu schwere. „Andere Menschen zu gefährden, ist nicht zu unterstützen.“
Niederländische Bauern sehen Lebenswerk in Gefahr
Doch der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Geldern könne Frust und Hilflosigkeit der Landwirtinnen und Landwirte durchaus nachvollziehen. Wie sieht er die Zwangsverkäufe, die im Nachbarland wohl bevorstehen? „Das wäre auch für mich eine Katastrophe“, sagt Hellmanns. „Da kann ich verstehen, dass man sich sein Lebenswerk nicht so einfach aus der Hand reißen lassen möchte.“
Der 52-Jährige hat Bekannte in den Niederlanden und glaubt, dass der Frust der Landwirte tief sitzt. „Es ist unbestritten wichtig, dass unsere Länder sich selbst versorgen können. Dafür braucht es die Landwirte. Wir sind in den letzten fünfzehn Jahren aber in erster Linie als Tierquäler und Naturverschmutzer und mit anderen negativen Begriffen bezeichnet worden. Und unsere eigentliche Verantwortung – nämlich Nahrungsmittel zu erzeugen – ist dabei in den Hintergrund gerückt.“
Unbestritten ist auch: Die Niederlande brauchen eine Lösung für ihr Stickstoff-Problem, was ohne Einschnitte in der Landwirtschaft nicht machbar scheint. Maßnahmen wie Tempo 100 auf den Autobahnen reichten dafür nicht aus.
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Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW äußert trotz Verständnis für die Sorgen der Landwirte auch Verständnis für die Pläne der niederländischen Regierung. „Den Niederlanden bleibt gar nichts anderes übrig. Die EU-Regeln zum Wasserschutz gelten auch dort.“
Landwirtschaft und Gartenbau seien im Nachbarland ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, die Branchen eine breite Unterstützung gewohnt. Das ändert sich nun. „Die Bauern wissen genau, dass sie unter den neuen Bedingungen nicht wie bisher weiter machen können.“ Das führe in Teilen des Berufsstandes zu einer Radikalisierung. Aber ob die Ausschreitungen etwas bewegen?
Landwirtschaft in NRW: Bauern denken ans Aufgeben
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„Mit dieser Form der Auseinandersetzung wird die sachliche Ebene verlassen. Das Kernproblem, wie landwirtschaftliche Produktion mit den Umwelterfordernissen verbunden werden kann, rückt aus dem Blickwinkel“, so der RLV. „Wir setzen daher in diesen Fragen auf den bewährten Grundsatz ‚Kooperation statt Konfrontation‘ und vertrauen auch mit Blick auf das neue Landwirtschaftsministerium in Düsseldorf darauf, dass im Rahmen von Gesprächen tragfähige Lösungen gefunden und nicht durch eine Basta-Politik unnötige Härten provoziert werden.“
Ein Demonstrationsklima wie in den Niederlanden kann sich Rüb in NRW nicht so leicht vorstellen. „In Deutschland ist man, was Protest anbelangt, im Vergleich zu den Niederlanden eher gemäßigter. In NRW, so habe ich den Eindruck, ist es eher ruhig geworden.“
Die Schweinebestände seien stark zurückgegangen, der coronabedingte Schweinestau vor den Schlachthöfen im vergangenen Jahr und der rückläufige Inlandskonsum hätten die Preise für Ferkel und Schlachtschweine massiv einbrechen lassen. „Viele Landwirte denken hier zurzeit her ans Aufgeben als ans Demonstrieren.“