Duisburg. Kindesmisshandlungen können dank Riskid aus Duisburg schneller aufgespürt werden. Warum die Fallzahlen steigen und das ein gutes Zeichen ist.
Kinder vor Gewalt auch in der eigenen Familie zu schützen, das hat sich der Verein Riskid vorgenommen. Seit 20 Jahren kämpfen Duisburger Ärzte und Polizisten gemeinsam dafür, dass Misshandlungen leichter aufgespürt werden können.
Mehrere bittere Todesfälle von Kindern hatten Dr. Ralf Kownatzki und den verstorbenen Kommissar Heinz Sprenger 2005 auf Lösungsansätze gebracht: Hätte es nachprüfbare Vorsorgeuntersuchungen gegeben und hätten sich Kinderärzte vernetzen können, dann hätten die Kleinen womöglich überlebt. Eltern, die als Täter unerkannt bleiben wollen, vermeiden U-Untersuchungen und betreiben im Notfall Ärztehopping.
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Duisburger Verein stößt Veränderung im Kinderschutzgesetz an
Bei verpassten Vorsorgeuntersuchungen haken Jugendämter in allen Bundesländern dank der Initiative von Riskid schon seit vielen Jahren nach. Und aus dem Duisburger Pilotprojekt entstand eine Art virtuelle Gemeinschaftspraxis für Kinderärzte, in der diese nachsehen können, ob Familien und die kleinen Patienten andernorts auch schon auffällige Befunde hatten.
Misshandelte Kinder können so früher entdeckt werden. 2022 wurde dafür das Kinderschutzgesetz aktualisiert. Ein Erfolg, den sich der kleine Verein zuschreiben kann.
Gesetz wird nach und nach von anderen Bundesländern übernommen
Schon mindestens 15 Jahre begleitet Bärbel Bas (SPD) den Verein Riskid und seine Präventionsdatenbank. „Ich habe immer versucht, das System in Gesetze reinzufummeln“, sagt die Bundestagspräsidentin. Dass jetzt nach und nach über die Länder gelinge, was über ein Bundesgesetz nicht möglich war, wertet sie als kleinen Erfolg.
„„Dieser Konflikt hat mich fast wahnsinnig gemacht““
Konfliktreich seien immer noch die Auseinandersetzungen zwischen Familien- und Gesundheitspolitikern. Während Gesundheitspolitiker den ärztlichen Austausch über eine Datenbank unproblematisch finden, haben Familienpolitiker die Sorge, dass Eltern mit ihren Kindern nicht mehr zum Arzt gehen, wenn sich der Austausch über die Praxen hinweg herumspricht. „Dieser Konflikt hat mich fast wahnsinnig gemacht“, so Bas, die diese Bedenken nicht teilt. „Denn die Eltern bringen ihre Kinder nicht zum Arzt, sie wandern nur von Notaufnahme zu Notaufnahme.“
Sie werde auf jeden Fall am Thema dranbleiben, in welcher Funktion auch immer, sagt sie mit Blick auf die Bundestagswahl und betont: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreies Aufwachsen.“
Polizeipräsident: Es wird immer schlimmer
Auch Polizeipräsident Alexander Dierselhuis ist voller Respekt für den Verein. „Riskid hätte es verdient, dass alle bundesweit wissen, dass dieser Verein die Entwicklungen zugunsten des Kinderschutzes angestoßen hat.“
In seinem Vortrag beim Fachtag Kinderschutz sagte er mit Blick auf die Zahlen, dass es immer schlimmer werde mit der Misshandlung von Kindern. NRW steuere mit 5065 Fällen ein Drittel der bundesweiten Fallzahlen (16.375) beim sexuellen Missbrauch bei. „Gucken wir besser hin oder laufen hier mehr Kinderschänder herum?“, fragt er. Auch in Duisburg stieg die Fallzahl von 71 im Jahr 2018 auf 144 in 2023. Er ist sicher: „Wir sind dabei, ein gigantisches Dunkelfeld aufzuhellen.“ Die Zahlen zeigen, wie viel mehr zu holen sei, das Personal sei in dem Bereich inklusive der Kinderpornografie entsprechend verfünffacht worden.
Katastrophale Gewalttaten: Ein Kind überlebte knapp, eines starb
Aus 2024 sind noch keine statistischen Zahlen freigeben, bedauert Dierselhuis. 2023 starben in NRW 16 Kinder durch Gewalt, in Duisburg keines. Die Null in der Statistik trüge, denn „das war knapp“. Er erinnert an den Fall des Vaters, der die Trennung nicht vertrug und mit seinem Mercedes Frau und Kind „plattgefahren hat“. Das Kind überlebte knapp, „aber nur durch einen starken Schutzengel“.
„Katastrophal“ sei in dem Jahr auch ein Fall in Dinslaken in Zuständigkeit der Duisburger Polizei gewesen: Eltern hatten ihre Dreijährige gefesselt und geknebelt in den Keller gesperrt als erzieherische Maßnahme. Es erstickte am eigenen Erbrochenen, schildert der Polizeipräsident und betont, dass man solches Verhalten kaum glauben könne.
Erfolgreicher Schlag gegen eine Kinderpornografie-Plattform
Auf der anderen Seite gab es aber auch Erfolge, etwa mit dem Schlag gegen eine Kinderpornografie-Plattform im Darknet vor wenigen Monaten. Im Girl-Lover-Forum seien über 200.000 User „aktiv ihren Neigungen nachgegangen“, weltweit seien es sogar über eine Million. Die Plattform ist Geschichte und bis auf einen Tatverdächtigen seien alle gefassten Personen weiter in U-Haft, so Dierselhuis.
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Die Ermittlungen seien für seine Mitarbeiter belastend gewesen, tausende Personalstunden flossen hinein. Über Jahre hätten sie dem Druck standhalten müssen, dass Kinder weiter unter Missbrauch leiden, wenn sie Feierabend machen, schildert der Polizeipräsident.
Beim Riskid-Fachtag wurde erneut der Gerd-Unterberg-Preis verliehen
Neuer Träger des Gerd-Unterberg-Preises ist Dr. Michael Hipp. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie engagiert sich im Bereich des Kinderschutzes in der Prävention für Kinder psychisch kranker Eltern. Namensgeber des Preises ist der verstorbene Duisburger Staatsanwalt Gerd Unterberg, der maßgeblich die Entwicklung des Vereins Riskid beeinflusste.
>>SO HILFT DER VEREIN RISKID BEDROHTEN KINDERN
Der Duisburger Verein Riskid kämpft seit zwei Jahrzehnten dafür, mithilfe einer Datenbank Kindesmissbrauch aufzuspüren und stoppen zu können. Über das Risikokinderinformationssystem Duisburg, das anfangs als Pilotsystem nur in Duisburg genutzt wurde, können sich Ärzte in Verdachtsfällen austauschen.
Inzwischen können sich angeschlossene Ärzte in NRW wie in einer virtuellen Gemeinschaftspraxis austauschen, weil das Land eine entsprechende Änderung im Heilberufsgesetz verankerte. Als zweites Bundesland folgte Rheinland-Pfalz. Niedersachsen und Bayern wollen ebenfalls folgen.
Weitere Infos: www.riskid.de