Rees-Millingen. Das Jugendhaus in Millingen ist geschlossen. Aber dessen Leiterin Vesalia Sürücü bietet Einzel- oder Fenstergespräche an. Der Bedarf sei groß.

Fast täglich klingelt es an der Tür des Jugendhauses in Rees-Millingen. „Wann darf das JiM endlich wieder öffnen?“, fragt auch Dustin Landers. Der 17-Jährige geht hier seit Jahren ein und aus. „Hier hatte ich alle meine Freunde.“ JiM-Leiterin Vesila Sürücü muss ihre Einrichtung corona-bedingt geschlossen halten. Ein Osterferienprogramm fand nicht statt. Doch sie weiß, wie wichtig es für die jungen Leute ist, in der für sie so schweren Zeit eine Anlaufstelle zu haben. Wenigstens eine Gesprächspartnerin außerhalb der Familie, die zuhört und versteht.

Keine Aktivitäten im Jugendheim

Im Moment sind keinerlei Aktivitäten im JiM möglich, dennoch ist die engagierte Leiterin für „ihre“ Kinder und Jugendlichen da. Sogar am Wochenende schaltet sie ihr Handy nicht auf lautlos, sie weiß, wie schwer es manche Kinder haben, ohne soziale Kontakte, ohne Freunde und Klassenkameraden klar zu kommen. Ihre Schwester Meggy unterstützt sie ehrenamtlich bei der Arbeit.

Während Vesila Sürücü Fenster- oder Einzelgespräche anbietet, steht Meggy Sürücü vor dem Monitor und bietet online Koch- oder Backkurse für Kinder an. Dafür wurde eine Internetseite eingerichtet, die Kinder und Jugendliche erhalten über die Whatsapp-Gruppe oder Instagram die nötigen Informationen. Doch Meggy und Vesila Sürücü wissen, dass sie viel mehr als Ansprechpartnerinnen gefragt sind.

Täglich besteht Gesprächsbedarf

Natürlich bieten sie auch kleine Hilfestellungen an. Etwa wenn ein Kind etwas für die Schule ausdrucken muss, es zuhause aber keinen Drucker gibt, übernimmt die Leiterin das Drucken oder Kopieren. Oder wenn’s langweilig wird, können Kinder sich Spiele ausleihen. „Wir sind in der Coronazeit nicht untätig“, betont Vesila Sürücü. Vielmehr bietet sie Termine für Einzelgespräche an. Davon werden fast täglich mindestens vier gebucht. Zusätzlich können sich Interessierte auch am offenen Fenster mit den Betreuerinnen unterhalten.

Die Kinder haben oft große Sorgen. Etwa Kinder, deren Eltern alleinerziehend sind und sie daher in die Notbetreuung müssen. „Sie haben Angst vor dem Testen, Angst, dass es weh tut, sie verstehen es oftmals gar nicht. Da besteht sehr viel Rede- und Erklärungsbedarf“, weiß die JiM-Leiterin. Auch geben manche Jugendliche zu, dass sie aus Ermangelung an Treffen mit Freunden viel mehr Alkohol oder Zigaretten konsumieren. „Mir fällt auch auf, dass Außenseiter, die sonst in Vereinen oder in der Schule Kontakte haben, jetzt vereinsamen. Vieles bricht weg, ihre Entwicklung zur Selbstständigkeit bleibt zurück.“

Jemand muss zuhören und Verständnis zeigen

Nur Eltern als Gesprächspartner reichen besonders in der Pubertät nicht aus. „Sie müssen irgendwo ein Ventil öffnen, um Druck abzulassen“, weiß die junge Frau. „Jemand muss zuhören und Verständnis zeigen. Denn oftmals reagieren Erwachsene auf Jugendliche mit Unverständnis. Auch wenn es die eigene Angst der Erwachsenen vor Corona ist, dass sie aggressiv werden lässt, sollten sie auch die Nöte der Jugendlichen verstehen.“

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Auch im Jugendheim tut sich war. Vesila Sürücü hatte sich in Absprache mit dem Vorstand bereit erklärt, einen jungen Mann einzustellen, der Sozialstunden ableisten muss. Wegen Corona fand er nirgendwo eine Stelle. Doch die Jugendhausleiterin war beeindruckt, dass er sofort freiwillig erzählte, was zu dieser Strafe geführt hat. Ihre Zusage hat ihn aufgebaut, und er leistet sehr gute Arbeit, ob bei der Pflege der Gartenanlage oder dem Streichen des Boxraums, hier fühlt er sich warmherzig aufgenommen, aber auch gefordert.

Kinder haben vom Zocken die Nase voll

Vesila Sürücü und ihre Schwester Meggy haben auch mit den Eltern der Kinder und Jugendlichen gesprochen und ihre Unterstützung zugesagt. Immerhin zählten die beiden täglich zwischen 20 und 30 Jugendheimbesucher. Dustin Landers vermisst seine Freunde. „Wir waren mit 150 Freunden in der Whatsapp Gruppe, jetzt habe ich höchstens noch mit fünf Kontakt“, bedauert er. Irgendwann reißt das Interesse am Schreiben ab, wenn so gar nichts passiert und es nichts zu erzählen gibt. „Ein Gutes hat die Corona-Krise“, zieht Vesila Sürücü ein Resümee. „Die Kinder haben vom Zocken vorm Computer die Nase voll. Sie wollen wieder raus an die frische Luft und unter ihresgleichen sein.“